57

15 10 2
                                    

Er lief in seiner Behausung auf und ab und versuchte, die Gefühle abzuschütteln, die von ihm Besitz ergriffen hatten, seit Eliza ihm gesagt hatte, sie hätte sich für die Unendlichkeit entschieden. Es gab kein Zurück mehr. Sie würden künftig in ihren beiden Welten existieren, ohne aufeinandertreffen zu können. So nah und doch so fern, das würde ihre Zukunft sein.

Das war klargeworden, auch wenn es noch so schmerzte. Er hätte geduldiger mit ihr sein müssen. Immerhin war ihm immer bewusst gewesen, dass Eliza der Umstand Angst gemacht hatte, dass sie sich verliebt hatte - und dann auch noch in einen anderen Engel. Sie war so herrlich unbedarft, hatte Gefühle stets verborgen, sie sich nicht zugestanden.

Es war so schön gewesen, jedes einzelne hervorzulocken und gerade weil er es gekonnt hatte, war er regelrecht süchtig danach geworden, erkannte er und strich sich hilflos durch sein Haar. Alles in seiner Brust brannte wie Feuer, war zusammengezogen, dass es ihn erstickte. Das ging auf seine Kappe nicht auf ihre. Hätte er ihr Zeit gelassen, hätte sie vielleicht irgendwann den Sprung gewagt, sich mehr zuzugestehen, als das, das sie gehabt hatten.

Doch seine Ungeduld hatte bewirkt, dass er sie komplett in die Flucht geschlagen hatte, warf er sich vor und fegte wütend ein paar Dinge von der Felsplatte, die ihm als Tisch diente. Er war so zornig. Auf das Schicksal, auf Eliza, doch vor allem auf sich selbst. Er würde also sein Leben damit fristen, den Menschen Verführungen ins Ohr zu flüstern, die er zuvor geschützt hatte. Etwas, das er von ganzem Herzen verabscheute.

Doch er hatte seine Konsequenz selbst gewählt, hatte sich selbst damit beruhigt, dass dies nie zu seiner Realität werden würde, weil Eliza ihm folgen würde. Sich mit ihm auf die Erde fallen lassen würde. Wieder beschleunigte sich sein Herzschlag, als er an den Moment dachte, als er die Arme ausgebreitet hatte und sich ihrem Wohlwollen überließ. Er hatte zu hoch gepokert und verloren.

Seine Liebe und den Sinn, der seine Existenz gerechtfertigt hatte. Seine Finger krallten sich in die glatte Oberfläche des Steins vor ihm, weil ihm diese Erkenntnis so zu schaffen machte. Es gab kein Zurück mehr, das hatte Eliza heute klar gemacht. Zeit, sich mit dem abzufinden, was ihm von seinem Schnellschuss übrig geblieben war.

Frustriert richtete er sich auf, als ihn plötzlich Schwindel erfasste. Verwirrt rieb er sich über sein Gesicht. Was ging da vor? Seine Knie wurden weich und ein Kribbeln breitete sich in ihm aus. Strömte durch seinen Körper, machte ihn schwach. Jetzt begann es zu pochen. Wild. Sein Herz. Die Vibration davon hallte durch ihn, wurde zu einem Brennen.

Seine Sicht verschwamm immer mehr. Er versuchte einen Punkt zu fixieren, während ihn Panik erfasste. Was passierte hier?

,,Aaarrgh", drang über seine Lippen, während sein Verstand versuchte zu begreifen, was geschah.

Sein Kopf würde jede Sekunde explodieren, genauso wie sein Brustkorb zu bersten schien! Heißer Schmerz zog durch seinen Körper, füllte ihn ab, sodass er in die Knie ging. Er hielt sich den Kopf, wollte schreien, konnte aber nicht.

Er hatte schon gehört, dass Engel vernichtet wurden, wenn sie unbrauchbar geworden waren. War er unbrauchbar? Wurde er gerade vernichtet? Fühlte es sich so an, wenn ein Engel - gefallen oder nicht - wieder zu Licht und Luft wurde? Wie ein gigantischer Feuerherd, versengte dieser unbenennbare Vorgang seinen Rücken. Wie Lava-Kratzspuren liefen sie über seine Kehrseite und er dachte, er würde ohnmächtig werden.

In seinen Gedanken herrschte Schmerz und plötzlich zog ihn etwas nach hinten und schwarze Federn flogen um ihn herum. Das war es also: Sein Ende. War seine Liebe zu Eliza wirklich so ein großes Problem, dass es ihn unbrauchbar machte? Eliza - jetzt würde er sie nicht mal mehr auf diesen blöden Treffen aus der Ferne anhimmeln können. Sich nicht mehr wünschen können, sie zu berühren. Sie zu küssen oder zu lieben.

So. Viel. Mehr. Als. Er. Ertragen. Konnte. Dann war es so. Es nutzte nichts, dagegen anzukämpfen. Was immer es war, es war stärker als er. Er spürte, wie er plötzlich die Bodenhaftung verlor und schrie auf, als erneut Schmerz wie eine Welle über ihm zusammenschlug. Während er das Bewusstsein verlor, sah er Eliza - wie sie fiel. Angst zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, Tränen liefen über die schmerzverzerrte Grimasse, die sie zur Schau trug. Da waren überall weiße Federn! Sie ... sie war ...

Jetzt beschleunigte sich sein Herzschlag wieder. Seine Eliza. Dann fiel er ins Schwarz.

***************************

100-Follower-Special/ 100 Tage GefühleWhere stories live. Discover now