6/Unsere kleine Einheit

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David

Mittlerweile ist der Verlust unseres Engels ein Monat her, achtundzwanzig Tage, an denen meine Frau mir so gut es ging aus dem Weg gegangen ist. An jedem einzelnen dieser, habe ich versucht ihr beizustehen, aber sie hat meine Nähe und Fürsorge kaum an sich herangelassen. Vielmehr hat sie sich an Jannes geklammert und mit seiner Hilfe versucht wieder in einen Alltag zu finden. Aber das ist es im Moment überhaupt nicht. Selbst der Kleine merkt, dass etwas anders ist. Die Nächte schläft er sehr unruhig, weswegen er tagsüber furchtbar müde und quengelig ist. Die Spannungen zwischen seiner Mama und mir liegen deutlich in der Luft. Unsere kleine Einheit zerbrochen, als hätte es sie nie gegeben. Ich wünschte Marina und ich könnten näher zusammenstehen, alleine wegen unserem Sohn, aber momentan sehe ich da schwarz. In den langen, schlaflosen Nächten höre ich Marina sehr oft heimlich weinen. Jedes Mal leide ich mit ihr und fühle mich einfach nur verdammt hilflos. Wie sehr wünsche ich mir, dass wir uns in den Arm nehmen, ich ihr durch die Locken fahren kann, ihren Rücken streicheln kann, während sie ihren Schmerz mit mir teilt.

Nach einer anstrengenden Videokonferenz gehe ich ins Wohnzimmer. Marina und Jannes spielen mit den Legosteinen, die schon mich durch meine Kindheit begleitet haben. Meine Frau baut einen großen Turm daraus, während unser Sohn eher damit beschäftigt ist die Steine aus der Box zu nehmen, nur um sie anschließend wieder hineinzuwerfen. Gerade ist der Kleine ziemlich ruhig und eigentlich sollte ich mich leise davonschleichen, damit er nicht schon wieder mitbekommt, wie viel Spannung zwischen mir und seiner Mama herrscht. Aber ich brauche einfach die Nähe zu meinen beiden Liebsten, nach denen mein Herz wie verrückt schreit. Ich will doch auch nur für einen Moment den Schmerz darin vergessen können.

„Dadda", sagt Jannes, als er mich entdeckt und zeigt mit seinen kleinen Fingern auf mich. Ein Lächeln stiehlt sich auf die Lippen meines Sohnes, er steht zielsicher auf und kommt mit seinen kleinen Füßen eilig auf mich zugelaufen. Ich nehme ihn auf meinen Arm, als er an meiner Hose zieht und fordernd zu mir aufschaut. Für einen Moment bin ich ganz still und genieße einfach nur die Nähe zu meinem Sohn, dann läuft eine einzelne Träne meine Wange hinab. Marina beobachtet uns eine Weile, dann steht sie wortlos auf und läuft aus dem Zimmer.

Ich bin versucht ihr nachzulaufen, entscheide mich dann aber doch anders.

Etwas später holt Papa Jannes ab. Der Kleine schläft heute Nacht bei ihm und Vanessa. Diese ist vor drei Wochen bei meinem Vater eingezogen und es scheint ziemlich gut zwischen den beiden zu laufen. Und das freut mich sehr für Papa. Er ist außerdem der Meinung, dass Marina und ich endlich ein wenig Zeit für uns brauchen. Außerdem will er Vanessa die Chance geben, Jannes etwas besser kennen zu lernen. Ich wünschte Papa hat Recht, dass ein wenig Zeit zu zweit, Marina und mich wieder zueinander finden lässt und wir miteinander reden und unsere Gefühle teilen können. Am meisten erhoffe ich mir natürlich, dass sie mich nicht den ganzen Abend ignoriert. Ich vermisse meine Frau nämlich wahnsinnig. Trotzdem sehe ich da eher schwarz, aber vielleicht sollte ich einfach ein wenig optimistischer denken...

