Kapitel 5 - Die Herrscher der Hamronie

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Triggerwarnung: Sexuelle Gewalt

Wer die Sprache der Gewalt nicht spricht, lernt Gewalt im Angesicht.
Das Mal der Feinde auf der Haut, gefunden, als der Morgen graut.
Ein weit'res Mal die Flammen toben, eure Fäden sind verwoben.
Hoffnung sei Arkan gewehrt. Die Herrscher sind zurückgekehrt.

~Mile~
2. Haluk 80'024 IV - Ertrunkener Wald, Keo, Twos

Red hatte recht behalten, dass die Kälte zu Twos' grössten Tücken gehörte. Es war nicht nur bitterkalt; als es dämmerte, begann es heftig zu schneien und innerhalb von Minuten waren die Spuren der Inker verschwunden.

Oskar jagte immer weiter durch den Schnee. Doch der Wolf hatte die Fährte längst verloren...

»Wir finden sie«, versicherte ihm Red immer wieder, doch als das letzte bisschen Sonne im Osten unterging - denn so war das in Twos - hörte sie damit auf. Die Nacht legte sich über die Welt und grüne, leuchtende Schleier begannen am Firmament zu tanzen. Noch nie hatte Mile ein solches Naturspektakel beobachtet. - Es kam ihm vor, als würde Twos ihn verspotten. Selbst das Rufen eines Käuzchens im kahlen Geäst über ihnen klang wie ein gehässiges Lachen.

Irgendwann drehte Red sich wieder nach ihm um. »Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.«

»Nein!«

»Es ist schon dunkel, Mile! Hier draussen lauern Gefahren, die du dir nicht vorstellen kannst!«

Er schüttelte den Kopf. Das Böse hin oder her, er würde Sabrina nicht im Stich lassen. Er fühlte sich so schon schuldig, sie in diese Situation gebracht zu haben. - Warum war er Red nur hinterhergelaufen? Er wusste es, doch es war... lächerlich und er hatte Mühe damit, es sich einzugestehen: Irgendetwas an der Frau in Rot zog ihn auf eine Weise an, die er sich weder erklären noch entziehen konnte.

»Bitte!«

Red seufzte. »In Ordnung. Aber lass uns rasch eine Pause einlegen. Und wir sie in der nächsten halben Stunde nicht finden oder auf dem Weg über einen Unterschlupf stolpern, suchen wir uns Schutz!«

Mile bezweifelte, dass er sich in einer halben Stunde geschlagen geben würde, dennoch willigte er ein und stieg ab. »Vielleicht kann Oskar daran riechen?«, fragte er, als sie sich im Schnee die Beine vertraten. Er zog Sabrinas Kopfhörer aus der Hosentasche. Als hätte Oskar ihn verstanden, wandte er ihm den grossen Kopf zu. »W-wenn es die Götter dieser Welt leibhaftig gibt«, erklärte Mile langsam und ohne den Wolf aus den Augen zu lassen, während dieser ihn anhechelte, »dann könnten wir sie doch um Hilfe bitten, oder nicht?«

Die Rote schüttelte den Kopf und zupfte an einem ihrer roten Samthandschuhen. »So... einfach ist das nicht«, erklärte sie und streckte die vom Reiten steifen Glieder. »In das Schicksal mischen sie sich nicht ein. Ausser es ist bereits so vorherbestimmt.«

»Soll das heissen, dass es Sabrinas Schicksal ist, von irgendwelchen Bluträubern gefangen zu werden?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Das Netz der Schicksalsspinne ist tückisch. So ist das.«

Mile sah auf die Kopfhörer seiner Schwester herab. »Eine grausame Spinne«, brummte er und blickte wieder zu seiner roten Gefährtin auf. Sie nickte nur mit bitterer Miene.

In diesem Moment erklang über ihnen ein lautes Kreischen. Sie hoben die Köpfe, doch da stiess auch schon ein grauer Pfeil vom Himmel und ehe sie reagieren konnte, wurden Mile die Kopfhörer aus den Fingern gerissen.

»Das gibt's doch nicht!«, zischte Mile und griff vergebens nach dem Kauz, der nun knapp über ihnen seine Kreise zog, seine Krallen mit der Beute an den Bauch gepresst. »Gib das wieder her!«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now