Vollzieherin der neuen Zeit

106 7 30
                                    

Es war, als würde die Lafora Alea von einem Moment auf den anderen durch ihre Erinnerungen katapultieren. Etliche Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei, viel zu schnell um irgendetwas zu erkennen. Doch dann, von einem Moment auf den anderen, als Alea bereits ganz schwindelig im Kopf war, stoppte die Bilderreise und eine kleine Szene tauchte vor ihrem inneren Auge auf.

Nelani. Alea erkannte ihre Mutter klar und deutlich. Sie war viel jünger, mit längerem Haar und ohne die kleinen Fältchen um die Augen. Sie blickte auf Alea hinab. Tränen liefen über ihr Gesicht. Doch dann plötzlich hob sie den Kopf und sagte etwas. Offenbar war dort noch jemand bei ihr! Ein zweites Gesicht erschien in Aleas Blickfeld. Es war eine ältere Frau mit einem freundlich wirkenden, faltigen Gesicht. Sie trug einen Hut mit einer großen Sonnenblume, und Alea erkannte sie sofort wieder. Marianne. Sie strich behutsam über Aleas Wange, und nahm sie Nelani offensichtlich ab. Alea drehte den Kopf. Nelani war einige Schritte zurückgewichen und presste sich die Hand auf den Mund. Dann ging sie einige Schritte rückwärts, ohne den Blick von Alea abzuwenden. Sie verließ sie!

Alea schnürte es die Kehle zu. Am liebsten hätte sie laut geschrien und geweint, dass ihre Mutter auf der Stelle zurückkommen sollte – aber Nelani verschwand bereits in den Dünen eines weißen Sandstrandes.

Die Szene verblasste, doch es erschien keine Neue. Stattdessen begann eine rasend schnelle Bildabfolge.

Sie selbst, an einer Heizung gefesselt in Orions Villa.

Die etlichen Hubschrauber, die über den Himmel kreisten mit dem Ziel, die Alpha Cru aufzuspüren.

Orion, wie er Alea freudig anstrahlte als er ihr den DNA-Wandler spritzte, Lennox, der weinend vor ihr saß und „Lebe wohl", sagte.

Die unzähligen Kobolde, die dem tödlichen Anti-Magikum ausgesetzt waren, Thea, die von Zeirus aus der Fischhalle gezerrt wurde und Lennox, der ihr gerade den Herinnenschwur leistete.

Das schwarze Auto, das sie durch Rom verfolgt hatte und schließlich erneut Orion, wie er ihr die Wahl zwischen dem Leben ihrer Freunde und dem der Meere stellte. Und dann, endlich, war es vorrüber.

Es war, als hätte Grarmathacht sie durch einige ihrer schlimmsten Momente geführt, die mit Orion in Verbindung standen. Benommen öffnete Alea die Augen wieder, die sie wegen des Durcheinanders in ihrem Kopf geschlossen hatte. Die Dunkelheit um sie herum lichtete sich, und schließlich schwamm sie wieder vor Grarmathacht im hell erleuchteten Herz des Ozeans.

„War es viel auf einmal, Elvarion?", erkundigte Grarmathacht sich. Alea nickte.

„Es war ... sehr viel", stotterte sie, denn ihr Kopf hatte das, was sie gerade alles gesehen hatte, noch gar nicht richtig verarbeitet.

Die Lafora bewegte sich ein Stück von Alea fort. „Menschen, die das erste Mal an einer Richtung teilnehmen fühlen sich häufig von ihren eigenen Erinnerungen und Gefühlen überwältigt. Viele verdrängen, was alles geschehen ist. Aber das gibt sich schon bald wieder", sprach sie ruhig zu ihr. Alea hörte jedoch nur mit halbem Ohr, was die Magische sagte. Langsam schwamm sie zu Lennox zurück, der sie mit einem breiten Lächeln neben sich empfing. „War es schlimm?", raunte er ihr leise zu und griff zärtlich nach ihrer Hand.

Alea schüttelte den Kopf. „Nur sehr überwältigend."

Sie richtete den Blick wieder auf Grarmathacht, die bereits mit dem nächsten Ritual fortfuhr und Nelani in einen schwarzen Strudel schloss. Wie ein Tornado aus schwarzem Nebel brauste er um ihre Mutter herum und verschluckte sie schließlich gänzlich. Alea hätte nur zu gern gewusst, was Grarmathacht in Nelanis Kopf hervorrief, aber der Strudel um die Walwanderin ließ noch nicht einmal ihr Stimmungsspiel erkennen. Doch genauso schnell, wie die Lafora das Ritual begonnen hatte, beendete sie es auch wieder und der dunkle Strudel verschwand.

Alea Aquarius: Der Gesang der Wale (Fanfiction)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora