Kapitel 2

26 6 3
                                    

Als das letzte Schulklingeln der Woche ertönte, packte ich erleichtert meine Sachen zusammen und machte mich auf den Weg zu meinem Spind. Naomi und Franzi hatten sich schon eilig zu einem spontanen Stadtbummel verabschiedet. Auf die Frage meiner besten Freundinnen, ob ich mitkommen wolle, hatte ich nur den Kopf geschüttelt. Heute in der Pause war einfach zu viel passiert. Ich konnte nur hoffen das Fynn nicht irgendwo auf meinem Heimweg lauerte und mich wieder belästigte. Es war Freitag Mittags und ich wollte einfach nur nach Hause und mich in meine Zeichnungen stürzen, so konnte ich immer am besten nachdenken. Von Weitem konnte ich schon Daemon entdecken, der gelangweilt an den langen Spindreihen lehnte und die hinausrennenden Schüler beobachtete, die sich durch die Menschenmenge eilig nach draußen zu zwengen versuchten. Er wartete auf irgendwas oder irgendwen. Mich?
Bei ihm angekommen hob er überrascht den Kopf. Er hatte mich nicht kommen sehen. Schon beim ersten Blick, als ich ihm in die Augen sah, merkte ich das etwas nicht stimmte. Er wich mir aus und brach den kurzen Augenkontakt ab. Ihn beschäftigte etwas, das sah ich ihm direkt an.
"Beeil dich, ich bringe dich nach Hause", murmelte er mir zu. Wollte er reden? Endlich?
Daemon hatte mich schon lange nicht mehr nach Hause begleitet, um genau zu sein seit 4 oder 5 Monaten nicht mehr. Früher sind wir immer zu dritt mit Sarah gelaufen, da wir den gemeinsamen Heimweg hatten.
"Nicht nötig..."
"Doch, was soll ich machen wenn dieser Idiot dich wieder belästigt? Der ist zu allem fähig, pass in Zukunft besser auf", fiel er mir ins Wort.
Ich nickte nur langsam. Ich hatte geglaubt, ich würde Fynn in den Griff kriegen aber der war so unberechenbar, das ihm ständig etwas Neues einfiel, wie er mich aufregen konnte. Dabei wusste ich nichtmal was er damit zu bezwecken versuchte.

Wir standen noch eine Weile da, bis sich die Menschenmenge gelegt hatte und sich alle Schüler nach draußen gequetscht hatten. Gemeinsam gingen wir den langen Flur entlang, auf den Ausgang unsere Schule zu. Als keiner etwas sagte, auch als wir mittlerweile schon quer über den Schulhof und aus dem Schultor getreten waren, wurde die Stille unangenehm. Als ich das Schweigen nicht mehr ertragen konnte, räusperte ich mich um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Doch Daemon bemerkte es nicht einmal. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein.
Ich stupste ihn von der Seite an um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er zuckte zusammen und starrte mich erschrocken an, ehe sein Blick wieder kühl wurde.
"Was?", fragte er barsch.
Sein aggressiver Unterton würde sicher die meisten Mädchen einschüchtern, aber mich nicht. Dafür kannte ich ihn zu gut. Ich konnte nur vermuten woran er gerade dachte.
"Woran denkst du? Du bist komplett abgedriftet..", begann ich zaghaft. Ich wollte ihn nicht direkt darauf ansprechen, das würde ihn nur noch mehr verletzen.
"Nichts, nur bisschen nachgedacht"
Ich merkte wie unangenehm ihm die Situation war, also wechselte ich das Thema:
"Wo sind Chris und Steve?"
"Fußballtraining" Er war nur kurz angebunden und schien mit seinen Gedanken auch wieder ganz woanders zu sein. Also verwarf ich alle meine Ideen für eine gute Unterhaltung und hielt einfach meine Klappe. Heute würde es eh nichts mehr bringen, zu versuchen ein Gespräch aufzubauen.
Umso erstaunter war ich, als er plötzlich anfing zu reden:
"Wie geht's dir eigentlich?", begann er.
"Ganz okay, wieso?" Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
"Keine Ahnung. Habe mir bisschen Sorgen gemacht wegen Fynn. Empfindest du noch etwas für ihn? Wieso lässt du das mit dir machen und wehrst dich nicht. Habe in der Pause genau gesehen, wie unwohl du dich gefühlt hast."
Überrumpelt von dem plötzlichen Themenwechsel blieb ich wie angewurzelt stehen und überlegte fieberhaft was ich antworten sollte.
"Ich habe mich ja gewehrt aber er ist zu stark, und nein, ich habe keine Gefühle mehr für ihn. Und das schon lange nicht mehr." Das Thema stieg mir zu Kopf.
Da hatte ich einmal Daemons Aufmerksamkeit und es ging wieder um Fynn. Frustriert kickte ich einen Stein aus dem Weg. Daemon beobachtete, wie er langsam am Wegrand entlang rollte und schließlich liegen blieb. Er runzelte die Stirn.
"Fynn ist ein Weichei. Nicht er ist zu stark, sondern du zu schwach."
Man konnte die aufkeimende Wut in seiner Stimme nur schlecht überhören. Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Ich wollte nicht über meinen Ex reden, der mich wochenlang mit zahlreichen anderen Mädchen betrogen, und mich, so blind wie ich war, nur ausgenutzt hatte. Nur dank Daemon hatte ich endlich die Augen öffnen und damit abschließen können. Und jetzt hatte ich das Bedürfnis meine Gedanken einfach auszusprechen. Vor ihm konnte ich eh nichts verheimlichen.
"Duu, wenn wir jetzt schon von dieser Nervensäge sprechen, wollte ich mich bedanken. Dafür das du mir heute in der Pause geholfen hast und für damals als das mit Fynns ganzen Betrügereien ans Licht kam. Dank dir konnte ich entgültig abschließen."
Ich machte eine Pause und bemerkte wie er hörbar laut ausatmete.
"Kein Problem, bin da wenn du mich brauchst", grinste er und fuhr fort:
"Tut mir leid das ich deine Umarmung vorhin nicht annehmen konnte, es war alles so viel in dem Moment."
Wann hatte ich zuletzt mit ihm so offen reden können? Es musste eine ganze Weile her gewesen sein. Aber es gefiel mir.

