In guten, wie in schweren Zeiten

55 14 49
                                    

Marina


Seit David mir gestanden hat, dass er mir fremdgegangen ist, sieht Mama sich in ihrer Annahme bestätigt, dass dieser unerzogen, ein Feigling und nicht der richtige Mann für mich ist. Den ganzen Morgen erzählt sie mir irgendetwas davon, dass sie mich ja vor David beschützen wollte, ich sie aber nie ernst genommen und ihr nie zugehört habe. Jetzt reicht es mir! Ich habe keinen blassen Schimmer, was Mama sich da rausnimmt. Klar mein Mann hat mich betrogen, ich weiß nicht einmal mit wem, aber ich war einfach zu sauer und zu enttäuscht gewesen, um ihn danach zu fragen. Vielleicht will ich es aber auch gar nicht wissen. Es war für mich ein derber Schlag ins Gesicht gewesen, als David diese fünf Wörter in mein Gesicht geschleudert hat. „ Ich habe dich betrogen, Marina".

„Lass es bitte endlich, Mama!", fahre ich diese wütend an. Ihr hellbraunes Haar sitzt sonst immer einwandfrei in ihrem strengen Dutt, aber heute hängen ein paar Strähnen aus ihm heraus, als hätte sie heute Morgen nicht die Geduld und Zeit gehabt, ihr langes Haar, richtig zu verknoten. Vielleicht ist sie aber auch nur schrecklich wütend und verliert somit ein wenig Kontrolle über ihr sonst perfektes Äußeres, das ihren Lebensstil widerspiegelt.

„Hör auf den Mann nieder zu machen, den ich von Herzen liebe, Mama". Ein paar Tränen steigen mir in die Augen und als sie sich ihren Weg über meine Wangen bahnen, wische ich sie hektisch mit meinem Daumen weg. Ich will jetzt nicht vor Mama in Tränen ausbrechen.

„Er hat dich betrogen, Marina..", empört meine Mutter sich weiter. „ Dieser Bengel hat mit einer anderen Frau geschlafen. Oder willst du das etwa leugnen und ihn weiterhin in Schutz nehmen?"

„Ich weiß, dass er mich betrogen hat, Mama. Das gibt dir trotzdem keinen Grund ihn so runterzumachen". Ich versuche Mamas Blick standzuhalten, aber sie hat damit begonnen vor mir auf und ab zu gehen, also lasse ich es bleiben und schaue ihr stattdessen zu, wie sie sich unruhig durch die Frisur fährt und somit noch ein paar mehr Strähnen, aus ihrem Dutt löst.

"Gerade das ist ein richtig guter Grund für mich, mein Kind. Du bist die letzten Wochen durch die Hölle gegangen. Papa und ich waren dabei und haben zugesehen, wie sehr du gelitten hast, weil du dein Kind verloren hast. Und was macht dein Ehemann? Anstatt dir beizustehen, mit dir zu trauern, vögelt er einfach eine andere. Er ist ein unerzogener Bengel und wird das immer bleiben. Jannes und du, wärt ohne ihn viel besser dran". Mamas braune Augen durchbohren mich. Da ist so viel Strenge in ihrem Blick und für einen kurzen Moment fühle ich mich wieder wie ein kleines Mädchen, Mama hoffnungslos ausgeliefert, immer versucht, ja alles richtig zu machen, um sie nicht zu verärgern. Vergeblich suche ich etwas Sorge in Mamas Blick. Da muss doch noch mehr sein. Warum versteckt Mama ihre wahren Gefühle immer so gekonnt hinter einer hohen Mauer?

„David hat auch gelitten, es war schließlich auch sein Kind", murmele ich. Ich kann mich selbst kaum verstehen, wie soll es dann Mama? Sie schiebt die Augenbrauen nach oben, hat es endlich aufgeben hin,- und her zu tigern und mustert mich jetzt wieder skeptisch.

„Denk darüber nach, Marina...", sagt Mama schließlich. „ Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen, Liebling".

Nachdem sie mich alleine gelassen hat, versuche ich die Tragweite von dem zu erfassen, was Mama mir gerade gesagt hat. Wenn es nach ihr ginge, dann hätte ich mich schon gestern von David scheiden lassen sollen. Will ich das denn? Ich weiß es momentan ehrlich nicht.

In meinem Herzen ist gerade totales Chaos. Warum spielt das Leben so? Wieso schlägt das Schicksal immer wieder gnadenlos zu? Warum habe ich David von mir gestoßen, wo er doch der ist, der mich immer wieder auffängt, der immer alles versucht, um mich glücklich zu machen. Wieso konnte ich meinen Schmerz nicht mit ihm teilen?

Ich liebe David über alles. Ich hätte niemals gedacht, dass er mich eines Tages betrügen könnte. Andererseits hätte ich auch nie erwartet, dass ich mein Baby verliere. Während ich mit Jannes schwanger war, da war alles super gewesen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es auch anders sein kann. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Wer bereitet sich auch auf solch eine Situation vor? Die Trauer prasselte auf mich ein, ungeschützt und so ohne jegliche Vorwarnung. Und wie hätte ich David gestehen sollen, dass ich mir die Schuld daran gegeben habe? Wie hätte ich ihm in die Augen schauen und ihm sagen sollen, dass ich die Schuldige bin. Ich habe das Baby unter meinen Herzen getragen. Ich habe es verloren.

Ich konnte es nicht. Ich musste mich von ihm zurückziehen, lernen, dass ich nicht Schuld bin. Das ist keiner. Es passiert einfach, warum, dass weiß niemand. Ich auch nicht. David weiß es nicht.

Ich bin unendlich enttäuscht von meinem Mann. Aber ich kann ihn auch verstehen. Ich bin es gewesen, die ihn ausgeschlossen hat. Ich habe ihn von mir geschoben. Er leidet auch, dass weiß ich. David ist ein sehr emotionaler Mensch. Ein Grund, weshalb ich ihn so sehr liebe. Einer von vielen. Aber ich hasse ihn auch so sehr, ich hasse es, dass er irgendwann aufgegeben hat. Er hat mich einfach alleine gelassen, weil ich genau das von ihm verlangt habe. Wie sehr wünschte ich, dass er gekämpft hätte. So stark, wie ein Tiger, wie er sonst immer scheint. Aber, er hat einfach aufgegeben. Aber ich habe es auch. Ich habe uns aufgegeben. In guten, wie in schweren Zeiten. Ich erinnere mich.

Schaffen wir das?

In Your Armsحيث تعيش القصص. اكتشف الآن