Sieg

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Überrascht bremste Alea ihren Schlag ab, kurz bevor die Sprühdose den Darkoner getroffen hätte. Durch den Schwung der Bewegung stolperte sie rückwärts, ruderte mit den Armen um wieder das Gleichgewicht zu finden; das Anti-Magikum rutschte ihr aus der Hand und fiel ihr auf den Fuß, aber Alea dachte nicht daran, es aufzuheben. Ihre Augen suchten hektisch den Schotterweg vor ihr ab, dann die Wiese rechts und links von Orions Versteck. Ihr Herzschlag ging schnell und stark, pumpte rauschend das Blut durch ihre Adern, dröhnte laut in ihrem Kopf.
„Nexon“, keuchte sie immer und immer wieder, als könne ihr Mantra den jungen Oblivion vor ihre Füße zaubern. Sie hatte sich eingebildet seine Stimme zu hören, er musste hier sein. Er musste. Ihr Atem wurde flacher.
„Alea? Bist du okay?“ Eine starke Hand legte sich auf ihre Schulter. „Alea? Hörst du mich überhaupt? Alea!“
Der Druck auf ihre Schulter wurde stärker, und Aleadrehte sich langsam herum. Lennox‘ Gesicht kam verschwommen im ihr Blickfeld. In seinen blauen Augen erkannte sie seine Sorge, als er sie anblickte.
„Nexon…Orion…“, röchelte sie leise, ihre Kehle war staubtrocken geworden.
„Deine Panik hat dich übermannt.“ Lennox schüttelte den Kopf und fluchte kurz. „Gott, ich hätte mich um die Kobolde kümmern müssen! Die Magischen zu beschützen ist meine Aufgabe, nicht deine, ich wurde dazu geboren, du nicht!“
Er schimpfte noch einmal in sich hinein, dann sah er Alea wieder an. „Atme tief ein und aus, hörst du? So kannst du das Stresshormon am besten abbauen. Ein- und ausatmen, Alea!“
Mühsam tat Alea, was Lennox ihr sagte und atmete kontrolliert ein und aus. Schon bald bemerkte sie, wie ihr Herzschlag ruhiger wurde, und auch ihr verschwommener Blick klärte sich nach einigen Augenblicken.
„Besser“, ächzte sie, ohne dass Lennox Fragen musste.
„Das passiert, wenn Adrenalin, Stress und Panik gleichzeitig die Kontrolle übernehmen, Meermädchen“, schnaufte jemand, aber Alea wusste auch ohne zu schauen, wem die raue Stimme gehörte.
„Die Kobolde“, sagte sie leise. „Sie hätten sterben können.“
Da vernahm sie ein leises Lachen, direkt unter ihr. Ein kleiner Kobold stand zwischen ihren Beinen und tätschelte ihr mit der kleinen Hand den Schuh.
„Es braucht schon etwas mehr als dieses Stinkezeug, bis wir sterben, Elvarion“, gackerte er amüsiert. „Ohnmächtig können wir werden, wenn wir nicht rechtzeitig fliehen, ja. Aber sterben?“ Er lachte noch einmal. Alea schluckte und erinnerte sich daran, wie selbst Cassaras beinahe durch das Anti-Magikum gestorben wäre, hätte man ihm nicht seinen Trank verabreicht. Und das, obwohl er noch nicht einmal ein vollständiger Magischer war!
Der Prinz stand mit verschränkten Armen neben Lennox und bedachte den Magischen zu Aleas Füßen mit einem eisigen Blick.
„Du hast keine Ahnung wovon du redest, Kobold. Frech und aufgeblasen wie immer.“
Das ließ den Kobold an die Decke gehen. Fuchsteufelswild sprang er im Gras auf und ab und schrie dem Prinzen böse Worte entgegen, die sicher sehr verletzend wären, würden sie nicht aus dem Mund eines Koboldes kommen. Cassaras sah das wohl genauso, denn seine Mundwinkel verzogen sich zu einem amüsieren Lächeln. Doch als er bemerkte was er tat, wurden seine Gesichtszüge hart.
„Genug geplappert jetzt. Wir verschwenden nur Zeit.“
Damit  packte er den wild strampelnden Kobold an seinem Kragen und marschierte mit ihm davon, hin zu einer kleinen Gruppe Versammelter, die sich im Kreis um etwas zu ihrer Mitte geschert hatten. Sie erkannte Nelani, Sammy und Thea, aber auch einige Darkoner standen bei ihnen. Interessiert lief Alea auf die Gruppe zu, und Lennox folgte ihr ohne ein weiteres Wort.
