Kapitel 15

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Draußen war es kälter als ich vermutet hatte. Beziehungsweise kälter als meine Zimmermädchen vermutet hatten. Bei so einem Wetter war ein kurzes Nachthemdartiges Etwas nicht wirklich passend.

Es war leicht windig und bewölkt und ich war mir sicher, bald würde es anfangen zu regnen.

Trotzdem tat es gut wieder draußen zu sein. Es kam mir ewig vor, dass ich nicht mehr draußen war und im Grunde genommen hatte ich ja lange Zeit meines Lebens draußen verbracht, ob nun gewollt, oder nicht. Egal, wie sehr ich fror, ich würde versuchen, so lange wie möglich hier zu bleiben.

Vielleicht war die Idee des Prinzen rauszugehen, doch gar nicht so schlecht?

Er führte mich zu einer Bank und darauf bedacht, dass mein Kleid nicht hochrutschte, setzte ich mich neben ihn.

Interessiert sah er mich an. "Wie ist es so, in Kaste 7 zu leben?", fragte er mich und ihn schien das wirklich zu interessieren. Bestimmt machte es ihm Spaß, sich am Leid anderer zu ergötzen.

"Besser als in Kaste 8 und schlechter als in Kaste 6.", antwortete ich, "Eure Hoheit."

Finley dachte kurz nach. "Ich weiß weder wie es sich anfühlt in Kaste 6 noch in Kaste 8 zu leben." - Hätte ich jetzt gar nicht erwartet... - "Erklär doch mal. Tagesablauf? Ach ja und lass das Eure Hoheit weg, das nervt."

Wenn er wollte.

"Morgens um sechs stehe ich auf und Carter ist schon lange arbeiten. Ich esse nichts, weil sonst nichts für Spring übrig bleibt. Ich mache die Wäsche und wasche Geschirr oder so und wecke dann gegen sieben Spring, damit wir kurz zur Schule gegen können."

"Du gehst noch zur Schule? Du bist doch schon achtzehn."

"Aber ich habe nicht die Zeit die Schule abzuschließen. Jedenfalls gehe ich nur die ersten Beiden Stunden hin, lasse Spring dort und gehe zum Markt, um meine Gedichte zu verkaufen. Ich hoffe das Elizabeth kommt und was kauft, damit es heute Abend etwas zu Essen für mich und Carter gibt. Manchmal kommen auch andere und kaufen was. Dann habe ich Glück.", leierte ich herunter, "Am Abend gegen halb elf schaffe ich es Spring abzuholen."

"Aber kann sie nicht alleine gehen statt in der Schule zu warten?"

Ich sah ihn an. "Klar kann sie. Aber dann ist sie in spätestens ein paar Minuten tot. Und es würde niemanden interessieren."

Finley zögerte kurz. "Und du? Wenn du alleine irgendwo hingehst, ist das nicht genauso gefährlich?"

"Sicher ist es das. Aber ich bin älter und kann mich besser verteidigen, wenn etwas passiert. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wenn Spring etwas passieren würde, aber sollte mir etwas passiert ist das nicht so schlimm." Besonders weil mir ja auch schon ein paar Mal was passiert ist. Und tada: Ich lebte noch!

Nach kurzer Zeit fing Finley wieder an zu lächeln. Was lief bei dem Typen? Ich erzählte ihm wie schlecht es mir ging und das war alles was er darauf machte? Na dankeschön.

Wir schwiegen, als eine Gruppe von Wächtern in unsere Nähe kam und offensichtlich patrouillierten.

Finley fing wieder an zu reden, irgendwas von, was er machen würde, wenn er ein Leben wie ich führe. Ich wollte es ehrlich gesagt gar nicht wissen.

Als ich die näherkommende Gruppe genauer betrachtete, entdeckte ich darunter einen Wächter mit platinblonden Haaren, wahrscheinlich Mitte zwanzig, dessen Gesicht mir eigenartig bekannt vorkam. Er sah mich zwar nicht an, aber ich hatte ihn definitiv schonmal irgendwo gesehen. Nur wo?

Auserwählt.Where stories live. Discover now