Das Zitat

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David

WAS? Nein, dass kann nicht sein. Vanessa lügt. Nie und nimmer habe ich mit ihr geschlafen.

Oder?

Ich hatte glaube ich schon einmal erwähnt, dass Vanessa ziemlich gut aussieht. Sie hat einen verdammt tollen Körper und ich kann mir gut vorstellen, dass sie im Bett so einiges drauf hat, vor allem gibt es da bestimmt vieles, das sie mit ihren vollen Schlauchbootlippen anstellen kann-

Stopp- Nein, nein. Das kann nicht sein- Das darf nicht sein.

Ich versuche angestrengt mich an irgendwas zu erinnern, jedes kleinste Detail von gestern Nacht könnte wichtig sein, ich hoffe nur auf ein paar Erinnerungen, aber mein Hirn spielt nicht mit. Wie lange kann so ein Filmriss andauern? Ich will, dass das hier alles nur ein schlechter Witz von Vanessa ist.

Aber warum sollte Vanessa lügen? Was verspricht sie sich davon?

Vanessa ist mit Papa zusammen, alleine bei dem Gedanken daran, wird mir speiübel und ich muss mich beherrschen ein Würgen zu unterdrücken.

Was, wenn sie die Wahrheit sagt?

Verdammt, dann habe ich nicht nur meine Frau, der es gerade sowieso schon schlecht geht, sondern auch Papa betrogen, der immer alles für mich gegeben hat. Ich schaffe es nicht mehr die Übelkeit zu unterdrücken, ziehe schnell die Decke von meinem Körper, rappele mich vom Sofa auf und renne ins Badezimmer.

„F...k..", murmele ich immer wieder, als ich mein bleiches Gesicht im Badezimmerspiegel betrachte. Ich fühle mich nicht nur wie ein Wrack, ich sehe auch noch aus wie eines. Meine Haare sind völlig wirr und als ich meine Hand ein weiteres Mal durch sie gleiten lasse, wird das Chaos nur noch schlimmer. Meine blaugrauen Pupillen schauen mich müde und vorwurfsvoll an, aber am schlimmsten sind die dunklen Augenringe unter meinen Augen, die aussehen, als hätte ich sie mir absichtlich mit einem schwarzen Edding, aufgemalt. Ich bin einfach nur fix und fertig.

Als ich mir eiskaltes Wasser in das Gesicht und über die Augen spüle, merke ich, dass ich mich plötzlich wieder an alles was gestern Nacht passiert ist, erinnern kann. So unvermittelt, wie ich heute Morgen ohne diese Erinnerungen aufgewacht bin, sind sie jetzt wieder da. Meine Beine beginnen zu zittern und ich sacke auf die Knie, nur meine linke Hand, die sich an den Rand des Waschbeckens klammert, hindert mich daran, komplett auf dem Badeteppich, auf dem ich stehe, zusammenzubrechen.

Ich sehe Vanessa und mich- Dann die enge Kabine in der Männertoilette der Bar. Vanessas, rotes, knielanges Kleid ist nach oben gezogen. Ich dränge mich mit meinem ganzen Körper hungrig gegen den ihren, ihr Rücken ist an die Kabinenwand gepresst. Während ich sie vögele, öffnen sich ihre Lippen ein kleines wenig, immer mehr, ehe sie meinen Namen schreit. DAVID!

Dieses eine Wort- Mein Name-

Wie ein Echo hallt er durch jede Faser meines Körpers.

Verdammt, ich habe Vanessa besoffen, in einer schäbigen Bar und auf der Männertoilette gevögelt. Wie tief kann man eigentlich sinken? Eigentlich hatte ich das Gefühl, dass ich in den letzten Wochen ziemlich tief am Boden angekommen bin, aber das hier zeigt mir einmal mehr, wie unrecht ich habe. Es geht immer noch schlimmer!

Ich bleibe die ganze Zeit im Badezimmer, weil ich mich nicht traue in Papas Augen zu schauen, alleine der Gedanke, dass ich ihn anlügen muss, lässt mich verzweifeln. Papa kommt immer wieder nach oben, klopft sachte gegen die verschlossene Badezimmertür, bis er es irgendwann aufgibt. Er sagt, dass Vanessa und er jetzt nach Hause gehen, dass ich aber immer anrufen kann, wenn ich was brauche. Dann entfernen sich seine Schritte.

Als es im Haus ganz still geworden ist, wage ich mich schließlich endlich ins untere Stockwerk, zwar habe ich keinen Hunger, aber großen Durst, deshalb laufe ich gleich in die Küche und auf den Kühlschrank zu. Am Kühlschrank finde ich einen Zettel, unverkennbar mit Papas krakeliger Schrift darauf.

„Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her".

Genau das sind die Worte, die Papa mir hinterlassen hat. Mein Papa hatte schon immer ein Faible für jede Art von Sprüchen und Zitaten. Ich glaube er hat damit angefangen, diese zu lesen und schließlich zu sammeln, als Mama uns verlassen hat. Wahrscheinlich hat es ihm geholfen seine Gefühle besser zu verstehen und etwas positives in dem Leid zu finden, in dem wir uns unmittelbar nach ihrem Weggang befunden haben-

Nur momentan hilft es mir in keiner Hinsicht. Es ist ja bestimmt nicht in Papas Sinne, dass dieses „Lichtlein" den Namen Vanessa trägt und zufällig seine Freundin ist.

Wenn er wüsste, was ich verbockt habe- Warte, Vanessa ist hier ganz bestimmt auch nicht die Unschuld in Person. Ich kann nicht verstehen, wie sie ihm noch ins Gesicht schauen kann, ohne sich schlecht zu fühlen. Entweder traut sie sich nicht ihm alles zu sagen, weil sie Angst um ihre Beziehung mit Papa hat. Oder er ist ihr komplett egal.

Ich raufe mir durch die Haare und lasse einen kurzen, aber sehr lauten Schrei los.

Wie konnte ich nur?

Ich habe meine Frau betrogen!

Meinen kleinen Sohn!

Und meinen Papa!

Dem Alkohol kann ich keine Schuld geben, auch wenn ich ihn so gerne als Ausrede nutzen würde, aber ich weiß, dass das nicht nur feige, sondern auch komplett daneben wäre.

Wieso ist da aber immer wieder diese Stimme in meinem Kopf, die mir leise zuflüstert, wie viel Spaß ich doch mit Vanessa haben könnte?

In Your ArmsWhere stories live. Discover now