Kapitel 12 - Tanz der Vampire

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Bei Nacht packt die Rebellen Angst, doch der Vampir bittet zum Tanz.
Die Drossel, die das Schicksal kennt, Patron, solang man Raben trennt.
Der Lichterlord dem Rausch erliegt. Zweig für Zweig Vernunft besiegt.
Die Reise auf vier Drachenschwingen, möge die Mission gelingen.

~Sabrina~
27. Haluk 80'024 IV – Klyuss' Krone, Bolwin, Twos

In dem Schwemmland, in dessen Gewässer angeblich besonders viele Flussgeister hausten, begann der Sommer die Natur zu allererst aus ihrem Winterschlaf zu wecken. Das schier endlose Delta des verlassenen Reichs Bolwin aderte sich grünlich blau durch die von der Sonne vergoldete Vegetation. An seinen Ufern liess es junge Triebe aus dem weichen Boden spriessen und alte Bäume auferstehen. Da, wo die Flüsse sich sammelten, um kleinere oder grössere Seen zu bilden, liess die Windstille die Oberfläche des Wassers zu einem Spiegel ruhen, durch den zwei Drachen glitten. Einer grün wie von Licht durchschienene Blätter und der andere weiss wie Seide und Perlmutt.

»Lehn dich nicht zu weit vor«, warnte Eril sie und zog zur Sicherheit den Riemen um ihr Bein enger, sodass ihre Wade fester gegen den Sattel gepresst wurde.

»Ich passe schon auf«, beruhigte sie ihn, setzte sich aber brav gerade hin. Dass sie sich nur mal wieder im Spiegel hatte sehen wollen, gab sie vor dem Fatuit nicht zu.

Fast drei Wochen waren sie nun schon unterwegs. Sie flogen bei Sonnenaufgang los und landeten bei Sonnenuntergang. Das bedeutete wenig Schlaf und am Ende des Tages tat einem alles weh. Zudem zwang Jeremy Topper sie vor dem Abendessen jedes Mal zu mindestens einer Stunde Training in Magie und manchmal auch ein bisschen Bogenschiessen. Herrjeh, was hatte sie an den Morgen nach ihren ersten Schiessübungen für Muskelkater in den Schultern gehabt!

»Siehst du das dort vorn?«, fragte Eril sie und deutete in Richtung Horizont, wo Flussnetz und Himmel miteinander verschwammen. Da die Drachen eher gemächlich flogen, war es nicht schwer, einander zu verstehen. Doch Arseel und Bisera flogen auch ziemlich tief, damit eventuell feindliche Späher sie nicht so einfach entdecken konnten, weshalb ihre Sicht über das flache Land nicht so weit war, wie es praktisch gewesen wäre.

»Kann nicht viel erkennen«, gab Sabrina zu.

»Dort liegt der Golf von Bolwin oder als was er bekannter ist: Der Golf der Sühne. Eine grosse Bucht mit steilen Klippen. Mitten in ihm liegt wie die Pupille in der Iris die Insel Nimmerland.«

»Das bedeutet, wir sind fast da?«

Er nickte. »Heute schaffen wir es nicht mehr, aber bis morgen Abend bestimmt.«

»Oh...« Sabrina wischte sich unruhig die schwitzigen Hände an der Hose ab. Der abrupte Temperaturwechsel hatte die Luft schwül werden lassen und erfüllt von Froschquaken, Insektensirren, Entengeschnatter, Vogelgezwitscher und dem moosigen Duft der ausgeschlafenen Natur.

Es war unglaublich, aber wahr. Miles Botschaft war so laut gewesen, dass der Sommer wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett gesprungen und der Winter sich vor Schreck unter der Decke verkrochen hatte. Pflanzen schossen aus dem Boden, als hätten sie schon ewig in ihren Startlöchern gescharrt und die Tiere waren überall, als hätten sie sich nur unglaublich gut versteckt.

»Das ist das Werk von Haluk«, hatte Taami ihr vor ein paar Tagen erklärt, als Sabrina mal wieder staunend mit ihr im Sattel gesessen war und die Natur bewundert hatte. »Haluk ist der Gott der Vegetation, der seine Saat in kalten Zeiten pflegt und beschützt, ganz egal wie lange der Winter andauert. Ausserdem ist er der Herr aller Tiere und Beschützer der Hirten, Bauern und Förster. Er ist ein äusserst beliebter Gott.«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now