Das Hotel - Part 4

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Ein Spitzname für Minho? Ich nannte ihn noch immer beim Vornamen. Seit Anfang unserer Beziehung. Das war irgendwie merkwürdig. Nicht, dass es falsch war, für uns war es in Ordnung! Oder doch nicht? Er hatte es vielleicht genau deshalb angesprochen, weil es ihn störte. Ein Spitzname... Min? MinMin? Hase? Oh, man. Das würde schwer werden. "Ich muss mich aber nicht sofort entscheiden, oder?", fragte ich leicht panisch und Minho schüttelte den Kopf: "Nein, ich will ja nicht einfach irgendeinen Namen. Er soll auch zu mir passen!". Tief in meinen Gedanken folgte ich ihm weiter den Waldweg entlang. Hinter uns knackte es im Gestrüpp und ich drehte mich schnell um. Nichts zu sehen. "War bestimmt ein Kaninchen oder so.", beruhigte mich mein Mann sofort. Ich hielt noch kurz Ausschau, dann ging ich weiter. Hier und da raschelte es, mal piepste es, mal brachen dünne Äste. Wälder konnten gruselig sein. Und gerade, als wir darüber lachten, dass wir in Wahrheit bestimmt verfolgt werden und ich mich einfach nur so noch einmal umdrehte, hätte ich schwören können, dass ich sah, wie sich jemand hinter einem Baum versteckte. Ich legte einen Zahn zu und griff nach Minhos Hand, da sagte er auch schon: "Deine Fantasie geht mit dir durch. Wollen wir lieber umdrehen?". "Nein, ist schon okay. Ich möchte noch ein Stück weiter.", beruhigte ich ihn. Ich wusste, wie gern er draußen war und wollte ihm das nicht vermiesen.


Irgendwie hatten wir zwischendurch eine falsche Abbiegung genommen und nun standen wir relativ ratlos auf dem Weg. Während Minho versuchte, irgendwelche Schilder zu entziffern, die hier wohl schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts standen, schaute ich nach oben und bekam den ersten Regentropfen ins Gesicht. "Oh, oh.", kommentierte ich das Ganze leise und sah mich um, ob ich etwas finden konnte, was uns wenigstens vorübergehend Schutz bieten könnte. Ein Baum, noch ein Baum, ein grüner Baum, ein besonders hoher Baum, ein Mann, der hinter einem Baum verschwindet, noch ein.. Moment, WAS?! Mein Blick schnellte zurück und mein Puls schoss in die Höhe. "Minho..", flüsterte ich und er schaute zu mir. "Da war jemand, ich schwöre es. Wir werden verfolgt.", sagte ich so leise wie möglich und ging langsam rückwärts auf ihn zu. Er legte seinen Arm um mich und hielt Ausschau, wo die Wege hinführen könnten. "Okay, eigentlich müssten wir den Weg zurückgehen, aber das willst du nicht, oder?", vermutete er und ich gab ihm recht: "Nie im Leben laufe ich da jetzt freiwillig lang.". Er seufzte leise, nahm mich dann an die Hand und zog mich mit sich. Ich richtete meinen Blick zwar nach vorn, lauschte aber genauestens, ob ich hinter uns irgendetwas vernehmen konnte. Alle paar Meter drehte ich mich um und suchte die Umgebung nach etwas ab. Zwar konnte ich nichts entdecken, aber mein Gefühl schrie mich förmlich an, das hier etwas nicht stimmte.