„Wow“, entfuhr es ihr, als sie bei ihrer Mutter ankam. „Was ist denn da passiert?“
Sowohl Orion als auch Jinx lagen nebeneinander im Gras, die Gesichter mit blutigen Kratzern und Bissspuren versehen, die Haare standen wild in alle Richtungen ab. Aus Orions Mund quoll ein golden schimmerndes Stück Stoff, das Alea sofort erkannte.
„Der Goldumhang!“
Was zum Teufel machte er denn da? Wozu?
„Wir haben ihn als Mundstopfer benutzt, damit Orion keine Befehle erteilen kann.“ Mit forschem Gesichtsausdruck beobachtete Siska den Doktor auf den Boden, ohne Alea auch nur anzusehen. Erleichtert seufzte Alea auf, als sie auch Nexon und Evelin in der Gruppe fand, wobei letzterer ihr grinsend ihre Bauchtasche entgegenhielt.
„Wir dachten, sie könnte vielleicht nützlich sein“, sagte er nur, und Alea wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.
„Danke! Danke, Evelin“, rief sie und schnallte sie sich augenblicklich um.
„Es ist alles drin. Wir haben nachgesehen“, hängte Nexon noch an, und Alea glaubte ihm aufs Wort. Siska bückte sich derweil und zog grob den Goldumhang aus Orions Mund.
„Ist ja eklig“, kreischte Sammy und hielt sich demonstrativ die Nase zu, während Siska zur selben Zeit meinte: „Den brauchen wir jetzt nicht mehr, oder?“
Zeirus antwortete ihr. „Nein. Unser Befehl ist aufgehoben, sobald unser Herr sein Bewusstsein verloren hat.“ Obwohl aus seiner Stimme die des autoritären Darkonerchefs sprach, schaute er Siska liebevoll an, mit einem hellen strahlen in seinen ohnehin leuchtenden Augen. Siska lächelte ihren Vater zaghaft an und reichte Alea wie beiläufig den Goldumhang. Alea verstaut ihn eilig in ihrer Bauchtasche, während Sammy theatralisch tat, als müsse er sich ausgeladen übergeben. Alea grinste und war gleichzeitig froh, dass Sammy sein Drachenherz offensichtlich nicht verloren hatte.
„Wir sollten gehen, meint ihr nicht?“, wurde plötzlich Lennox‘ Stimme laut.
„Gehen wohin?“ Zeirus verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wie?“
„Zum Herz wes Ozeans“, antwortete Lennox und verschränkte ebenfalls die Arme. „Mit der Obsidianmuschel in Aleas Bauchtasche.“
Zeirus hob eine Braue, als sähe er in dem Vorhaben einen kleinen Haken. „Ihr alle?“
Alea nickte bereits, als sich der Nixenprinz plötzlich einmischte: „Nein, nicht alle. Die Nixen und die Tasfaren sind schon weg.“
Alea machte ein bestürzt Gesicht. Gerne hätte sie sich bei den Magischen bedankt, bevor sie gingen, denn ohne sie hätte ihr Vorhaben gar nicht funktionieren können.
Sammys Mundwinkel Bogen sich nach unten. Auch er war enttäuscht. „Schade“, murmelte er. „Ich wollte doch so gerne eine Prophezeiung über mich hören… Und ich habe noch so viele Fragen an die Nixen! Menno!“ Er kräuselte die Lippen. Doch dann hellte sich seine Miene auf, als er zu Cassaras sah. „Sie werden mir einfach meine Fragen beantworten!“, rief er und war offensichtlich begeistert von seiner Idee. Cassaras schnappte entsetzt nach Luft. „Niemals!“, donnerte er laut, aber Sammy lächelte nur lieb.
„Einige von uns werden auch nicht bleiben“, warf einer der Darkoner ein. Er war etwas schmächtiger gebaut als seine Kollegen, mit einem kahlen Kopf und einem faltigen Gesicht. Mit einem Kopfnicken wies er hinter sich. „Wir werden uns um die Bewusstlosen kümmern und nach Hause zurückkehren. Dieses Kapitel soll für uns beendet sein“, sagte er und klang, als spreche er für einige aus Orions Reihen mit.
Zeirus nickte, als habe er sich das ohnehin schon gedacht.