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Jetzt liege ich im Bett. Marina hat mich den ganzen Abend abgeblockt und ist jedes Mal geflüchtet, als ich versucht habe mit ihr zu reden. Verzweiflung überkommt mich und ich versuche die Tränen zurück zu halten, die sich in meinen Augen sammeln. Ich presse die Lippen zusammen und hoffe einfach, dass ich nicht zusammenbreche. Ich muss für Marina stark bleiben, ganz egal, ob sie mich ständig ignoriert. Sie soll spüren, dass ich für sie stark sein möchte. Ich denke an unsere Hochzeit und an den Tag von Jannes' Geburt und versuche diese Glücksmomente in mir aufzunehmen, um den Schmerz zu unterdrücken.

Ich spüre, wie Marina sich neben mich ins Bett legt. Ich zwinge mich den Tränenschwall zurückzuhalten, indem ich mir die Faust in den Mund drücke und mit den Zähnen zubeiße. Der Schmerz soll mich ablenken...Dann ist da plötzlich ihre warme Hand an meinem Rücken. Langsam bahnt sie sich einen Weg und scheint mich sanft zu streicheln. Die Gänsehaut kommt von ganz alleine und das Gefühl der Lust keimt in mir auf. Marinas Lippen küssen meinem Nacken, ihre Hand umfasst meine Schulter und fordernd will sie, dass ich mich zu ihr umdrehe.

„Schlaf mit mir, David", wispert sie, als ich ihr gegenüber liege und in ihre braunen Augen schaue.

„Ich will..."

Sie unterbricht mich, legt mir einen Finger auf den Mund und dreht mich auf den Rücken. Ich lasse sie einfach machen, weil ich keine Ahnung habe, was gerade vor sich geht. Kaum eine Sekunde später thront Marina auf mir und ich kann nicht an mir halten... Ein zufriedenes Seufzen entwischt meinem Mund. Mein Mädchen bewegt sich ein kleines Stück zur Seite, um ihre Hand in meine Boxershort gleiten zu lassen. Schmerzhaft drückt meine Erregung gegen den Stoff und Marinas Bewegungen machen es nicht besser.

Was genau passiert hier gerade?

Die Gedanken haben keine Chance. Marina treibt mich in den Wahnsinn und die Lust pulsiert durch meinen ganzen Körper. Ich hebe sie von meinem Schoß und sorge dafür, dass sie sich zurück auf die Matratze legt, ehe ich mich über sie beuge. Zögerlich küsse ich sie auf den Mund und schiebe meine rechte Hand unter ihre Schlafshort.

Ich will gerade mehr wagen und habe die Finger schon am Saum ihrer Unterhose, als ich ein leises Schluchzen wahrnehme. Abrupt stoppe ich in der Bewegung und ziehe meine Hand zurück. Ein Blick in Marinas Gesicht reicht. Unzählige Tränen rinnen über die rosigen Wangen und sie scheint total... abwesend.

Zittrig schiebe ich mich an den Rand des Bettes, schwinge meine Beine auf den Teppichboden und beuge mich mit dem Oberkörper nach unten, um nach meinem Schlafshirt zu greifen. Ich will es gerade anziehen, als Marina es mir von hinten hektisch aus der Hand reißt. Mit feuchten Augen starrt sie mich an, als ich mich langsam zu ihr umdrehe. Noch immer kullern ein paar Tränen.

„Hör nicht auf, David", wispert sie verzweifelt und ihre Hand gleitet wieder zu meiner harten Männlichkeit.

Oh Gott. Ich will sie so sehr! Ihre Nähe ist es, nach der ich mich sehne... Aber nicht so!

„Lass das, Süße", flehe ich. Tausend Emotionen kochen in mir. Du bist noch nicht so weit. Bitte! Lass uns endlich miteinander reden. Von mir aus schweig mich an und ich rede, aber tu uns das bitte nicht an."

„Ich will doch nur, dass du mir ein Baby machst", flüstert sie.

„Marina, bitte..."

„Aber nicht mal dazu bist du in der Lage. Wahrscheinlich bist du froh, dass ich das Baby verloren habe." Jetzt ist ihr Blick ist eiskalt, als sie die Worte direkt in mein Gesicht sagt, die braunen Augen durchbohren mich fordernd, dann rappelt sie sich auf und stürmt aus dem Schlafzimmer.

Ich bleibe wie ein Häufchen Elend zurück auf unserem Ehebett und bin nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen.

Was verdammt ist hier gerade passiert?

In Your ArmsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt