Die Rote Dame - 1

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"Einen Espresso bitte." Die Kellnerin nickte und machte sich davon. Wie so oft war das Cafe viel zu überfüllt, sodass die wenigen Angestellten ihr tun hatten, allen gerecht zu werden.

Doch trotz der beachtlichen Menge, die sich in das kleine Cafe drängte, war es einer seiner Lieblingsorte. Denn komischer Weise, war das Cafe, trotz des großen Ansturms, ein ruhiger Ort - hier konnte er entspannen und bei einer Tasse Kaffee ein Buch lesen.

Tief sog er den Duft seines neuen Buches ein, welcher sich mit dem von frischen Kaffeebohnen mischte.

Gerade wollte er sich dem Buch hingeben - voll und ganz in seiner Geschichte versinken, da erblickte er sie über dem Buchrand.

Die junge Frau war das erste Mal hier, dessen war er sich sicher. Dennoch wirkte sie nicht orientierungslos. Sie wusste genau wo sie hinwollte. Selbstbewusst schritt sie über die Türschwelle, als wenn sie es bereits seit mehreren Jahren täte, und setzte sich an den einzig freien Tisch des Cafes.

Und es war, als hätte dieser nur auf sie gewartet. Als wäre das Bild erst jetzt komplett.

Wie alt sie wohl sein mochte, fragte er sich. Woher sie kam und wie sie wohl hieß.

Alles Fragen, die er sicherlich nie beantwortet bekommen würde. Aber das kannte er ja schon. Es war nun definitiv nicht so als hätte er es nicht bereits öfter probiert.

Aber da war er stets auf Abweisung getroffen, weshalb er sich angewöhnt hatte seine Neugier zurück zu halten. Sie kam nämlich offensichtlich nicht gut an.

Er wollte also seinen Blick von ihr abwenden, sich auf sein Buch fokussieren und die Sache vergessen, wie er es trainiert hatte - doch es gelang ihm nicht. Dieses Mal schaffte er es nicht. Zu stark war seine Faszination von ihr.

Wie sie ihren roten Mantel abstreifte, der viel zu warm sein müsste, für den dieses Jahr viel zu warmen Frühling. Oder wie sie ihre blonden Haare über die Schulter warf. Und ihr Wimpernaufschlag erst.

Ob sie wohl einen Mann hatte? Unwahrscheinlich war es wohl nicht.

Aber auch das würde er nie erfahren.

Verblüfft über sich selbst, sowie seine Begeisterung für diese Frau schüttelte er den Kopf und zwang sich nun zu lesen. Es gab schließlich nichts unhöflicheres als Starren und er hatte eine gute Erziehung genossen.

Doch hin und wieder, wenn er eine Seite umblätterte, sah er zu ihr hinüber. Wieder und wieder, bis sie nach einer Weile wieder durch die Tür verschwand - eben so anmutig und Zielorientiert, wie sie das Cafe wenige Stunden zuvor betreten hatte.

SammelsuriumWhere stories live. Discover now