Alea lächelte milde. Sie konnte nur erahnen, welche Qual die Darkoner in den letzten Jahren über sich ergehen lassen mussten und sie verstand auch, was es für sie bedeutete, Orion besiegt zu sehen.
„Ich hasse Abschiede.“ Sammy zog einen Schmollmund.
„Wissen wir, Flipper“, mischte Ben sich ein. „Aber wir sollten uns beeilen, zum Herz des Ozeans zu kommen. Wer weiß, wie lange diese Richtung dauert.“
Lennox nickte, als habe er auch schon daran gedacht.
„Und wie kommen wir dahin? Zu diesem . . . Herz?“ Isla schaute fragend zu Alea. Die griff in ihre Bauchtasche und holte die Obsidianmuschel der Talassiopa heraus.
Ein Glück, dass Orion sie nicht versteckt hat, sprach sie in Gedanken zu sich selbst.
„Wir stellen uns im Kreis auf und nehmen uns an den Händen“, erklärte sie dem Zalti-Mädchen. „Sobald wir uns auf  unser Reiseziel konzentrieren, werden wir von der Muschel dort hinkatapultiert.“
Isla blickte sie an als könne sie sich das kaum vorstellen, aber sie widersprach nicht. Auch die anderen Meerkinder warfen Alea ungläubige Blicke zu, begannen dann aber sich tatsächlich im Kreis aufzustellen und an den Händen zu nehmen. Außer Zeirus, der sich selbstredend neben Siska positioniert hatte, gesellten sich noch zwei weitere Darkoner in den Kreis. Der Rest blieb neben ihnen stehen. Der Schmächtige mit dem faltigen Gesicht hob eine Hand. „Viel Glück“, sagte er noch. „Bringt die Meerwelt zurück.“
Alea nickte und griff mit einer Hand nach Lennox, die andere bot sie Thea an, die sich widerum an Nelani festhielt.
Sobald alle auf ihren Positionen waren, schloss Alea die Augen und konzentrierte sich mit aller Kraft auf das Herz des Ozeans.
Und nur wenige Augenblicke später wurde ihnen der Boden unter den Füßen fortgerissen. In Rekordgeschwindigkeit wurden sie den Berg hinuntergeschleudert, geradewegs in den reißenden Fluss. Sobald sie ins Wasser eingetaucht waren, begannen sich die Meerkinder zu verwandeln, während sich um Ben, Tess, Sammy und Siska schützende Glitzerblasen legten.
"Wie krass", hauchte Yasin und beobachtete mit leuchtenden Augen die vorrüberschießende Unterwasserebene. Immer weiter wurden sie den Fluss hinuntergezogen, bis sie plötzlich von salzigem Meerwasser umgeben waren und zielstrebig weiter gen Horizont katapultiert wurden, wo ein kleiner, leuchtender Punkt immer größer und größer wurde…
„Ist es das? Das Herz des Ozeans?“ Mit dem Kinn deutete Zuzana auf den leuchtenden Ort, der inzwischen in unmittelbarer Nähe war. Alea nickte. „Ja, das ist es.“
Da hielten sie an. Den Meerkindern stand die große Verblüffung ins Gesicht geschrieben, denn gewiss wurde man nicht alle Tage von einer magischen Muschel durch Flüsse und Ozeane katapultiert. Keines von ihnen war von einer Glitzerblase umgeben, bis auf Siska, die Nelanis Gegenmittel nicht verabreicht bekommen hatte und den anderen Meerkindern nun neidische Blicke zuwarf.
Die Muschel hatte sie geradewegs zum Herz des Ozeans geführt, und genauso wie beim letzten Mal pulsierte es mächtig strahlend in gleißendem Licht, als wäre es tatsächlich ein Herz, das das Wasser zum Leben erweckte. „Woah“, staunte Isla und legte den Kopf in den Nacken. „Das ist das unglaublichste, was ich in meinem gesamten Leben gesehen habe.“
Evelin schnalzte beeindruckt mit der Zunge und auch Zuzana und Yasin waren völlig hin und weg.
„Das Herz des Ozeans“, sagte Alea leise und genoss den friedlichen Moment, den ihr der schillernde Ort schenkte.
