Kapitel 7

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Es waren fünf Stunden vergangen, als das Flugzeug – beziehungsweise der Privatjet – endlich hielt und ich konnte mich nicht so recht entscheiden, ob das ein eher langer oder ein eher kurzer Flug war. Immerhin hatte ich die ganze Zeit darüber nach gegrübelt, wie ich hier auftreten sollte.

Ich, die mehr Kälte ausstrahlt, als ein Kühlschrank.

Ich, die geborene Lügnerin. Jeder zweiter Satz meinerseits war eine Lüge, jedenfalls fühlte es sich so an.

Irgendwie konnte ich froh sein, wenn ich ohne Todesstrafe nach Hause geschickt werde.

Ach, hätte ich mich doch nicht eingetragen. Dann würde ich jetzt auf dem Sofa sitzen und hätte mich wahrscheinlich sogar wieder mit Carter versöhnt. Ich würde nicht weiter drüber nachdenken.

Aber genau das sollte ich ja eigentlich tun.

Denk drüber nach...

Das war es, was mein Bruder erreichen wollte. Das ich nicht die Möglichkeit hatte, es zu vergessen. Deshalb hatte mich wahrscheinlich erst heute morgen damit konfrontiert.

Moment.

Heute Morgen? Es fühlte sich viel länger an. Viel, viel länger.

Oh man, wie sollte ich das bloß überleben?

„Kommen sie, Miss Black?“, fragte Wilson und ich nickte kurz, während ich mir meine weiße Stoffjacke überzog. Er und Brown hatten mich den ganzen Flug über beobachtet, aber wahrscheinlich dachten sie, ich würde mir Sorgen wegen dem Prinzen oder so machen.

Als ob.

Ich nahm meine kleine weiße Handtasche (ich musste eine tragen! Aber da ich ja selbst keine hatte, musste Brown mir notdürftig eine kaufen, auf dem Weg zum Flughafen) und als ich nach draußen trat, bemerkte ich den weißen Teppich, der sich über alles legte. Sah kleine weiche Federn vom Himmel herab schweben.

Schnee.

Endlich. Zu Hause schneite es nicht. Da hatte ich anscheinend mal Glück gehabt.

Vorsichtig trat ich mit meinen hohen weißen Schuhen aus dem Jet. Alles an mir war weiß: Nur meine Augen und meine Haare nicht. Beides stach genau deswegen ganz besonders heraus. Und meine Lippen natürlich. Weil sie tatsächlich ziemlich rot waren.

Wobei... jetzt wo ich mir der Kälte bewusst wurde, wahrscheinlich bald blau.

Brown wollte mir die Hand reichen (im Schnee war es doch verdammt tief!), aber dann viel ihm anscheinend ein, wie abweisend ich ihm gegenüber war – obwohl, eigentlich war ich ja allen abweisend gegenüber. Gentleman hin oder her.

Wilson verschwand, als wir das Innere des Flughafengebäudes betraten. Na toll. Wilson schien mir wesentlich netter, als der Wächter, der jetzt nur noch alleine mit mir unterwegs war.

Er führte mich ein paar Gänge entlang (wo alles abgesperrt war) und dann zum großen Saal (auch alles abgesperrt), in dem man normalerweise seine Koffer abholte, bloß jetzt war an dem Band kein einziger Koffer zu sehen. Und daneben standen nur (im Vergleich zu den Mengen sonst) 34 Mädchen. Und alle starrten mich an.

Aber von niemandem war der Blick bewundernswert. Bei den einen sah man die Angst, aber ehrlich, sah ich so furchteinflößend aus? Und bei den anderen sah man pure Abneigung.

Ach, Leben/Karma/Schicksal/Whatever, was hatte ich gemacht, dass ich so etwas verdient hatte? Was?

Ach stimmte ja.

Auserwählt.Where stories live. Discover now