Das Hotel - Part 5

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Bevor Minho die Tür aufreißen und unseren Verfolger in ungleichgroße Stücke zerhacken konnte, schaltete ich mich ein und rief: "Was wollen Sie von uns?". "Ich wollte.. Also das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, aber.. Sind Sie nicht der Gründer von Seduce?", kam es unsicher von der anderen Seite der Tür. Minho ließ die Axt mit einer Hand los und antwortete ihm: "Ja, das bin ich.". Es folgte kurze Stille. Der Typ kannte also Minhos Label. Das erklärte aber noch immer nicht wirklich, wieso er uns verfolgt hatte. "Ich.. Also... Ich wollte Sie etwas fragen!", drang es durch die morschen Bretter. Minhos Hand umschloss fest die Axt. Er überlegte einen Moment, bevor er den Riegel der Tür zur Seite schob und sie dann mit einem Ruck nach außen aufdrückte. Sichtlich überfordert, wich unser Gegenüber ein paar Schritte rückwärts, als er erkannte, was mein Dom in der Hand hielt. Beschwichtigend hob er die Hände etwas an und sagte: "Tut mir leid!". "Was wollen Sie von uns?", wiederholte Minho die Frage, auf die wir noch immer keine Erklärung geliefert bekommen hatten. Die Situation war angespannt und es baute sich immer mehr Unsicherheit in uns allen auf. Dann, mit einem mal, verbeugte sich der junge, gutaussehende Mann vor uns, drehte sich um und ging mit den Worten: "Ich belästige Sie nicht weiter!". Perplex schauten wir uns kurz an, dann stürmte Minho hinter ihm her - Wohl gemerkt noch immer mit der Axt in der Hand. "Hey! Bleiben Sie stehen!", rief er und löste blanke Panik in seinem Vordermann aus. "Oh Gott, bitte töten Sie mich nicht!", schrie der blonde Mann, während Minho ihm immer näher kam. Zwei brüllende Männer im Wald, von denen einer den anderen mit einer Axt verfolgt. Ich betete, dass niemand dieses Bild sah und die Polizei rief.


Mehrere Runden drehten Minho und der uns noch immer Unbekannte. Dann, als der Fremde sich kurz nach hinten umsah, blieb sein Fuß an einer Wurzel hängen und er fiel ungebremst zu Boden. "Bitte, tun Sie mir nichts!", flehte er Minho an, der sich über ihm positioniert hatte und nun mit der Axt in der Hand zu ihm runter sah. Ich hatte die ganze Zeit über das Spektakel von der Hütte aus beobachtet, doch nun eilte ich doch lieber dazu. "Sagen Sie mir endlich, was Sie wollen!", brüllte Minho ihn ungeduldig an. Der Mann unter ihm rollte sich auf die Seite und hielt schützend seine Arme vor seinen Kopf. Dann endlich rückte er etwas mehr mit der Sprache raus: "ich bin ein riesiger Fan Ihrer Mode!". Peinliches Schweigen machte sich breit. "Ein Fan?!", fragte ich ungläubig und nahm Minho erstmal die Axt aus der Hand. Der bedankte sich leise bei mir und hielt dann helfend seine Hand nach unten, um dem Mann das Aufstehen zu erleichtern. Mit einem Ruck zog er ihn auf die Beine und er klopfte sich erstmal grob den Dreck von seiner Kleidung. Ich musterte ihn dabei von oben bis unten. Als wir ihm das erste mal im Fahrstuhl begegneten, konnte ich ja nur einen kurzen Blick auf ihn werfen. Er hatte ein unglaublich hübsches Gesicht. Dunkle Augen, unter dem Linken ein kleines Muttermal. Seine Augenbrauen waren markant und er hatte volle Lippen. Sein Gesicht sah aus, wie gemalt. Um die Stimmung etwas aufzulockern, stellte ich mich einfach vor: "Ich bin Ha... Lee Jisung.". Verdammt! Ich hatte tatsächlich meinen alten Nachnamen sagen wollen. Offensichtlich etwas beruhigter, bekam ich von unserem Gegenüber eine Antwort: "Mein Name ist Hwang Hyunjin.". Als er zu Ende gesprochen hatte, zog er scharf die Luft ein und hockte sich auf den Boden. "Alles in Ordnung?", fragte Minho sofort und ließ sich neben ihm auf ein Knie nieder. Der junge Mann zog seine Hose ein Stück nach oben und schob seine Socke nach unten. "Ich bin eben umgeknickt, glaube ich.", sagte er und untersuchte seinen Knöchel. Minho sah zu mir auf und meinte: "Komm bitte her. Wir stützen ihn beide.". Sofort setzte ich mich in Bewegung und stellte mich auf die andere Seite.