„Ja, das Herz des Ozeans“, quakte Sweeney in die Stille hinein. „Ganz hübsche Sache mit seinem Gefunkel.“
„Ich frage mich, wie so ein Ort entstehen konnte“, murmelte Alea und war wie hypnotisiert von dem fantastischen Anblick. Sweeney schrie auf. „Was?!“
Erschrocken ruckte Aleas Kopf in seine Richtung. „Was ist denn?“
Sweeney starrte sie vollkommen entsetzt an. „Du weißt nicht, wie das Herz des Ozeans entstanden ist?“
Alea schüttelte verwundert den Kopf und der Kobold stöhnte gequält auf, so als hätte Alea ihm gerade ein Messer in die Brust gerammt.
„Es gibt so viele Legenden und Mythen über die Talassiopa und das Herz des Ozeans, Alea Aquarius“, rief er und steckte sich in seiner Empörung den Finger in die Nase. „Und es ist eine Schande, dass du keine davon kennst.“
Jetzt lachte Alea. „So ganz stimmt das nicht, Sweeney“, sagte sie grinsend. „Warst du es nicht, der mir vor einigen Tagen noch die Legende des Silber – und Goldumhangs erzählt hat?“
Sweeney blickte sie ganz verdattert an. Den Finger ließ er dabei in der Nase. „Habe ich das?“
Alea nickte heftig. „Oh ja, allerdings.“
In diesem Moment zogen sich die Schlingpflanzen die das riesige Herz umgaben beiseite und machten den Eingang frei. Doch im Gegensatz zum letzten Mal wurden sie nicht von einem Gilfen empfangen. Offensichtlich mussten sie von selbst hineinschwimmen.
„Ui, jetzt geht’s los!“ Sweeney jauchzte begeistert und verschwand auch schon im Licht des Herzens. Alea zögerte nicht lange und folgte dem aufgedrehten Kobold, der zwischen den Wänden des Eingangs hin und her schoss.
Doch anders als Sweeney hatte Alea es nicht eilig, im Herz selbst anzukommen. Sie ließ sich von der gemütlichen Strömung vorantreiben, mitten durch kleine und große Fischschwärme, vorbei an den im Wasser tanzenden Pflanzen der verzauberten Welt. Sie hielt ihre Hand vor sich, und das ohnehin schon pulsierende Licht ließ ihre silbrig-grüne Haut wie von selbst erstrahlen. Langsam trieb die Strömung sie den Gang entlang der schließlich in einen großen Raum mündete, denselben, in welchem die Talassiopa die Cru vor einigen Tagen empfangen hatte.
Und inmitten dieses Raumes thronte … Grarmathacht. Nahezu schwerelos schwebte sie majestätisch vor ihnen im Wasser.
„Ich habe euch erwartet“, begrüßte die Lafora sie freundlich und verzerrte ihren nebligen Körper, als würde sie vor den Ankömmlingen die Arme ausbreiten. „Die Talassiopa sagte mir bereits, dass ihr mit höchster Wahrscheinlichkeit heute Nacht zu mir kommt, um sowohl Aquilius als auch Jinx Orion richten zu lassen“, sprach sie weiter, und in ihre Stimme mischte sich ein formeller Ton. „Und sie lag vollkommen richtig.“
Die strudelnden Augen der Lafora richteten sich auf die beiden Verbrecher, die Cassaras an den Kragen ihrer Pullover gepackt hatte.
„Also wollt ihr tatsächlich beide richten lassen?“, fragte sie. Alea nickte. „Ja, allerdings.“ Sie deutete auf Orion und Jinx. „Aber ist die Richtung der beiden in ihrem Zustand überhaupt möglich?“
Da Orion und Jinx beide bewusstlos waren, konnte Alea sich nicht vorstellen, dass die Richtung funktionieren würde. Musste man dafür nicht eher wach sein?
„Der Bewusstseinszustand spielt bei der Richtung keine Rolle“, beruhigte Grarmathacht sie. „Richtungen durch eine Lafora finden im Unterbewusstsein statt, um den Gerichteten auf ewig zu verändern. Egal, wie es um das Bewusstsein steht, das Unterbewusstsein ist immer erreichbar.“
Das konnte Alea nachvollziehen und sie war froh, das Ritual nicht verschieben zu müssen.
„Wer möchte mit Aquilius Orion das Emotionstribunal durchführen?“, erkundigte Grarmathacht sich in sanftem Tonfall.
Alea richtete sich auf. „Ich würde gerne“, antwortete sie stark, obgleich ihr Herz in ihrer Brust vor Aufregung Saltos schlug. Wie lief eine Richtung überhaupt ab? Was musste sie tun? Nichts?
