Zeit des Vergessens - 4

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Anders als erwartet, empfing Noah ein Gefühl von Nichts. Die Tür fiel hinter im ins Schloss und eine seltsame Leere machte sich in ihm breit.

Wie ein Tuch legte sie sich erst über sein Haupt, dann über sein Herz, dass seltsam zu ziehen begann, als würde es erdrückt.

Auch der Geruch war anders als erwartet. Es roch nach gar nichts, obwohl es sich auf den ersten Blick um ein Arztzimmer zu handeln schien. Die weißen Wände, die saubere Ablage, auf der verschiedene Fläschchen mit unterschiedlichen Farben und einige Spritzen sorgsam angeordnet waren, bestätigten seine Theorie. Auch der ältere Mann im weißen Kittel, gab sich als Arzt. Noah hatte also eher den Duft von Desinfektionsmitteln oder etwas dergleichen vermutet - aber nein.

Die Miene des Arztes war ausdruckslos, als er Noah auf die Liege in der Mitte des Raumes verwies. Der senfgelbe Bezug, stand im harten Kontrast zur sonst schlichten Einrichtung.

Ein ihm unbegreifliches Gefühl ließ Noah zögern. Er wollte zurück, doch als er sich umdrehte, war die Tür, durch die er gerade noch hineingetreten war, verschwunden. Es gab keinen Ausweg. Nicht einmal Fenster.

Das war also der Punkt, an dem sich sein Traum in einen Albtraum verwandelte. Jetzt hieß es: Schnell aufwachen!

Noah kniff die Augen zusammen, wünschte sich neben Adriana aufzuwachen, sie in den Arm zu nehmen und ihr dann die geliebten Croissants zu holen. Nichts geschah.

"Bitte." Erneut verwies der Alte auf die Liege.

"Was ist das hier?", krächzte Noah und verfluchte sich für das unsicher Auftreten. Das hier war sein Traum, er müsste also der Leiter der Vorgänge sein. Würde er doch endlich aufwachen.

Der Arzt schmunzelte und fuhr sich langsam über den langen weißen Bart. "Leg dich erst einmal hin, dann erkläre ich dir gerne alles." Der tiefe Klang seiner Stimme, versetzte Noah in seine Kindheit zurück. Damals hatte sein Direktor in diesem Ton mit ihm, immer kurz bevor er ihn tadelte, gesprochen.

Das hier konnte nichts Gutes bedeuten. Würde er doch bloß endlich aufwachen!

"Ich ... nein." Noah richtete sich auf und blickte dem Arzt mutig entgegen. "Nein, ich werde mich nicht hinlegen, bevor ich nicht erfahre, was das hier soll." Der Gedanke, das Adrianas Arme, ihr Duft, ihn nach diesem Traum erwarten würden, bestärkte ihn. Das war sein Unterbewusstsein und er würde es verdammt noch mal leiten.

Selbstbewusst ging Noah zur Ablage, um die Fläschchen genauer zu betrachten. Sie erinnerten ihn an die Dinger, in denen Impfstoff aufbewahrt wurde. Wollte der Alte ihm etwas davon spritzen? Zu welchem Zweck?

Beim näheren Betrachten fiel Noah auf, dass sie beschriftet waren. Da standen Namen. Bruce Deckert. Luisa Ritter. Florian Becker. Noah Lind. Vorsichtig griff er nach seinem Fläschchen. Die Flüssigkeit darin schimmerte bläulich. Was war das?

"Wenn sie einmal dabei sind, wollen sie nicht weiterlesen?" Noah erschrak. Er hatte ganz vergessen, dass er nicht allein war.

"Keine Scheu. Lesen sie!" Noah nickte schnell und folgte der Anweisung des Arztes.

Noah Lind. Soweit hatte er bereits gelesen, doch auf dem Klebezettelchen stand mehr, was Noah zuvor nicht ins Auge gefallen war. Hinter seinem Namen war ein Pfeil, dahinter ein weiterer Name:

Sam Guber.

SammelsuriumWhere stories live. Discover now