Kapitel 4

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„Darf ich erfahren, was genau du tust?", fragte der Fremde, seine Stimme klang rau und tief. Ein Schauer fuhr durch meinen Körper und ich schob es erst einmal auf die Angst.

Ich schluckte und brauchte einen Moment, ehe ich meine Sprache wieder fand. „Ich würde ja behaupten, dass ich dich rette, doch wie es scheint, geht es dir prima", murmelte ich und unterdrückte den Drang, noch einen Schritt zurückzutreten. Er war gefesselt und würde mir nichts tun können.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, richtete er den Blick auf seine Handgelenke und rüttelte am Bettgestell. Aber anscheinend war ich doch nicht ganz unfähig, denn es gelang ihm nicht, sich zu befreien.

„Mach mich los", knurrte er und sah mich wieder an. Seine Augen schienen förmlich Funken zu sprühen und wirkten doch so kalt, dass sich eine Gänsehaut auf meinen Armen ausbreitete.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und überlegte einen Moment, ob ich ihm nicht einfach wieder eine überbraten sollte. Doch ich ließ es und erwiderte einfach nur: „Nein."

„Mach mich los", wiederholte er und ließ das Gestell des Bettes gefährlich wackeln. Doch ich dachte gar nicht daran, ihn loszumachen, immerhin war ich nicht ganz lebensmüde.

„Definitiv nicht", beharrte ich und trat mutig, oder dumm, einen Schritt auf ihn zu. „Ich werde gar nichts machen. Nicht, bis du mir gesagt hast, was du von mir willst."

Er lachte rau auf, doch es klang alles andere als erfreut und murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin.

„Wie war das?", fragte ich und war tatsächlich so dumm, mich wieder direkt neben ihn zu stellen.

„Ihr Menschen", knurrte er und hob leicht den Kopf an. „Du hast keine Ahnung, wer ich bin. Und jetzt mach mich los oder du wirst es bereuen."

Fassungslos sah ich ihn an, bevor ich den Kopf schüttelte und laut loslachte. „Das werde ich nicht tun", entgegnete ich ihm. „Was machst du in meinem Haus?"

Er antwortete nicht, sondern ließ seinen Kopf wieder zurück ins Kissen fallen. Wie es aussah hatte er dabei Schmerzen, denn er verzog gequält das Gesicht. Ich sah zwischen ihm und dem Zeug auf dem Nachttisch hin und her und seufzte dann.

„Wenn du auch nur irgendwas versuchst, hau ich dir die Lampe über den Kopf", drohte ich ihm an, ehe ich mich wieder auf die Bettkante fallen ließ und nach einem neuen Wattestäbchen griff.

Weder lachte er, noch erwiderte der Fremde irgendetwas auf meine Drohung. Doch er versuchte auch nicht noch einmal, seine Handgelenke zu befreien, also sah ich dies als kleinen Erfolg für mich. Stumm schmierte ich ein wenig Creme auf das Stäbchen, bevor ich meine Arbeit fortsetzte, die er so abrupt unterbrechen musste. Ich hörte ihn scharf die Luft einziehen, als ich über die Wunde an seiner Stirn fuhr, doch er sagte nichts.

„Also noch einmal und jetzt wäre es schön, wenn du mir endlich antworten könntest", fing ich leise murmelnd an, war völlig konzentriert. „Was machst du in meinem Haus und was willst du von mir?"

Einen Augenblick lang sagte er gar nichts mehr und beinahe rechnete ich gar nicht mehr mit einer Antwort. Dann jedoch erklang ein leises Seufzen aus seinem Mund. Sein Atem streifte meinen Unterarm und hinterließ ein Gefühl, das ich kaum einordnen konnte.

„Ich wurde verletzt", meinte er leise und sorgte so dafür, dass ich in meiner Bewegung innehielt und mit hochgezogener Augenbraue zu ihm heruntersah.

„Das ist offensichtlich", erwiderte ich und sah wieder in seine blauen Augen. Es war absurd, wie intensiv sie auf mich wirkten. Welcher Mensch hatte solch blaue Augen? Ich schluckte und wandte mich von ihm ab. Das Stäbchen warf ich einfach auf den Nachttisch. „Doch anstatt zum Arzt oder in ein Krankenhaus zu gehen, hast du es für eine bessere Idee gehalten, hier einzubrechen?"

Falling  *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt