Kapitel 14 - Klyuss' Kind

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Erneut der Hüter beides ist, Patron und Paladin, ewiger Zwist.
Des Herrschers vorsichtiger Lehrer, ist ein andrer gar ein Fehler?
Das Träumen ein Geschenk der Spinne, reise, wohin du hast im Sinne.
Bei Klyuss Kind auf hoher See, findet die Zarin Schlüssel und Fee.

~Sabrina~
Nihil

Gestern war sie auf blauem Gras gelandet, heute erwachte sie auf schwarzem Sand.

Augenblicklich durchfuhr sie lähmende Furcht. ›Nicht schon wieder!‹ Sie raffte sich auf und blickte sich um, doch da war nur die endlose, düstere Wüste – immerhin keine Monster. Mit Unbehagen stellte sie jedoch fest, dass über ihr ein grosser Mottenschwarm flatterte...

»Das Träumen ein Geschenk der Spinne, reise, wohin du hast im Sinne.«

Vor Schreck entwich Sabrina ein Schrei, doch als sie sich umdrehte, stand da nur ein kleines, dunkelhäutiges Mädchen.

»Mondkind?!«, rief sie entsetzt, als sie ihre Cousine nur ein paar Schritte weiter im Sand spielen sah. »W-was machst du denn hier?«

Ihre Cousine hielt inne und sah auf. - Mit tief violetten Augen, ohne Pupillen.

Sabrina schnappte nach Luft und wich zurück. »W-was ist mit deinen Augen?!«

Das Kleinkind schob die Unterlippe vor, als würde es die Frage nicht verstehen. »Warum?«

Nun, da Sabrina sie ohne ihre Augenbinde sah, fiel ihr nebst der seltsamen Iriden noch etwas anderes auf: Dieses runde Gesicht, die weit auseinanderstehenden, mandelförmigen Augen... Es schien, als wäre die Kleine nicht einfach nur an den Augen erkrankt. In diesem Traum hatte sie das Down-Syndrom.

Langsam trat Sabrina näher an ihre Cousine heran und setzte sich neben sie. »Das ist seltsam. Ich träume eigentlich nie von Leuten, die ich kenne, wenn ich hier bin.« Sie hob die Hand an ihren Hals, wo der Anhänger des Traumfängers ihr bisher gute Dienste geleistet hatte, doch ihre Finger tasteten vergebens. Der Anhänger war weg. Wie hatte sie ihn verlieren und es nicht bemerken können?

»Aber ich bin doch hier!«, meinte ihre Cousine und blinzelte sie bind an. »Das hier ist kein normaler Traum. Das hier ist Nihil!«

Sabrina runzelte die Stirn. »Nihil? Was ist das?«

Die Kleine jauchzte munter und liess sich den schwarzen Sand durch die Patschehändchen rinnen. »Es ist das Nichts, die Welt des Traumgottes Revell.«

Am liebsten hätte Sabrina den Kopf in die nächste Düne gesteckt. All die Jahre über war sie im Schlaf in der Welt eines twosischen Gottes festgehangen? »Das ist alles ein Albtraum, der nicht aufhören will«, fluchte sie und trat in den Sand, sodass er nach allen Seiten spritzte. »Wenn es stimmt, was du sagst und wir uns wirklich im Nichts, diesem Nihil, befinden«, hakte sie dann weiter nach, »wie sind wir dann hierher gekommen?«

Wieder kicherte die Kleine. »Wir träumen!«

Sabrina schüttelte den Kopf. »Man kann sich ins Nichts träumen?«

»Natürlich, wir sind doch Traumwandler!« Sie verdrehte die Amethystaugen. »Eigentlich könnten wir überall hin. Die anderen sagen, dass alles eine Frage von Wille und Zielorientierung ist. Man muss seinen Verstand leeren, bis nichts anderes mehr da ist, als der Gedanke an den Ort, wohin man will; dann träumt man sich dorthin. Wir könnten selbst die kleinsten Welten besuchen, aber die anderen haben gesagt, ich sollte das nicht versuchen, weil das gefährlich ist.«

Sie blinzelte verwirrt. »Die anderen? Meinst du die Verlorenen? Weisst du all diese Dinge von ihnen?«

Mondkind kringelte sich vor Lachen. »Neeeeein«, sagte sie gedehnt, als sie sich etwas beruhigt hatte. »Die anderen sind halt die anderen. Die wissen alles über alles. Ich sollte das auch, aber sie sagen, ich gehöre eigentlich nicht dazu.«

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Where stories live. Discover now