Sonnenaufgang

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Es war noch dunkel, als sie ihre Hotelzimmer verließen und der Straße runter zum Strand folgten.

Sie waren noch Fremde, als sie sich in der Lobby begegneten. Fremde, mit demselben Ziel: Der Sonne beim Aufsteigen zuzusehen.

Sie schenkten einander keinerlei Beachtung, als sie gemeinsam den Strand erreichten.

Zu fokussiert waren sie auf ihr Ziel. Zu verloren waren sie in den eigenen Gedanken, als dass sie hätten einander auffallen können.

Doch sie beide bestritten denselben Weg und setzten sich, nur wenige Meter voneinander entfernt, in den kühlen Sand.

Wellen rauschten und bahnten sich ihren Weg an Land, klatschten gegen die hölzerne Seebrücke, schafften eine Atmosphäre.

Ihr Haar zerzauste im Wind und sie schlang sich die Jacke etwas enger um die Taille. Er dagegen gab sich der Kälte hin, sie ließ ihn fühlen.

Und dann war es so weit. Am Horizont erschien die Sonne. Erste Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem Wasser wider, ließen es leuchten. Rot brannte der Himmel.

Und immer mächtiger wurde die Sonne, immer mehr Raum nahm sie für sich am Horizont und immer heller ward es. Bald schon schien das ganze Meer zu glitzern.

Und die beiden Fremden?

Sie reckten ihre Nase der Sonne entgegen, ließen sich von ihr streicheln. Eben wie das Meer, dass sich derweil beruhigt hatte. Und auch der Himmel erschien nun nur noch rosa.

Während eben noch die gesamte Welt getobt hatte, erschien jetzt plötzlich alles ruhig.

Und so kam es, dass sich ihre Blicke begegneten. Vorher waren sie sich nicht aufgefallen - vorher war es so laut.

Doch jetzt in der unendlchen Stille, kamen sie sich näher. Es war wie ein Zauber, der beide berührt hatte.

Als hätte er nie etwas Schöneres gesehen, weiteten sich seine Augen. Wie in Zeitlupe schien er aufzustehen, um dann seinen Weg zu ihr zu finden.

Wie selbstverständlich griff sie nach seiner Hand und er half ihr hoch. Schüchtern standen sie sich gegenüber. Sie waren ganz allein, nur die Sonne schaute zu und wärmte ihre Gesichter.

Sie waren noch Fremde, als sie sich in der Lobby begegneten. Als sie jedoch zurückkehrten, waren sie einander nicht mehr fremd und keiner der Beiden bereute seinen Ausflug.

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