Kapitel 26

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"Ashton, geht es dir nicht gut? Du bist etwas blass", sagt Caleb und kommt langsam auf mich zu. Ich starre ihn mit Tränen in den Augen an und mir wird übel.
"Ashton?", fragt Caleb besorgt. Ich stütze meine Hände auf die Knie und versuche ruhig zu atmen. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf, geben keine Ruhe und formen noch mehr Fragen. Ich bin verwirrt. So dermaßen verwirrt.

Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. Die Stelle, an der er mich berührt, fängt sofort an zu kribbeln. Es breitet sich aus und bildet sich zu einem festen Klumpen in meinem Magen. Das Herz hämmert gegen meine Brust und es tut schon fast weh.

Caleb schließt seine Arme um meinen Körper und ich höre eine Stimme in meinem Kopf die leise flüstert. Immer mehr Tränen verlassen meine Augen und ich fühle mich so beschissen. Die Stimme flüstert Worte und ich wimmere leise unter Tränen.

"Denk an mich."

Das tue ich. Aber warum gerade jetzt?

"Ich wünschte ich könnte dich sehen."

Meine eigene Feigheit hat mich daran gehindert. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich mir das auch gewünscht.

"Ich habe Gefühle für dich."

Ich auch für dich.

Aber ich habe auch Gefühle für Caleb.

Beide Männer gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Was ist das bloß? Was machen diese beiden Männer nur mit mir?
"Es tut mir leid", flüstert Caleb und streicht mir sanft durch die Haare.
"Wovon redest du?", antworte ich unter Tränen.
"Du bereust es offensichtlich. Ich... es tut mir leid. Wir waren nicht mal auf einem Date. Und ich zerre dich gleich in dein Schlafzimmer."

Schwerfällig richte ich mich auf, Caleb hält mich an den Oberarmen fest und schweigend schauen wir uns in die Augen. Ein Tränenschleier überdeckt das Funkeln und seine Lippen zittern.
"Ich sollte gehen", haucht er und drückt seine Lippen hart auf meine. Ich schließe meine Augen und sauge das Gefühl von seinen Lippen auf meinen ein. Sie schmecken süß mit einem Hauch Schärfe von Minze und jede Menge Schmerz.

Als Caleb sich von mir löst, stehe ich noch immer wie angewurzelt da und starre aus dem Fenster. Der Schnee fällt in dicken Flocken auf die Erde und ich erinnere mich an die Flocken in Caleb Haar und das Copp den Winter nicht mag.

"Ich wollte es", sage ich hastig.
"In meinem ganzen Leben war ich mir bei einer Sache noch nie so sicher. Ich wollte dich küssen und spüren. Und ich wollte mit dir schlafen. Gerade das verwirrt mich. So bin ich nicht. Das ist eigentlich nicht meine Art." Ich raufe mir die Haare und laufe hektisch in der Wohnung herum. Ich muss meine Gedanken sortieren, aber die Worte sprudeln einfach so aus mir heraus.

"Du warst von Anfang an ehrlich zu mir. Du hast mir gesagt, dass es noch einen anderen Mann gibt. Und das hat mich sehr verletzt. Aber ich war nicht ehrlich zu dir. Denn auch in meinem Leben gibt es einen anderen Mann. Ach was rede ich denn da. Es gab einen anderen Mann. Ich habe ihn verletzt und von mir gestoßen. Dabei ist er ein herzensguter Mensch und hat es nicht verdient so behandelt zu werden. Aber ich hatte einfach Angst. Davor das er erkennt, dass ich in Wahrheit nicht der bin für den er mich hält. Denn das bin ich nicht. Ich bin genau das Gegenteil. Er kennt mich als redegewandten jungen Mann. Aber in Wahrheit bin ich stumm wie ein Fisch und bekomme Schnappatmung, wenn mich ein anderer Mann auch nur ansieht. Und dann kamst du und brachtest alles durcheinander."

Ich drehe mich zu Caleb und ich frage mich, woher diese Selbstsicherheit kommt.
"Ab dem Augenblick, in dem ich dich das erste Mal sah, begehrte ich dich. Und ich lief vor mir selbst davon. Aber du kamst zu mir und zum ersten Mal in meinem Leben war ich mir sicher, dass ich einen Mann so sehr begehrte, dass ich bereit war meine Unsicherheit, alle Zweifel und Ängste in ein Boot zu setzen und weit weg über den Ozean zu schicken.
Oder das hier. Dieser Moment. Ich kann mit dir reden. Und ich frage mich warum. Woher kommt das so plötzlich. Und wäre es mit Copperfield vielleicht genauso gewesen? Hätte ich mich ihm gegenüber genauso gezeigt, wie ich es bei dir bin? Du weckst Gefühle und Emotionen in mir, die ich nicht kenne. Das heute Nacht war unglaublich. Es war heiß und erotisch. Ich fühlte mich gut. Wohl und geborgen. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und hatte erst zweimal Sex mit einem Mann."

Aus dem Augenwinkel sehe ich Caleb. Er sieht mich an und etwas in seinem Ausdruck verändert sich. Aber ich kann nicht sagen, was es ist.
"Ich habe ein schlechtes Gewissen einem anderen Mann gegenüber. Weil ich dir gab, was er sich so lange wünschte. Und wenn ich ehrlich bin, dann wünschte ich mir das auch. Aber ich wollte auch dich. Und das verwirrt mich. Ich bin durcheinander und kann gerade keinen klaren Gedanken fassen. Ich begehre euch beide. Und einen von euch, kenne ich nur von Bildern. Ich weiß noch nicht einmal, wie er aussieht. Ich kenne nur seinen Körper. Und ich fühle mich schlecht dir gegenüber. Ich war nicht ehrlich. Und das tut mir leid."

In meinem Redeschwall habe ich nicht bemerkt, dass Caleb immer weiter auf mich zu kam. Er steht ganz nah bei mir und unsere nackten Oberkörper berühren sich hauchzart. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und Caleb sieht mich eindringlich an. Ich fühle die Wärme seiner Haut und schlucke schwer. Sein Blick ist anders. Weich und sanft. Er hat Tränen in den Augen und durch das Blinzeln lösen sie sich.

Sein Daumen streicht über meine Unterlippe und seine nächsten Worte reißen mir den Boden unter den Füßen weg.
"Mein Hübscher."
Woher weiß er von dem Namen? Nur einer nennt mich so. Mein schöner Fremder. Mein Copperfield.

because love knows no boundariesWhere stories live. Discover now