Der Hinweg kam mir gar nicht so lang vor, aber jetzt, wo wir Hyunjin bis zum Hotel stützten, wurde mir bewusst, wie lange wir tatsächlich unterwegs gewesen sind. Minho und ich liefen logischerweise außen und aus der Mitte kamen ununterbrochen Entschuldigungen: "Es tut mir so leid! Ihr müsst das aber wirklich nicht machen, ich komme schon allein zurück!". "Hyunjin, tu mir einen Gefallen. Halt einfach die Klappe, bis wir zurück am Hotel sind, ja?", bat Minho ihn. Natürlich würden wir ihn nicht einfach so zurücklassen, auch wenn Minho das wohl insgeheim am liebsten getan hätte. Er hasste es, sich zu wiederholen. "Du sagtest vorhin, du bist ein Fan von Minhos Label, aber wieso hast du uns denn nun eigentlich verfolgt?", bat ich Hyunjin nochmals um Erklärung. Der schien daraufhin etwas rot anzulaufen und starrte beim Gehen vor sich auf den Boden, bevor er endlich komplett mit der Sprache rausrückte: "Also.. Ich bin ziemlich modebegeistert und bin durch Zufall auf die Homepage gestoßen. Und... Naja, ich... Ich...". "Sie?", forderte Minho ihn auf, endlich auszusprechen, was er wollte. "ICH MÖCHTE GERN FÜR SIE ARBEITEN!", schrie Hyunjin ihm quasi direkt ins Ohr, blieb dann abrupt stehen und kniff peinlich berührt die Augen zusammen. Wir hielten ebenfalls an und schauten uns - an Hyunjins Hinterkopf vorbei - kurz verwirrt an. "Sie möchten für mich arbeiten?!", wiederholte Minho etwas ungläubig. Hyunjin nickte stürmisch drauf los, entschuldigte sich dann im selben Atemzug wieder dafür, dass er überhaupt gefragt hatte. "Wir gehen jetzt erstmal zum Hotel zurück und schauen, wie wir Ihren Fuß verarztet bekommen. Dann unterhalten wir uns in Ruhe.", beschloss mein Dom und wir liefen weiter den rutschigen Waldweg entlang.


Mit mehreren Verschnaufpausen zwischendrin, hatten wir es endlich wieder ins Hotel geschafft. "Soll ich Ihrer Begleitung Bescheid geben?", fragte Minho höflich, wie er nun einmal war. "Nein, schon in Ordnung", bedankte sich Hyunjin und sein Blick verriet sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich wollte nur zu gern weiter nachfragen, aber es ging mich einfach nichts an. Noch immer auf uns abgestützt, hielt der Blonde die Schlüsselkarte an den Türöffner und wir konnten das Zimmer betreten. "Ah, das Bondage-Zimmer.", erkannte Minho sofort und schaute neugierig nach links und rechts. Hyunjin ließ sich aufs Bett fallen und ich fiel nicht unweit neben ihn. Mir tat alles weh. "Also, wieso ist man allein in einem solchen Hotel?", fragte mein Dom und sah Hyunjin direkt ins Gesicht. Der stammelte vor sich hin, woher Minho denn überhaupt wissen wolle, dass er allein hier war. "Nur ein Koffer, kein weiteres Paar Schuhe und dein Blick spricht Bände.", kombinierte Detektiv Lee aufmerksam. Hyunjin setzte sich auf, fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare und sagte dann mit einem gespielten Lächeln: "Tja, ich war wohl nicht gut genug. Wurde mit den Worten 'du bist mir zu lieb' einfach hier sitzen gelassen.". Was er sagte, traf mich direkt ins Herz und das, obwohl es mich nicht im geringsten betraf. "Wart ihr lange zusammen?", fragte ich vorsichtig, woraufhin er den Kopf schüttelte: "Nein, wir hatten uns erst relativ kurz vorher kennengelernt. Ich hatte extra das Zimmer hier gebucht, damit wir uns und unsere Vorlieben aufeinander abstimmen können. Aber hey, das Leben geht weiter!". Tränen sammelten sich in Hyunjins Augen und hätte ich ihn schon länger gekannt, hätte ich ihn sofort umarmt und ihm versichert, dass es okay ist, zu weinen! Wie konnte ein Mensch sowas nur tun?! Es ist ja völlig in Ordnung, sich zu trennen, aber man sollte doch dem Ganzen eine Chance geben, wenn nicht auf Anhieb alles reibungslos läuft! Minho setzte sich zu uns aufs Bett und legte seine Hand auf Hyunjins Schulter. "Du verdienst es, geliebt zu werden.", sagte er mit weicher Stimme und löste damit einen von vielen Heulkrämpfen beim Blonden aus.