Die Regentropfen prasselten auf uns nieder und zierten den Weg mit großen Pfützen. Der Boden unter unseren Füßen wurde immer rutschiger und das Laufen wurde anstrengender. "Schau mal, da hinten!", sagte Minho und zeigte in einiger Entfernung auf eine kleine Hütte aus alten Brettern. Das war zumindest schon mal besser als nichts. Etwas eiliger liefen wir auf das kleine Häuschen zu und sahen es uns erstmal von außen etwas genauer an. "Meinst du, wir können uns hier unterstellen, bis der Regen etwas nachlässt?", fragte ich. Vorsichtig zog er an der Tür und nachdem er sie etwas anhob, ließ sie sich öffnen. Die kleine Hütte bestand wirklich nur aus vier Wänden und einem Dach, durch das es hier und da tropfte. In der Hütte selbst war etwas Feuerholz, eine kleine Bank und eine Axt. Sehr gut. Wenn wir tatsächlich verfolgt werden sollten, konnten wir uns definitiv verteidigen. "Setzen wir uns hier rein, bis er besser wird.", sagte Minho und trat ein. Ich zog die Tür hinter mir zu und wir drückten uns auf der Bank fest aneinander. Mit einem mal zog Minho den Reißverschluss meiner Jacke nach unten und sofort wollte ich ihn aufhalten. "Hier doch nicht!", meinte ich, während ich seine Hand festhielt und er entgegnete mir: "Ji, ich wollte dir nur deine nasse Jacke ausziehen. Das sollten wir lieber machen, sonst frieren wir noch mehr.". Ich ließ seine Hand los und er zog den Reißverschluss komplett auf. Er fuhr mit seinen Händen leicht unter der nassen Stoff und schob meine Jacke meine Schultern herab, sodass ich die Arme herauszog. "Ich hänge sie an die Tür.", sagte er, stand auf und zog sich seine eigene Jacke aus, nachdem er meine aufgehängt hatte. Dann verweilte er still und regungslos an der Tür und schaute durch einen Spalt im Holz nach draußen. Mit einem mal drehte er sich blitzschnell zu mir und hielt sich den Zeigefinger aufrecht vor den Mund. Ich sollte still sein? Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. Wieso sollte ich denn jetzt leise sein? Ich wollte aufstehen und zu ihm gehen, um ebenfalls nach draußen zu schauen, doch er gestikulierte sofort wild los, als ich mich in Bewegung setzen wollte. Sein Blick war ernst und ich merkte sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Leise lehnte er sich wieder an die Tür und schaute weiter nach draußen. Dann wurden seine Augen riesig und er schob so leise wie möglich den Riegel der Tür zur Seite, um sie abzuschließen.


Angespannt bis aufs Äußerste, saß ich auf der Bank und wusste noch immer nicht, was genau denn nun vor der Hütte vor sich ging. Ich traute mich gerade nicht einmal, zu atmen, also musste ich mich noch damit gedulden, zu erfahren, was meinen Mann so beunruhigte. Der stand noch immer hinter der Tür und spähte durch den Spalt nach draußen. Er trat einen Schritt nach hinten und dabei quietschte eine der alten Holzdielen unter seinen Füßen, sodass er panisch nach unten sah. Seine Reaktion ließ mich noch unruhiger werden. Hatte es etwas damit zu tun, was vorhin im Wald passiert war? Hatte ich mich doch nicht getäuscht, was meine Spinnereien zum Thema 'Verfolger' anging? Minhos Blick wanderte erst zu mir, dann zu der Axt, die auf dem Stapel Feuerholz lag. Was passierte hier?! Was machte ihm solche Angst, dass er anscheinend überlegte, sich bewaffnen zu müssen?! Mein Herz raste unaufhörlich. Ich wollte endlich wissen, was los war. Geräuschlos stemmte ich mich von der Bank auf und setzte in Zeitlupe einen Fuß vor den anderen. Endlich kam ich bei der Tür an. Ich lehnte mich nach vorn und schob vorsichtig die Jacke zur Seite, die den Spalt im Holz verdeckte. Ich hielt den Atem an, als ich hindurch sah und entdeckte, was Minho so beunruhigte: Es war der Mann aus dem Fahrstuhl! Um nicht loszuschreien, schlug ich mir schnell die Hände vor den Mund und wich so leise wie möglich nach hinten.


