Kapitel 16 - Kaitous Winde

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Der Hüter und das falsche Orakel, der einzige Faden mit einem Makel.
Wenn den Gesandten Flügel fliehen, wird ihnen ein Strum geliehen.
Mit Kaitous Winden Segel hissen. Nimmt hin sein Schicksal mit Gewissen.
Den Zorn zu meistern nicht erlernt, die erste Schlacht nicht weit entfernt.


~Sabrina~
9. Moja 80'024 IV - Nimmerland, Bolwin, Twos

Trotz ihrer Müdigkeit und dem Schutz des Traumfängers erwachte Sabrina am nächsten Tag ohne sich erholt zu fühlen. Mal wieder. Als sie die Augen aufschlug und merkte, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett lag, kamen die Erinnerungen an den letzten Tag hoch und sofort flammte die Schuld wieder in ihr auf.

»Guten Morgen... oder guten Abend, Pennsocke?«, rief der Hutmacher, der noch immer genau so auf seinem Stuhl sass, wie gestern, als sie sich in seinem Zimmer schlafen gelegt hatte. Nur war er nicht länger allein. Mondkind und Nebelfinger hatten sich zu ihm an den Teekränzchen-Tisch gesellt. »Willst du dich zu uns setzen?«, fragte er in seine Tasse. »Wir spielen gerade eine Partie Rohrschach und wie es aussieht, sind wir alle verrückt!«

Sabrina rieb sich die verklebten Augen, noch immer geschwollen von den vielen Tränen. »Rohrschach?«, schnaubte sie und setzte sich langsam auf. »Lieber nicht. Ich habe mich lange genug für verrückt gehalten.«

»Hast es doch gehört: Wir Spinner sind unter uns«, meinte Nebelfinger sanft, der ihr vorsichtig zulächelte. Auf dem Schoss des Albinojungen sass Mondkind, die friedlich an ihrem Kuchen knabberte. Doch davon liess Sabrina sich nicht länger täuschen...

»Du auch?«, fragte das blinde Kleinkind, das ihren Blick wohl irgendwie gespürt hatte. Krümelnd streckte sie ihr das angebissene Stück entgegen.

Sabrina lehnte dankend ab. Sie verspürte keinen Hunger. Nur Leere. Und Schuld.

»Du musst etwas essen, Kind. Na komm!«, beharrte Jeremy und schlug mit der Hand auf dem Tisch, sodass sich ein Stapel Spielkarten- und Steine auf dem Fussboden verteilten.

Sabrina seufzte elendig und schob die Beine unter der Decke hervor, um sie auf den Dielen abzustellen. Wie froh sie gewesen war, dass der Hutmacher ihr das freie Bett in seinem Zimmer angeboten hatte. Lieber hätte sie im Flur geschlafen, als in dem Raum, in dem Taami gestorben war.

»Du weisst, dass es nicht deine Schuld war, ja?«, hatte der Hutmacher sie gestern immer wieder gefragt, nachdem sie ihm alles über Erils Verrat und Taamis Tod erzählt hatte. Währenddessen hatte er ihr einen Tee mit Schuss gemacht. Ihrem Gewissen hatte das nicht geholfen, aber immerhin hatte sie danach einschlafen können. Die Schuldgefühle war sie dennoch nicht los.

»Danke«, murmelte sie, als Nebelfinger ihr einen Stuhl zuschob, damit sie sich neben ihn setzen konnte. So unauffällig wie möglich rückte sie dennoch von ihm weg, da sie lieber ausser Reichweite Mondkinds bleiben wollte.

Topper hatte ihr unterdessen ein Stück Kuchen auf den Teller geladen und schob ihn ihr zu.

»Ein etwas zuckriges Frühstück, tut mir leid«, meinte ihr Cousin mit einem entschuldigenden Lächeln. »Es ist schon später Nachmittag und Wendy hat sich vorhin hingelegt...«

»Dann... hab ich den ganzen Tag verpennt?«, seufzte Sabrina.

Nebelfinger lächelte ihr aufmunternd zu. »Das macht nichts. Hier unter der Erde ist das ganz normal.«

»Was für einen Tee hättest du gern?«, fragte der Hutmacher dazwischen, während er den Arm in seinem Zylinder versenkte. »Willst du ein bisschen Hagebuttentee? Oder Holunder? Oder Holinder? Oder Holländer? Oder Zitrone? Oder Pfirsich? Oder Krokodil? Oder Ananas? Oder Gurke? Oder-«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now