Kapitel 16

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Ich musste mich verstecken. Vielleicht reichte es, wenn ich mein Leben lang im Wald leben würde?

Nein, nein, nein.

Ich musste nachdenken.

Und atmen.

Beruhig dich.

Alles ist gut.

Finley tippte mich an. "Noch da? Du siehst aus als brichts du gleich zusammen."

Sie kamen näher.

Und der Wächter drehte sich um. Zu mir.

Und genau in dem Moment hatte ich eine mehr oder weniger rettende Idee.

Ich drehte mich zu Finley und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, während ich mich mit meinen Händen an ihm festhielt, damit keiner sah wie sehr ich zitterte.

Ganz ruhig.

Er wird dich nicht erkennen.

Wirklich nicht.

Bestimmt nicht.

Finley sagte für einen kurzen Moment nichts aber dann fing er doch an zu sprechen.

"Wow, du siehst gar nicht aus wie so eine. Ich meine du warst eher sehr schüchtern und so..." Konnte er bitte aufhören? So laut wie er redete, war ich mir sicher, dass alle zu uns schauten. "Ich meine mir gefällt das auch, aber was genau machst du? Bist du ein Vampir?" Stopp! "Oder willst du mir einen Knutschfleck verpassen? Naja, egal was du machst, wir können das auch innen in meinem Zimmer fortsetzten. Vielleicht in meinem Be-"

"Sei still.", zischte ich ihm ins Ohr und versuchte ruhig zu atmen. Nicht ausrasten. Sie waren bestimmt gleich weg und er würde die Klappe halten. Bestimmt.

Ganz bestimmt.

Tatsächlich hielt er jetzt den Mund.

Eine gefühlte Ewigkeit später, als man die Schritte und das Lachen der Wachen nicht mehr hörte, löste ich mich von ihm. Mein ganzer Körper zitterte und meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding.

Ich fühlte mich, als wäre ich gerade ein Marathon gelaufen.

Finley sagte immer noch nichts und ich versuchte wieder zu atmen.

Ein, Aus. Ein, Aus.

Okay.

Okay!

Es war vorbei.

Alles würde gut werden. Die Wahrscheinlichkeit ihn nochmal wiederzusehen war gering. Ja, sehr gering.

Ich schaffte das. Ja, ich schaffte das.

Finley wand sich zu mir. "Hey... was war das denn bitte eben?"

Mein Herz schlug so schnell... Ich klopfte mir mit der Faust gegen die Brust, damit es aufhörte.

Finley grinste schief. "Wir können immer noch auf mein Zimmer. Ich meine..."

Ich unterbrach ihn indem ich aufstand. "Das ist nie passiert.", sagte ich außer Atem.

"Das sehe ich aber anders."

Natürlich tat er das. Für ihn war ja alles nur ein Spiel.

Oh Gott, mir war so schwindelig, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten.

Finley stand nun auch auf und sah von oben auf mich herunter. "Übrigens... sieht du heiß aus in dem Kleid."

Sah ich so aus, als bräuchte ich jetzt diese Art von Komplimente? Oder machte er sich nur wieder über mich lustig?

Ich konnte mich noch gerade daran hindern die Augen zu verdrehen.

"Kann ich gehen, Eure Hoheit?", fragte ich, weil ich mich jetzt wirklich am liebsten auf meinem Zimmer eingesperrt hätte. Oder weggelaufen. Ja, am liebsten wäre ich weggelaufen. Aber das ging ja nicht. Wie denn auch? Überall waren Wachen.

Also würde ich mich nur irgendwo in der Ecke meines Zimmers verstecken und hoffen, dass die Zeit nicht allzu schnell vorbeiging, damit ich Zeit für mich und zum Nachdenken hatte.

Finleys Grinsen verschwand. "Nein, kannst du nicht." War ja klar. Ich war mir sicher, er machte das extra. Er empfand ja noch weniger Mitleid als ich!

Okay gut. Dann bleibst du jetzt einfach so stehen und wartest. Ihm wird bestimmt bald langweilig.

Er sah nähmlich aus wie jemand, der sich immer langweilte.

"Was ist deine Lieblingsfarbe?" Ha! Sagte ich doch. Das war eine Frage, die man immer stellte wenn einem langweilig war und man die andere Person langweilig fand.

"Schwarz.", antwortete ich.

"Warum?"

"Warum nicht?"

Ich würde ihm nicht erzählen, dass wir uns früher auf der Straße immer schwarz angezogen hatten, damit uns niemand entdeckte, und ich mich deshalb einfach wohler fühlte, in dunkleren Sachen. Ich meinte, er wusste ja noch nicht mal, dass ich überhaupt auf der Straße gelebt hatte.

"Und warum hat euch dein Vater verlassen?" Finley sah mich an und grinste. Wieso grinste er? Das war doch eine ernste Frage, und er grinste?

Ich glaubte auch.

"Wieso verlässt man jemanden? Ich bin mir sicher er hat uns aus Angst verlassen." Bestimmt hatte er das. Aber das rechtfertigte nicht, warum er das getan hatte.

"Wieso Angst?" Finley drehte sich zu mir und ich sah direkt in seine grünen Augen. "Wovor sollte er denn Angst gehabt haben?"

"Angst zu verhungern vielleicht? Angst, kein Geld zum Leben mehr zu haben, weil er alles für seine Familie abgeben müsste? In den untersten Schichten ist es so viel einfacher alleine und für sich selbst zu leben."

Finley antwortete nicht. Warum führte ich heute eigentlich so tiefgründige Gespräche mit ihm? Ich meinte, er war nicht der Typ für irgendeine Art von Tiefgründigkeit.

Ich sah hoch zum Schloss und sah meinen Balkon, auf dem ich noch gar nicht gewesen war. Ich wusste noch nicht mal, dass ich eine direkte Sicht auf dem Garten hatte.

Ich erkannte das Sofa, dass ich in die Mitte des Raumes geschoben hatte. Wie gerne wäre ich nach oben gegangen, hätte die Gardinen zugeschoben und hätte mich darauf gelegt.

Aber das blieb mir ja vergönnt.

"Wollen wir reingehen? Es ist kälter geworden."

Oh ja, bitte. Erst jetzt merkte ich, wie kalt mir war, in dem viel zu kurzem Kleid. Also nickte ich stumm.

Vielleicht würde er ja auch jetzt unser Treffen beenden.

Ich brauchte jetzt nähmlich unbedingt etwas Ruhe.

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Ein klein wenig kürzer... aber nun gut. :3

Übrigens ein neues Cover, selbst gemacht. Abgesehen von Elizabeth Gillies, das Foto habe ich natürlich aus dem Internet. ;]

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Auserwählt.Where stories live. Discover now