Der Sommerregen

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David

Vanessa scheint es nicht zu interessieren, dass ich sie abweise. Ihre rechte Hand gleitet unter meinem Pullover und wandert langsam an meinen Bauch hinauf, ehe sie an meiner linken Brustwarze stoppt und diese zwischen ihre Finger klemmt. Mit der anderen Hand macht sie sich schon an meiner Jeans zu schaffen und will diese gerade öffnen, als ich sie stoppe.

„Lass das, Vanessa", sage ich jetzt etwas energischer.

„Du willst es doch auch...",wispert sie daraufhin und ist mit ihren Lippen schon wieder ganz nah an meinen. „Du kannst es nicht leugnen, David. Ich kann es spüren".

Ich drücke sie ein weiteres Mal weg. Warum kann sie mein Nein nicht akzeptieren? Außerdem wächst mein schlechtes Gewissen gegenüber Papa gerade ins Unermessliche und ich frage mich, wie egal das Vanessa anscheinend ist. Wir sind hier in ihrem Wohnzimmer. Sie wohnt mit Papa zusammen, warum stört sie das nicht im Geringsten? Papa und Antonia könnten jeden Moment wieder hier auftauchen. Geschweige den Mama und Mara, die ja auch nur eine bestimmte Zeit lang an der frischen Luft verbringen werden.

„Vanessa, ich..-

Sie presst ihre Hand gegen mein bestes Stück. Ein weiterer verzweifelter Versuch ihrerseits mich scharf zu machen. Noch vor ein paar Tagen hätte ich mich darauf eingelassen und wäre mit ihr im Bett gelandet. Vor ein paar Tagen.. Aber heute.. Nein, ich werde weder Papa, noch Marina ein weiteres Mal betrügen. Wieso fällt es Vanessa so leicht, Papa zu hintergehen?

Dann ist Vanessas Blick aus ihren blauen Augen plötzlich eiskalt, als sie ihre Hand langsam wieder nach oben nimmt. Ihre blauen Augen wirken wie ein tiefer Ozean, der mich verschlingen will.

Ich will nicht in diesen Augen ertrinken. Mein Herz sehnt sich nach diesen braunen Augen, nach deren Wärme und Fürsorge.

Dann zieht sich ein gehässiges Grinsen über Vanessas Lippen. Verdammt was ist Vanessa nur für ein Biest? Gerade weiß ich nicht wirklich, was als nächstes passiert. Wird sie es erneut versuchen, mich zu verführen? Oder es endlich akzeptieren und aufgeben?

Tatsächlich versucht Vanessa es keine Minute später erneut ihre Schlauchbootlippen auf meine zu pressen und sich mit ihrem Körper an meinen zu reiben.

„Lass das endlich, Vanessa. Ich werde nicht mehr mit dir schlafen".-

Vanessa stolpert ein paar Schritte von mir weg, nuschelt leise eine Entschuldigung und senkt dann den Blick zu Boden.

„Ich habe mich in dich verliebt, David".

Mir stockt der Atem. Oh nein! Ich hätte es ahnen müssen. Ich weiß nicht genau, was ich darauf erwidern soll. Aber irgendwas sollte ich sagen, ich kann sie doch nicht einfach hier zurück lassen. Nicht so. Nicht nachdem, was sie gerade gesagt hat.

Bevor ich etwas erwidern kann, höre ich plötzlich ein Schluchzen. Es kommt aber nicht von Vanessa. Wie versteinert drehe ich mich in die Richtung aus der es kommt, bis ich Antonia sehe, die sich an Papas linken Arm lehnt. Der Kleinen rinnen Tränen über die Wangen und sie murmelt irgendetwas unverständliches vor sich hin. Seit wann stehen die beiden dort? Mein bescheuertes Herz klopft wie wild gegen meinen Brustkorb.

„Was ist denn hier passiert?", dringt jetzt Mamas Stimme zu mir durch. Ich weiß nicht, ob ihr diesen Moment kennt, in dem euch die ganze Wucht eurer Fehler trifft? So unvermittelt schlägt sie ein und hinterlässt nichts als einen Trümmerhaufen. Meine Ehe ist ein Trümmerhaufen. Meine Beziehung zu meinem Papa ist ein Trümmerhaufen. Ich kann Mama nicht anschauen, die zarte Annäherung zwischen uns ist zerstört. Ich habe den neunten Geburtstag der Zwillinge ruiniert. Ich glaube ich werde immer Einzelkind bleiben. Vanessa hat sich in mich verliebt, wo sie doch Papas Freundin ist. Und das alles nur, weil ich für ein paar Minuten meinen Spaß hatte und so  meinen Schmerz verdrängen wollte. Wie kann man nur so bescheuert sein?

Das schlimmste an der ganzen Situation ist Papas Reaktion. Er hat sich keinen Meter von der Stelle bewegt, hat noch kein einziges Wort gesagt. Ich wünschte so sehr, dass er mich anschreit, mir seine Meinung geigt oder mir einfach nur eine ballert. Sein Blick huscht kurz von meinen Augen weg, wahrscheinlich zu Vanessa. Ich hole kurz tief Luft, ehe seine grauen Augen, in denen unverkennbar ein Sturm tobt, sich wieder in meine bohren. Am schlimmsten ist die Enttäuschung, die ich darin lesen kann. Sie lässt mich beinahe ertrinken. Unvermittelt muss ich meinen Blick abwenden. Ich halte es keine Sekunde länger aus, Papas grenzenloser Enttäuschung ausgesetzt zu sein. 

Meine Beine tragen mich von ganz alleine in die milde  Abendluft hinein, die geschwängert ist von dem Duft von frisch gemähten Gras und Sommerregen. Irgendeine der Zwillinge ruft immer wieder meinen Namen, aber ich beachte es nicht. Ich muss hier einfach nur weg- Die Abendluft umschmeichelt trügerisch mein Gesicht und spielt mir etwas von Harmonie und Liebe vor. Ich blinzele die Tränen weg, die sich aus meine Augen stehlen wollen.

Und ich laufe davon. Ein weiteres Mal-


In Your ArmsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt