Kapitel 13 - Die Verlorenen

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Wohin Verlorene verbannt, betritt die Zarin Nimmerland.
Kriegsbündnisse mit den Heiden, doch Ketzerei solltet ihr meiden.
Wo die Natur so reich erblaut, dem Kind sein Andenken geraubt.
Eine von euch holt das Fieber, leben täten alle lieber.

~Sabrina~
28. Haluk 80'024 IV – Nimmerland, Bolwin, Twos

Wie immer war es seltsam, nach einen langen Flug wieder auf festem Boden zu stehen. Und dieses Mal fühlte es sich fast an, als wären sie auf einem fremden Planeten gelandet, denn das Gras auf Nimmerland war blau wie Lapislazuli. Fasziniert griff Sabrina in die Wiese und liess sich die Halme durch die Finger gleiten. – Sie fühlten sich ganz normal an. Voll verblüffter Begeisterung drehte sie sich um die eigene Achse und liess den Blick über den ebenfalls blauen Waldrand wandern, der nicht weit von ihnen wuchs. Sie konnte kaum abwarten, die Insel bei Tageslicht zu sehen...

»Interessante Flora, nicht?«, meinte der Hutmacher, als er aus seiner Gondel ausstieg und die langen Glieder streckte. »Die fand ich schon das letzte Mal sehr eindrücklich, als ich hier war.«

»Mit meinem Vater, richtig?«, fragte sie ihn vorsichtig, doch Jeremy lächelte sie mit strahlend grünen Augen an. »W-wie alt war er da?«

Er kratzte sich die Bartstoppeln. »Uff... Etwa drei oder vier Jahre jünger als du, hätte ich gesagt.« Nun begann er zu grinsen. »Ein cleverer Kerl, frech wie ein Faun und so impulsiv, dass die Funken flogen.«

»Bis auf Ersteres klingt das, als würde Mile stark nach ihm kommen«, lachte sie, während sie Erils Speer entgegennahm, damit dieser die Hände fürs Absteigen freihatte.

»Oh ja, sie gleichen einander sehr, das sieht man auf den ersten Blick, aber auch du erinnerst mich an ihn.«

Sie hob die Brauen. »Ach ja?« Eigentlich hatte sie sich immer sehr mit ihrer Mutter identifiziert. Ähnlichkeiten zu ihrem Vater fand sie nur an ihrer Nase.

»Du bist mindestens genauso stur und eigensinnig wie er.«

Sabrina gluckste. »Eigensinnig?«

Der Hüter lachte. »Aber ja! Was glaubst du, wie er deine Mutter kennenlernte?«

Gern hätte Sabrina ihn weiter ausgefragt, doch da tauchte Taami hinter Arseel auf. Sie sah erschöpft aus und obwohl es noch immer sehr warm war, schien sie zu frieren.

»Geht es Euch gut, Offizierin Sadaf?«, fragte der Hutmacher besorgt, doch die Lamia winkte ab.

Eril landete neben Sabrina im Gras. Als er die Draconautin sah, trat er an sie heran, doch sie schüttelte den Kopf und wies ihn ebenfalls ab.

Angespannt rollte der Elf den Kopf, sodass sein vom Flug steifer Nacken knackte, dann fragte er in die Runde: »Wie sieht es aus? Klopfen wir an und sehen, ob wer zu Hause ist?« Er nickte in Richtung Mitte der Lichtung, wo auf einer Anhöhe eine wirklich riesige und bestimmt uralte Linde stand, das saphirblaue Blätterkleid wie ein Paradiesvogel sein Gefieder stolz zur Schau tragend.

»Wie jetzt? Peter Pan lebt in dem Baum?«, fragte sie, während ihre kleine Gruppe über die blaue Wiese marschierte. Über ihnen erklang das Krächzen irgendwelcher Krähen, die am Hinmel ihre Kreise zogen.

»Alle Verlorenen leben darin«, erklärte Taami. »Also eigentlich nicht in dem Baum... sondern eher... d-darunter... Oh...« Mit einem Mal kippte sie vornüber und wäre böse auf einem kleinen, scharfen Felsen aufgeschlagen, wäre Eril nicht vorgeschnellt, um sie aufzufangen.

»Taami?« Er stemmte sich gegen ihren kraftlosen Körper und bettete sie sanft in das hohe Gras. »Jetzt lass dir schon helfen! Was ist mit dir?«

Sie stöhnte auf und fuhr sich übers Gesicht. Schon versuchte sie, sich wieder aufzurichten, doch Eril hielt sie davon ab. »Ach nichts...«, murmelte sie beschwichtigend. »Mir ist eben nur kurz schwarz vor Augen geworden...«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now