7| Nur, wenn du das auch so siehst natürlich

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Ich hetzte aus der Toilette und stolperte auf den Korridor.
Ich war sowieso schon zu spät dran und dann musste ich mich auch noch in meine College Uniform zwängen.
Ich rannte durch die Uni bis ich schließlich komplett außer Puste vor der Tür meines Hörsaals ankam.
Leise öffnete ich sie und schlich mich hinein.
Es dauerte lange, bis ich Claire zwischen all den anderen Studenten erspäht hatte.
Ich quetschte mich durch die Reihen und ließ mich neben ihr auf den Sitz fallen.
Der Schweiß rannte mir die Stirn herunter.
„Wo bist du gewesen?! Warum meldest du dich nicht?!", zischte diese leise, aber sichtlich sauer.
„Tut mir leid", flüsterte ich zurück. „Ich muss dir so viel erzählen!"
Da war Claire natürlich wieder ganz Ohr.
Während ich alles von gestern abend und heute schilderte, fiel ihr Mund immer ein Stückchen weiter auf.
„Ihr habt euch geküsst?!", sagte sie fassungslos etwas zu laut.
„Entschuldigung"?, der Prof hielt mitten in seinem Monolog inne und sah uns verärgert an. Ich rutschte beschämt etwas tiefer auf meinem Sitz und boxte Claire gegen die Schulter.
„Spinnst du?! Doch nicht so laut!"
„Sorry", gab Claire zurück. „Ich kann es nicht fassen, ihr habt euch geküsst, ich flipp gleich aus!"
Ich gestikulierte ihr leise zu sein, da ich mich nun endlich auf die Vorlesung konzentrieren wollte.
Als wir einige Zeit später Richtung Cafeteria spazierten, ließ Claire nicht mehr locker, sie wollte nun unbedingt ein Foto von ihm sehen.
„Komm schon, ich bin deine beste Freundin, warum hälst du so etwas wichtiges vor mir geheim?", sagte sie fast schon beleidigt.
Ich biss mir auf die Lippe.
Eigentlich war ich so überglücklich, dass ich es direkt in die Welt hinaus schreien wollte, auf der anderen Seite musste ich wirklich vorsichtig sein, Tom war einfach sehr bekannt.
„Na gut", gab ich schließlich klein bei, als wir mit unserem Tee und einem Stück Kuchen an einem Tisch am Fenster saßen.
Draußen regnete es stark.
„Bitte bitte sei nicht geschockt, du wirst ihn kennen", warnte ich Claire schon einmal vor.
„Wie kennen? Ich dachte, es ist niemand von der Uni", fragte sie ungläubig, dann sagte sie vor Erstaunen gar nichts mehr, als ich ihr ein Bild von Tom vorhielt.
„Du verarscht mich", sagte sie schließlich und blickte zwischen dem Bild und mir hin und her.
„Nein ich schwörs dir. Das Bild hab doch ich sogar gestern gemacht.", meinte ich und blickte nun selber auf das Foto, welches Tom lächelnd in seiner Küche zeigte.
Claire atmete erstmal tief durch.
„Ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit".
Sie nahm einen großen Schluck Tee.
„Ist das jetzt gut oder schlecht?", fragte ich zögernd.
„Ultra geil natürlich!"
Wir lachten.
Der Rest des Nachmittags ging eher schleppend vorbei.
Ich war eigentlich immer jemand, der gerne in Vorlesungen ging und sogar danach nach in der Uni blieb, um zu lernen, doch mit dem Gedanken, nacher wieder bei Tom in den Armen zu liegen, wurde ich immer hibbeliger.
Am frühen Abend liefen Claire und ich endlich gemeinsam aus der Uni. Es war schon dunkel geworden und ein starker Wind wehte.
„Und was steht heute bei euch zwei an?", fragte Claire interessiert, als wir endlich in der U-Bahn saßen.
„Keine Ahnung um ehrlich zu sein, wir haben nichts abgemacht."
Ich sah auf meinem Handy eine Nachricht von Tom, zuerst wollte ich sie direkt lesen, doch dann verschob ich das auf später und wischte sie weg.
Ich wollte nicht, dass Claire dachte, sie stehe nun an zweiter Stelle, weil ich nun einen Freund hatte, es tat mir schon wahnsinnig leid, die ganze Zeit nicht auf ihre Nachrichten geantwortet zu haben.
Moment, war er überhaupt mein Freund?
„Hey schau mal!", Claire stubste mich an und deutete auf den kleinen Bildschirm in der Bahn, auf dem immer die aktuellen Nachrichten liefen.
Nun zeigte er einen Reporter, der vor einem abgesperrten Bereich stand, überall Polizei.
Darunter lief ein rotes Band mit der Aufschrift: „Bluttat an U-Bahn Station neben dem Imperial College, zwei Studenten schwer verletzt, eine Studentin  tot.
Schockiert sahen wir uns an. Das war meine Haltestelle.
Ich war es gewohnt, dass in London viele gefährliche Sachen passierten, aber doch nicht direkt vor meiner Haustür!
Da die Station noch abgesperrt war, musste ich eine früher aussteigen und den ganzen Weg durch den Regen laufen.
Ich hatte ein mulmiges Gefühl.
Daheim sprang ich erstmal schnell unter die Dusche, ich war vom Regen völlig durchnässt.
Auf Toms Nachrichten zu antworten vergaß ich in der Eile total.
Ich wollte einfach nur so schnell wie möglich zu ihm.
Fertig angezogen und meine Tasche gepackt entschied ich mich dafür, mit dem Auto zu Tom zu fahren.

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