Kapitel 6

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Spring drehte sich lachend im Kreis, und das Kleid, welches ihr bis zu den Knien ging, flatterte mit. „Oh man, ich benehme mich wie ein kleines Kind. Aber ich fühle mich so wunderschön in diesem Kleid. Ehrlich, wie eine Prinzessin.“ Sie kicherte, während ich mich auf dem Sofa entspannte und es mir egal war, ob mein Kleid zerknitterte. „Nur, dass du diese bald sein wirst. Irgendwie beneide ich dich ja. Ich will auch einen Prinzen als Freund!“ Moment mal! Niemand war hier mein Freund! Das ist doch...

Sie war wie Carter. Beide machten sich viel zu viele Hoffnungen, dass ich gewinnen würde. Setzten zu viele Erwartungen in mich. Waren so überzeugt von mir.

Aber ich war nicht perfekt.

Vielleicht aber Perfekt im Unperfekt sein.

Ich hörte Carters Stimme in meinem Kopf, er hatte das irgendwann vor Monaten zu mir gesagt. Warum zum Teufel musste ich ausgerechnet jetzt daran denken?

Und warum zum Teufel dachte ich gerade wieder an ihn, meinen Zwillingsbruder?

Und warum zum Teufel hatte ich mich überhaupt mit ihm gestritten?

Und warum zum Teufel ausgerechnet jetzt?

Denk drüber nach.

Oh, ja, Carter. Das tat ich. Und wie.

Sogar das Bevorstehende konnte meine Gedanken nicht auf etwas anderes lenken.

„...und hat vielleicht sogar einen heißen Körper!“

Die gut gelaunte Stimme meiner Schwester riss mich aus den düsteren Wolken, in denen ich gerade gehangen hatte, irgendwo in der düstersten Ecke meines Gehirns.

Und wenn ich etwas zu trinken gehabt hätte, dann hätte ich mich genau in diesem Moment definitiv heftig verschluckt!

„Wie bitte?“ Ich verrenkte fast meinen Kopf, als ich versucht mich zu ihr zu drehen, ohne meinen restlichen Körper zu bewegen. „Hast du das eben wirklich gesagt?“

„Hä, wie kommst du jetzt da drauf? Das war der Tisch!“ Sie schüttelte lachend den Kopf. „Nein, natürlich war das ich.“

Hola, gegen sie war die Sonne ja nichts, so strahlte sie.

„Äh, okay.“ Äußerst geistreich. „Aber ich denke eher nicht.“

Spring runzelte die Stirn. „Warum denn nicht?“

Ich sagte ihr nicht, dass er im Fernsehen relativ schlaksig aussah. Nicht, weil das irgendwie verheerend war, dass ich so eine Information mit ihr teilte, nein, einfach, weil ich gerade keine Bock hatte zu reden. Ich drehte mich wieder in die ursprüngliche Position (halb liegend) und schloss kurz die Augen, mit der Hoffnung, die Anspannung etwas loszuwerden. Währenddessen hörte ich meine Schwester leise seufzen, was sich nicht genervt sondern eher traurig anhörte.

Vielleicht hatte Carter ja genau das gemeint? Dass ich immer abblockte, wenn man mir näher kam? Dass es deshalb unmöglich war, ein richtiges langes Gespräch mit mir zu führen? Dass Spring vielleicht genau das zu schaffen machte?

Aber auch sie wusste ja nicht, was damals geschehen war.

Es klingelte an der Tür, und meine kleine Schwester quiekte auf, während sie wie besessen durch den Raum hopste. Hui, sie war ja schon aufgeregter als ich.

Müde öffnete ich die Augen und stand dann auf um die Tür zu öffnen.

Im Flur standen zwei Wächter, ihre Uniformen ganz in schwarz, nicht blau, wie die in unserer Stadt. Die Fäden und das Emblem mit der Form einer Krone glitzerten golden. All das wies darauf hin, dass die beiden vom Palast kamen.

Auserwählt.Where stories live. Discover now