Wir hatten und schnell wieder auf die Bank gesetzt. Ich zitterte vor Angst und auch Minho schien es nicht besonders gut gehen. Seine Finger umklammerten fest meine Hand und sein Blick ruhte noch immer auf der Holztür. "Was will der von uns?!", flüsterte ich und Minho antwortete mir so leise wie möglich: "Ich weiß es nicht, aber es tut mir gerade wirklich leid, dass ich dir nicht geglaubt habe!". Okay, er war maximal beunruhigt! Normalerweise war er in den wildesten Situationen ruhig und dachte logisch, aber gerade gab er einfach so zu, dass ich recht hatte?! Das wühlte mich noch mehr auf und ich wollte am liebsten losheulen. Und weil das noch nicht schlimm genug war, hörten wir vor der Hütte plötzlich leise Schritte, die immer näher kamen. Meine Hände packten Minhos und wir rückten noch dichter zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen, starrten wir auf die paar Bretter, die uns von ihm trennten und hatten Panik, was als nächstes passieren würde. Die Schritte verstummten und wir waren uns sicher, dass der Mann nun direkt vor der Tür stand. Er hatte uns mit Sicherheit vom Hotel aus verfolgt. Ich hatte ja von Anfang an wieder dieses komische Gefühl. Das hat man davon, wenn man nicht auf sein Bauchgefühl hört! Ich betete, dass er einfach weitergehen würde, wenn er merkte, dass die Tür verriegelt war. Minho zerquetschte meine Hand förmlich, als der Mann draußen kräftig an der Tür rüttelte. Fast hätte ich vor Schmerzen aufgeschrien. Dann war draußen das erste mal seine Stimme zu hören: "Verdammte Scheiße!". Er klang genervt. War er es, weil er dachte, dass er uns verloren hatte oder weil er die Tür nicht aufbekam? Wenn er uns die ganze Zeit dicht auf der Fersen war, musste er wissen, dass wir hier drin saßen. Aber vielleicht hatte er uns zwischendurch auch aus den Augen verloren, weil ich mich so oft nach hinten umdrehte.


Erneut wackelte die Tür mit einem immer lauter werdenden Knarren und ich sah unsicher zu Minho rüber. Was, wenn die Bretter nicht länger halten würden? Was, wenn der kleine Riegel nicht standhalten würde? Ich wollte nicht grausam abgestochen werden! Mein Leben war so schön, seitdem Minho an meiner Seite war. Wieso wollte jemand mir das hier nehmen? Ich hatte doch niemandem etwas getan! Oder war der Typ vielleicht eifersüchtig auf uns? Weil wir so glücklich mit einander waren? Sollte er es uns doch einfach gönnen, dass wir uns so liebten! Mir war immer und immer mehr nach Heulen zumute. Minho hingegen schien langsam wieder ein paar erste Gedanken fassen zu können und es schienen nicht die Besten zu sein: Er stand vorsichtig von der Bank auf und sah zielsicher zu der Axt rüber. Ich zog an seinem Arm und sah ihn kopfschüttelnd an, als er zu mir hinab sah. Er zog die Schultern nach oben und sah mich an, als wolle er fragen: "Was sollen wir denn sonst machen?!". Dann rüttelte es wieder an der Tür. Wieso gab der Typ denn nicht auf?! Wer versucht denn bitte so oft, eine verschlossene Tür zu öffnen?! Dann passierte etwas noch Bescheuerteres: "Sind Sie da drin?", fragte unser Verfolger. Er zieht dreimal an der scheiß Tür und kommt erst dann darauf, nachzufragen, ob wir hier drin waren? Wie behämmert kann man denn sein?! Aber mal abgesehen davon: Was sollten wir jetzt tun? Antworten? Oder doch lieber darauf hoffen, dass er denkt, wir wären weitergegangen? Minho holte schon Luft, um ihm zu antworten und ich wollte gerade nach seinem Arm greifen, um ihn aufzuhalten, dabei machte ich eine zu hektische Bewegung, sodass die Bank einmal knackte und dann laut unter mir zusammenbrach. Ich landete unsanft auf meinem Allerwertesten, das war aber gerade mein kleinstes Problem. Von draußen rief es: "Sie sind also doch da drin!". Fuck! Jetzt wusste er definitiv, dass wir hier in der kleinen Hütte festsaßen. Mit drei großen Schritten eilte Minho auf die Axt zu, umfasste sie mit beiden Händen und ging dann auf die Tür zu.  ___________________________________________________________________________

"Be a good boy." - Teil 3 || MinsungWhere stories live. Discover now