Mein Gewissen ließ es nicht zu, Hyunjin allein zu lassen. Ja, es waren meine Flitterwochen, aber die konnte ich auch später noch genießen. Wenigstens gemeinsam essen wollten wir. Außerdem war doch so eine Art von Hotel auch eine tolle Gelegenheit, neue Menschen und ihre Vorlieben kennenzulernen! Auch Minho bestand darauf, dass Hyunjin mit uns gemeinsam aß und so saßen wir nun zu dritt an einem der ordentlich gedeckten Tische. "Also dann. Du willst für mich arbeiten?", griff Minho das Thema auf, weshalb Hyunjin überhaupt erst auf uns aufmerksam wurde. Schüchtern nickte er. "Und als was?", bohrte mein Dom weiter nach und es herrschte eine Weile Stille. Der Blonde sah etwas ratlos aus, als wüsste er nicht, was er antworten sollte. Er überlegte und überlegte. "Hallo? Erde an Hyunjin!", meinte ich und winkte mit meiner Hand dicht vor seinem Gesicht hin und her. "Ähm, also.. Ich weiß es nicht.", gab er peinlich berührt zu. Ich sah zu Minho rüber und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Der verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an den Stuhl und sagte: "Okay. Du fängst nächsten Montag an.". Meine Gesichtszüge entgleisten komplett und ich verstand gerade die Welt nicht mehr. Er wollte ihn einfach so für irgendwas einstellen? Ohne Plan? Ohne ein mindestens dreistündiges Vorstellungs-Verhör? War er besoffen?! Ungläubig sah ich ihn an und wurde direkt gefragt, ob ich ein Problem damit hatte. "Nein, das nicht, es ist nur.. Das ist irgendwie ziemlich untypisch für dich.", kommentierte ich meine Gedanken und erntete sogar Zustimmung: "Ja, das stimmt. Aber ich habe bei ihm ein gutes Gefühl. Wer so mutig ist, jemanden in den tiefsten Wald zu verfolgen und sich sogar mit einer Axt bedrohen zu lassen, der meint es wohl ziemlich ernst.". Hyunjin schlug sich mit hochroter Birne die Hände vors Gesicht und betonte, wie dämlich das von ihm war. Ich nickte ihm zu und Minho sagte: "Kann man so sagen. Jisung ist wegen dir fast vor Panik gestorben.". "Du selbst warst irgendwann auch nicht besser!", maulte ich etwas patzig zurück. "Ich habe mich da einfach ein wenig von dir mitreißen lassen. Ich wollte ihn ja schon ansprechen, aber du hast es mir ja verboten.", entgegnete er und löste Verwirrung bei seinem Gegenüber aus: "Moment, ich hatte gedacht, du bist der dominante Part von euch beiden?!" - "Das bin ich auch!" - "Aber du lässt dir von Jisung etwas verbieten?" - "Ach, das hat doch nichts miteinander zu tun!". Schweigen. Dann prustete ich vor Lachen laut los. "Seit wann beschäftigst du dich mit BDSM?", fragte Minho locker und Hyunjin überlegte ein Weilchen: "Seit ein paar Monaten." - "Ich glaube, du kannst noch einiges von mir lernen.", versprach Minho ihm nicht zu viel.   


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"Be a good boy." - Teil 3 || MinsungOù les histoires vivent. Découvrez maintenant