„Nelani sollte vielleicht auch mit ihm tauschen“, mischte sich Lennox ein. Überrascht sah diese ihn an, und auch Alea blickte erstaunt zu ihm herüber.
Lennox errötet leicht. „Nun, niemand weiß besser als Nelani wie es ist, die eigenen Kinder an Wildfremde zu übergeben und die Schmerzen des Virus zu ertragen. Schließlich hat ihn außer ihr niemand überlebt“, führte er sichtlich verlegen weiter aus. Das leuchtete Alea ein und sie schaute zu ihrer Mutter. „Würdest du das tun?“, bat sie. Nelani nickte. „Es wäre mir eine Ehre.“
Alea lächelte stolz. Ihr Blick schwankte weiter zu Zeirus, der etwas hintendran, aber dennoch gut sichtbar schwamm. Sie legte ein Kopf schief in der Erwartung, der Darkoner würde sich ebenfalls für ein Tribunal bereiterklären. Zeirus fing Aleas Blick auf. Einige Momente verharrte er reglos, aber dann schüttelte er rege den Kopf. Ein wenig verwundert nickte Alea und zeigte ihm, dass sie sein „nein“  verstanden hatte.
„Also ihr beide?“, hakte die schwarze Lafora nach und deutete mit einzelnen Nebelfetzen zuerst auf Alea und dann auf Nelani. Alea öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber in diesem Moment erklang eine weitere Stimme: „Ich würde auch gern mit ihm tauschen. Und mit Jinx, wenn möglich.“
Erstaunt stellte Alea fest, dass es Thea war, die soeben gesprochen hatte. Ihre Schwester hatte sich vor die Meerkinder geschoben und blickte Grarmathacht nun mit einer Mischung aus Entschlossenheit und gleichzeitiger Ehrfurcht an.
Freudig überrascht lächelte Alea sie an. Es war das erste Mal, dass ihre Schwester nicht via Gebärdensprache kommunizierte, und genau wie in Gedanken klang ihre Stimme wie Aleas eigene.
Thea beachtete sie jedoch nicht, sondern begutachtete mit großen Augen weiterhin das riesige Geschöpf. Aus ihrer Miene sprach großer Respekt, und Alea vermutete stark, dass die Lafora Thea trotz allem nicht ganz geheuer war. Immerhin war ihr jahrelang eingetrichtert worden, dass alle Magischen abgrundtief böse waren, und diese Prägung schien in Theas Verstand noch immer zu sitzen.
„Natürlich kannst auch du mit beiden tauschen“, bestätigte Grarmathacht und Cassaras, der neben Thea geschwommen war, übersetzte eilig für sie.
Thea wirkte zufrieden, dennoch blickte sie noch immer drein als wäre sie sich unsicher, was sie von diesem Wesen halten sollte.
Grarmathacht wandte sich nun von Aleas Schwester ab.
„Möchtest du zuerst mit ihm tauschen, Elvarion der letzten Generation?“, fragte sie Alea. Alea stutzte. Sie war es nicht gewohnt, dass jemand sie mit ihrem Titel ansprach, obwohl er ihren Namen wusste. Aber für die Lafora schien es außer Frage zu stehen, Alea auch als Elvarion anzusprechen.
Alea neigte das Kinn. „Sehr gerne. Aber was muss ich tun?“
Grarmathacht richtete einen Nebelarm auf sie. „Komm zu mir.“
Alea tat, was die Lafora von ihr verlangt hatte und schwamm zögerlich näher an sie heran. Grarmathacht richtete ihre strudelnden Augen ruhig auf Alea. „Wenn mein Nebel dich umfängt, beginnt die Richtung“, erklärte sie. „Du musst nichts tun, außer deine Emotionen zuzulassen. Alles was kommt, darf sein. Den Rest erledige ich.“
Alea schlug das Herz bis zum Hals. Was würde sie gleich erwarten? Was würde Grarmathacht tun, um Aleas Emotionen hervorzurufen?
Da bemerkte sie, wie Grarmathachts dunkler Nebel immer weiter auf sie zukam und begann, sie in eine dunkle Hülle aus schwarzem Nebel zu wickeln. Immer dichter und dichter wurde er, bis um Alea schließlich alles schwarz war.
Die Richtung begann.


Alea Aquarius: Der Gesang der Wale (Fanfiction)Where stories live. Discover now