Kapitel 6 - Schicksalsfäden

118 12 9
                                    

Wem das Blut in Schwarz gerinnt, in der Spinne Netz gespinnt.
Und wer sich nach Bestimmung sehnt, Spiegel werden abgelehnt.
Die Schuld der Eltern, vererbte Sünde, nur die Spinne kennt die Gründe.
Die Rettung kommt mit einem Preis. Folgt dem Ruf nach Feuer und Eis.

~Sabrina~
3. Haluk 80'024 IV - Ertrunkener Wald, Keo, Twos

Ihr Schlitten glitt durch den Schnee, der Morgen graute durch die Plane, noch immer war es bitterkalt.

Es hatte Sabrina Überwindung gekostet, wieder in ihr altes Gefängnis zu steigen. Der Schrecken der Nacht steckte ihr noch immer in den Knochen. Doch Reds Wahl, den Transporter für die Weiterreise zu nutzen, war nachvollziehbar; die Planwägen hätten nicht genug Platz für den verletzten Oskar geboten, der nun zwischen vier Kisten, Futtersäcken und der in die Filzdecke gewickelten Kinderleiche lag. Der Wolf rang sichtlich mit dem Tod. Seine Flanke hob und senkte sich bebend, leise winselte er vor sich hin. Drei Pfeile ragten aus seinem Bauch.

Red hatte wieder ihre Medizintasche hervorgeholt. Eben zog sie sich die Samthandschuhe ab und goss sich etwas Zwergenschnaps über die Finger. Mit einer riesigen, alten Spritze verabreichte sie Oskar eine grosse Dosis Schlummertulpenextrakt. Dann zog sie ihm mit routinierten Griffen die Pfeile aus dem Fleisch und versuchte, die tintenschwarze Blutung zu stoppen.

Die Geschwister Beltran sahen ihr dabei schweigend zu. Mile wurde irgendwann von der Erschöpfung übermannt, doch Sabrina konnte nicht schlafen. Sie war zwar mindestens so erschöpft, doch ihr Geist war zu ruhelos.

Schlussendlich schaffte die Rote es, ihren Wolf zu retten – jedenfalls fürs Erste. Dann erlaubte sie sich eine kleine Pause. Müde lehnte sie sich neben Sabrina an die Gitterstäbe und bettete die blutigen Hände in ihrem Schoss. »Nur ein Moment, ich kümmere mich gleich um deine Brandwunde.«

»Danke, lass dir den Moment«, antwortete Sabrina leise, um ihren Bruder nicht zu wecken. »Wird Oskar durchkommen?«

Müde nickte die Rote Frau. »Er hatte Glück. Die Pfeile haben seine Organe nicht verletzt, doch er hat viel Blut verloren. Aber wenn die Rebellen innerhalb einer Woche erreichen, wird er es schaffen. So lange sie dort einen Wiruri haben. Einen Elfenheiler

»Kann es sein, dass du auch Heilerin oder so was bist? Es sah aus, als hättest du so was schon mal gemacht.«

»Ich kenne mich ein wenig aus«, antwortete die Rote knapp.

»Du sprichst nicht besonders gern von dir, nicht wahr?«

Red taxierte sie mit ihren silbernen Augen. »Ich bevorzuge es, die Vergangenheit ruhen zu lassen«, brummte sie und rappelte sich wieder auf die Knie. »Komm, lass mich noch nach deiner Wunde sehen, danach können wir uns auch etwas aufs Ohr legen.« Sie brach einen Eiszapfen von der Decke und schrubbte sich damit Oskars Blut von den Fingern.

»Das ist okay, es ist dein Recht, doch da du nun an mir herumdokterst, wüsste ich schon gern, ob du weisst, was du tust.«

Das liess Red matt schmunzeln, während sie sich wieder ihre Samthandschuhe überstreifte. »Du bist in guten Händen. Ich habe neun Semester an der irdischen Universität in Lexika Medizin studiert.« Sie griff nach ihrer Medizintasche und suchte ein paar getrocknete Kräuter daraus hervor, um sie in einen kleinen Mörser zu geben.

»Dann bist du Ärztin?«, hakte Sabrina nach.

»Nicht ganz. Ich darf mich keine Medix nennen. Ich habe ein Jahr vor dem Abschluss abgebrochen, aber davor war ich eine hervorragende Studentin.« Für einen Moment liess Red ein wenig Stolz durch ihre Fassade schimmern.

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now