Zeitwende

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Sprachlos starrte Alea die Truppe an. Die kleinen, spitzen Kieselsteine unter ihren Händen bohrten sich schmerzhaft in ihre Haut, aber Alea war so verblüfft von dem sich ihr bietenden Bild, dass sie den feinen Schmerz nur am Rande wahrnahm.

„Das ist...ihr seid...wie?", stotterte sie und wusste eigentlich gar nicht, was sie überhaupt hatte sagen wollen.

„Wir sind gekommen, um die Elvarion der letzten Generation zu befreien und dem Gretzerkönig ein für allemal das Handwerk zu legen", erklärte eine der beiden Nixen ruhig. Alea nickte langsam, auch wenn die Worte der Nixe nur bruchstückhaft von ihrem Verstand verarbeitet wurden.

Da spürte sie, wie jemand unter ihre Arme griff und sie wieder auf die Beine stellte. Auch ohne hinzusehen wusste sie, dass es Lennox war.

„Überraschung!", witzelte Lennox leise und Alea hätte gewiss gelacht, hinge sie nicht in einer Schockstarre fest.

Dennoch versuchte sie, Worte zu finden für das, was sie sah.

„Ihr seid unfass-", begann sie, aber im selben Moment erklang ein mehr oder weniger halblauter Schrei zu ihrer linken. Erschrocken wandte Alea den Kopf um und erblickte Tess, die leichenblass zum Fluss starrte.

„Ma chérie! Traumfrau!", stieß sie hervor. „Du bist hier..."

Einen Moment verharrte ihr Blick auf Kit. Dann lachte sie kurz krächzig auf und stürmte los, mitten hinein in das rauschende Flusswasser. Kit kam ihr mit großen Schritten entgegengeschlurft, angelte nach Tess' Hand und küsste sie. Nach kurzer Zeit ließ sie jedoch wieder von ihr ab, und die Französin zog sie entgegen ihrer sonstigen Kuschelabneigung in eine feste Umarmung.

Kit lachte etwas kieksend, was gar nicht zu ihrer sonst so coolen und lockeren Art passte, und löste sich von Tess. Deren Blick wanderte offensichtlich fassungslos an ihrer Freundin auf und ab. Die deutliche Verblüffung stand ihr dabei ins Gesicht geschrieben, ebenso wie ihre Angst um Kit. Alea verwunderte das jedoch nicht, denn immerhin stand Kit gerade bis zu den Knien im Wasser und war von Kopf bis Fuß nass!

Dennoch schien es sowohl Kit als auch den übrigen Meerkindern nichts anhaben zu können, und leise Ahnung schlich sich in Aleas Verstand.

Kit lachte noch einmal, nahm wieder Tess' Hand und watete mit ihr aus dem Wasser.

Als wäre das ein Stichwort für alle gewesen, setzten sich die Mitglieder der Truppe in Bewegung und stapften, schwammen oder hüpften sogar an Land. Alle, bis auf die Nixen, die blieben, wo sie waren.

Alea hörte, wie Thea neben ihr laut schnaufte. Aus dem Augenwinkel warf sie ihrer Schwester einen Blick zu. Deren klargrüne Augen waren wie festgenagelt auf den Nixenprinzen gerichtet, und beinahe war es, als glaubte sie, einen Geist vor sich zu haben. Sie schnaufte noch einmal. Aber dann riss sie sich heftig von Nelani los, stolperte ein wenig über den Kies und sprang geradezu in die Arme des Prinzen. Cassaras fing sie auf und drückte sie fest an sich.

„Du lebst! Du bist nicht...tot, dir...ist nichts passiert", gebärdete Thea vollkommen aufgelöst, während der Prinz sie kurz darauf auf dem Boden absetzte. Cassaras lächelte sie schon beinahe mitleidig an, als täte es ihm leid, dass Thea so durch den Wind war und zog sie noch einmal an sich. Dabei strich er ihr beruhigend mit der Hand über den Rücken, denn Thea zitterte am ganzen Körper.

„Jetzt hört doch mal auf mit dem ganzen Geschnulze und Geheule! Das macht ja krank!", schimpfte plötzlich eine leise Stimme.

Alea kannte diese Stimme nur zu gut, und ihr Blick fand ohne Umschweife zu McDonnahall, der sich in beinahe beleidigter Haltung auf einen großen Stein gesetzt hatte. Nelani lachte, lief zu dem kleinen Kobold und ließ ihn in eine seltsam grünliche Tasche springen, die, wie Alea auf den zweiten Blick erkannte, wohl aus sehr stabilen Algen gewebt war. Aber kurz darauf sprang er wieder heraus und kletterte an Nelanis Arm hinauf auf ihre Schulter.

Alea Aquarius: Der Gesang der Wale (Fanfiction)Where stories live. Discover now