Kapitel 15

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Der weiße Schnee knirschte unter den dicken Sohlen meiner Stiefel. Ein kalter Wind kam auf und wehte mir einige weiße Flocken ins Gesicht. Doch ich merkte es kaum. Ich merkte schon seit einiger Zeit kaum noch etwas. Fühlte mich gänzlich leer.

Ich seufzte laut und mein warmer Atem bildete weiße dünne Wölkchen in der Luft. Drei Monate waren vergangen, seit die Avengers in meinem Haus aufgetaucht sind und mir den Sinn meines Lebens entrissen hatten. Es mag übertrieben klingen, immerhin hatte ich mehr Zeit ohne Loki verbracht, als mit ihm. Doch allein die Erinnerung daran schnürte mir die Luft ab. Es war einfach nicht fair und egal, wie lange ich darüber nachdachte, ich konnte einfach nicht erkennen, welchen Sinn das alles gehabt haben sollte. Ich war nie sonderlich religiös gewesen, aber mittlerweile wusste ich, dass Götter existierten und fragte mich, was ich in meinem Leben verbrochen hatte, um so bestraft zu werden.

Zitternd vergrub ich meine Hände in den Taschen der dicken Daunenjacke und stapfte immer weiter geradeaus. Zwischen den hohen Bäumen konnte ich allmählich mein Haus entdecken und atmete laut seufzend aus. Die Einsamkeit fühlte sich dort nur noch schlimmer an. Jeder Raum, jeder noch so kleine Zentimeter, war durchtränkt von Erinnerungen an eine kurze, wunderbare Zeit.

Ich pustete mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und dachte an die zerstörte Wand im Schlafzimmer. Nur wenige Stunden, nachdem Loki weg war, kam ein Einsatzteam, Damage Control genannt, und schloss das Loch schneller, als ich es überhaupt realisieren konnte. Es war beinahe, als wäre nie etwas geschehen. Doch ich sah den Unterschied. Den Gedanken verwerfend bahnte ich mir meinen Weg über den Pulverschnee und zwischen den kahlen Bäumen hindurch.

Endlich angekommen, drehte ich den Knauf der Eingangstür und schritt ins Innere. Ich machte mir schon lange keine Mühe mehr, überhaupt noch abzuschließen. Wer wirklich reinkommen wollte, der ließ sich auch von einem mickrigen Schloss nicht aufhalten. Und momentan konnte ich auch nicht behaupten, dass es mich überhaupt noch interessierte.

Ich warf einen Seitenblick auf das Festnetztelefon, dass ich mir vor einigen Wochen gekauft hatte und sah eine kleine rote Lampe aufleuchten. Jemand hatte mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Genervt verdrehte ich die Augen. Seit fast zwei Monaten verzichtete ich auf mein Handy, welches mittlerweile in meiner Sockenschublade vor sich hingammelte. Die ständigen Nachrichten von Esther, die ich immer wieder blockierte, gingen mir tierisch auf die Nerven. Doch irgendwie hatte sie es ständig mit einer neuen Nummer versucht. Wenn sie etwas wollte, konnte sie wirklich hartnäckig sein. Aber mir konnte mittlerweile nichts mehr egaler sein als das. Abgesehen davon wollte ich nicht dauerhaft in Versuchung kommen, das Internet nach einem Lebenzeichen von Loki zu durchforsten. Er würde nicht zurückkommen.

Ein weiterer Grund war dessen Bruder, der seit jener schicksalhaften Nacht es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatte, mir mit seinen Anrufen und Nachrichten tierisch auf die Nerven zu gehen. Ob es ein schlechtes Gewissen war oder er sich dazu verpflichtet fühlte, sich an Lokis Stelle um mich zu "kümmern", wusste ich nicht. Vielleicht traf auch beides zu, doch das konnte er sich in sein durchtrainiertes Hinterteil schieben.

Das waren auf jeden Fall die Hauptgründe dafür, dass ich nun einen Festnetzanschluss und ein Telefon besaß, auf das jede Oma stolz wäre.

Mit einem Blick auf das leuchtete Lämpchen, zog ich meine Jacke aus und riss mir meine Wollmütze vom Kopf. Beides warf ich achtlos über den Beistelltisch neben der Tür, ehe ich zum gegenüberliegenden Regal stapfte. Seufzend drückte ich auf den Kopf und eine Sekunde später durchschnitt die elektronische Stimme der Ansage die Stille im Haus.

„Sie haben... drei... neue Nachrichten", erklang die monotone Frauenstimme des Anrufbeantworters, ehe auch schon die erste Nachricht wiedergegeben wurde.

Falling  *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt