5 - Trotz

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„Oh, Himmel. Entschuldigt. Das hat länger gedauert. Rasin, du hast Kaffee aufgesetzt! Ich danke dir. Auch für Evas Führung durchs Haus." Ihr Kopf war automatisch herumgeflogen, als die Heimleitung den Raum betreten hatte und sie ahnte, dass es jetzt noch unangenehmer werden würde. Reflexartig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „War alles ok, Eva? Konntest du dir einen Eindruck machen?"

Sie machte einen zustimmenden Laut und bemerkte, wie der Kerl seine Stirn runzelte, während sich sein Gesicht umwölkte. Was leider auch der Sozialarbeiterin auffiel, die ihn sofort ins Visier nahm, während sie eine Akte auf den Tisch legte. Auf der Evas Name prangte. Super. „Rasin? Gab es einen Vorfall?"

Eva funkelte ihn an, ehe sie sich zusammenriss und den Blick auf die Tischplatte senkte. Er hielt wohl nichts davon, einfach seine Schnauze zu halten, denn er zuckte mit den Schultern und schaute die Heimleitung an. „Gab Zusammenstoß mit Kalim."

„Inwiefern?" Die Stimme von Frau Lothar klang lauernd und Eva dachte sich, dass sie gepaart mit dem unerbittlichen Ausdruck in ihren Augen durchaus respekteinflößend wirken konnte. Sie wüsste gerne, was der Halbaffe in seinem Muftidufti gesagt hatte, aber so, wie der Kerl vor ihr reagiert hatte, war es wohl nicht sonderlich nett gewesen. Wenn sie ehrlich war, schlotterten ihr immer noch die Knie. Doch das würde sie niemals zugeben.

„Sagen wir so, ist besser, wenn Ewa nicht alleine ist hier." Jetzt ruckte ihr Kopf doch hoch und sie schaute erschrocken von einem zum anderen.

„Wieso? Was hat Kalim gesagt?" Sie hätte nicht gedacht, dass die Sprachmelodie der Sozialarbeiterin noch schärfer klingen könnte, doch Frau Lothar belehrte sie eines besseren. Währenddessen schaute der Kerl sie an, ehe er ihrem Blick auswich. Was?

„Ist nicht wichtig. Wie gesagt, habe ich geklärt. Trotzdem wollte ich sagen, dass besser, wenn ist sie nicht allein." Eva sah im Augenwinkel, dass Frau Lothar ihn mit einem skeptischen Blick bedachte, ehe sie seufzend nickte. Was den Halbaffen wohl ermutigte, weil er ihr eine Tasse reichte und sich dann auf einen der Stühle fallenließ. „Haben Sie getroffen Sya? Aliya ist immer noch krank."

Obwohl sie sich sagte, dass sie das alles nichts anging, hob sie automatisch den Kopf und bemerkte, dass die Sozialarbeiterin jetzt betroffen wirkte, während sie verneinte. „Danke, Rasin. Armes Mäuschen. Ich habe wirklich gehofft, die Bananen oder die geriebenen Äpfel verschaffen ihr Erleichterung. Dann rufe ich sofort den Arzt für die Kleine. Das heißt heute für mich wohl, dass ich mich durch den Papierkrieg grabe, damit Aliya gesund werden kann. Doch der kann warten, bis ich nochmal mit Kalim gesprochen habe." Ein Seufzen drang über die Lippen der Heimleitung und Eva sah, wie sie ein Telefon hervorzog und eine Nummer wählte.

Kurze Zeit später hörte sie, wie Frau Lothar vereinbarte, dass noch am heutigen Vormittag ein Arzt für das Mädchen vorbeikam. Der Kerl vor ihr hatte derweil seinen Blick in seinen Kaffee gesenkt und tippte mit dem Zeigefinger gegen die Becher. Seinen Mittelfinger hatte er in den Henkel verschlungen. Er wirkte nachdenklich. Irgendwo in ihr hallte die Frage, was ihn bedrückte. Doch dann riss sie sich zusammen. Es ging sie nichts und es sollte sie auch nicht interessieren.

„So, Eva. Heute läuft alles quer, aber jetzt bin ich für dich da." Aus ihren Überlegungen gerissen, flog ihr Gesicht der Heimleitung zu, die sich entspannt auf ihrem Stuhl zurückgelehnt hatte. „Normalerweise sind die Arbeitstage nicht so chaotisch, aber da habe ich für gewöhnlich niemanden da, dessen Auftauchen vom Gericht überwacht wird."

Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Augen zu dem Kerl wanderten, der ihrem Blick ruhig begegnete. Als hätte die Heimleitung ihm gerade nicht offenbart, was es mit ihr auf sich hatte. War das da Interesse, das aufblitzte? „Sei es drum. Ok, Eva. Erzähl mir etwas von dir."

Anlaufnehmen - Fliegenlernen - DurchstartenWhere stories live. Discover now