Irgendwo im Nirgendwo

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Die ganze Nacht lang konnte Alea kein Auge zutun. Eigentlich war sie mehr als nur erschöpft und müde, aber ihre Angst und die Kälte des Kellers machten es schier unmöglich, einzuschlafen. Die dünne Decke, die ihrem Geruch nach bereits seit Jahren in diesem Raum lag, schützte kein bisschen vor der Kälte. Zudem war sie übersäht mit Löchern. Aber Alea wollte das Beste aus ihrer Situation machen und faltete die Decke mehrmals, damit sie etwas dichter wurde. Dann starrte sie stundenlang auf den hellen Lichtkegel und dachte nach. Über Orion, den Magischenvirus, die Alpha Cru und die übrigen Meerkinder. Binnen der letzten Stunden war ein kleiner Teil ihres Kampfgeistes zurückgekehrt, und Alea wusste, dass noch nicht alles verloren war. Zwar war sie selbst irgendwo im nirgendwo gefangen, getrennt von ihren Freunden und ihrer Schwester, aber Alea weigerte sich, diese Situation als ihr Ende als Elvarion der letzten Generation entgegenzunehmen. Nein, es musste einen Weg geben, um Orion zu besiegen. Laut der Prophezeihung war sie in der Lage dazu. Wenn sie es nicht schaffte, wer sollte es dann tun? Außerdem kämpfte sie nicht allein! Hinter ihr standen weitaus mehr Menschen und Magische als die Alpha Cru. Und ganz bestimmt könnten sie Orion alle gemeinsam besiegen. Wenn sie nur nicht gefangen wären...

Alea dachte noch einmal an den vergangenen Morgen zurück. Sie hatte gewusst, dass die Darkoner ein großes Problem darstellten. Und doch hatte sie gewollt, dass sie aufbrachen, in dem Glauben, an diesem Tag die Welt verändern zu können. Jäh überkamen Alea Schuldgefühle. Ihre Freunde saßen irgendwo gefangen. Lennox machte sich wahrscheinlich die größten Vorwürfe, und Cassaras starb vielleicht sogar! Alea schluckte und dachte an Sammy. Sie erinnerte sich, wie sehr ihn ihr letzter Aufenthalt bei Orion mitgenommen hatte. Kein Neunjähriger sollte so etwas erleben müssen. Doch plötzlich zuckte Alea zusammen. Ihr war ein schrecklicher Gedanke gekommen.

Orion hatte einmal gesagt, dass die drei Landgänger unter ihnen wertlos für ihn waren, und er sie einfach loswerden könnte. Was, wenn er seine Drohung tatsächlich wahr werden ließ? Alea kannte den Doktor gut genug, um zu wissen, dass er das durchaus tun könnte.

„Oh Gott", stieß sie hervor, ohne dass sie jemand hören konnte. Wenn Orion ihre Freunde tatsächlich...

Alea brachte den Gedanken nicht zu Ende. Er war einfach zu grauenvoll. Zu schrecklich.

Da öffnete sich plötzlich die Tür, die auf den Gang hinaus führte. Augenblicklich keimte Hoffnung in Alea auf – Hoffnung, dass jemand gekommen war, um ihr zu helfen. Enttäuscht stellte sie jedoch fest, dass es nur der Zweimetermann war, der ihren Raum betrat. Dennoch wunderte Alea sich. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass Orions Landgänger-angestellte auch mitgekommen waren!

Ohne ein Wort mit ihr zu wechseln, stellte der Zweimetermann ein kleines Tablett mit Brötchen, etwas Honig, Butter, einem Glas und einem kleinen Krug Wasser vor ihr ab.

„Frühstück", ranzte er unfreundlich, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand wieder. Alea blickte ihm ein wenig traurig hinterher. Doch dann bemerkte sie, wie hungrig sie eigentlich war, und begann, das Brötchen mit Honig und Butter zu beschmieren. Wenigstens schien Orion nicht vorzuhaben, sie hier bei sich verhungern oder verdursten zu lassen.

Während Alea aß, fielen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster, und Alea beschloss, sich genau in den Lichtschein zu setzen, um wenigstens von der Sonne etwas Wärme zu bekommen.

Als sie aufgegessen hatte, stand sie auf. Sie wollte sich ein wenig umsehen, denn sie hatte nicht vor, den ganzen Tag nur auf dem Hosenboden zu verbringen. Ihre Glieder waren vollkommen steif und gewiss war Alea im Laufe der Nacht stark ausgekühlt. Also streckte sie sich erst einmal, und ging dann an der Wand entlang. Aufregend war es nicht, aber es war allemal besser als auf dem Boden trübsal zu blasen. Doch plötzlich vernahm sie eine Stimme in ihrem Kopf.

Alea Aquarius: Der Gesang der Wale (Fanfiction)Where stories live. Discover now