Erst jetzt merkte ich, das wir die ganze Zeit schon über auf dem Gehweg rumstanden und plauderten.

Daemon hatte es anscheinend auch bemerkt, denn er lachte leise in sich hinein.
"Wann haben wir zuletzt so miteinander reden können? Muss schon eine Weile her sein", sagte er und breitete vor mir die Arme aus. Wie eine Einladung zu einer Umarmung, die ich gerne annahm.
Ich warf mich in seine Arme und er schlang seine starken Arme um meinen Körper. Seine Wärme hüllte mich ein. Ich konnte sogar sein Herzklopfen hören. Leise wummerte es an meinem Ohr. Oder war es meins?
Von mir aus hätten wir ewig so dastehen können, doch er unterbrach unsere Zweisamkeit schnell wieder und löste sich von mir. Er deutete auf zwei aneinandergereihte Häuser am Ende der Straße.
"Es ist doch nicht mehr weit, wir müssen es heute noch nach Hause schaffen.", meinte er und lachte.
Ich freute mich, wie sehr er sich mir soeben geöffnet hatte. Solche Fortschritte unsere Beziehung zueinander wieder aufzubauen hatten wir nicht einmal in den vielen Monaten geschafft und jetzt an nur einem einzigen Tage.
So ehrlich wie er eben gelacht hatte, so hatte ich ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.
"Aber danke, das habe ich heute irgendwie gebraucht."
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und langsam fuhren wir unseren Weg fort. Es war wirklich nicht mehr weit bis zu unseren Wohnhäusern. Unsere Familien waren gut miteinander befreundet und quasi Nachbarn, und das schon seit vielen Jahren.
"Was ich eigentlich fragen wollte ist, du bist doch in der Schule recht gut, oder? Du schreibst gute Noten und passt immer gut im Unterricht auf."
"Worauf willst du hinaus?", fragte ich und kniff misstrauisch die Augen zusammen. Er holte tief Luft.
"Ich weiß das du nächste Woche keine Prüfungen schreibst und theoretisch grade viel Zeit hast. Gerade am Wochenende. Ich muss nächste Woche einige Prüfungen und Klausuren nachschreiben und wäre dir wirklich dankbar, wenn du mir beim lernen hilfst. Ich verstehe die ganzen Themen nämlich absolut nicht." Er unterbrach seinen Redefluss und starrte den Boden an. Früher hatte er gute Noten gehabt und wir hatten zusammen immer mit meiner Schwester gelernt.
Doch inzwischen schwänzte er immer an den Tagen, an denen Klausuren geschrieben wurden oder machte zuhause auf krank.
Wenn er sich selbst so überwand und mich so lieb fragte, konnte ich niemals ablehnen. Schon garnicht nach dem, was soeben passiert war.
"Klar gerne, willst du morgen schon anfangen?" Ich konnte meine Freunde kaum zurückhalten. Aus seinem unsicheren Lächeln wurde ein Strahlen und er nickte dankbar.

Bei seinem Haus angekommen, verabschieden wir uns, ehe er sein Gartentor öffnen konnte, verabredeten wir uns für morgen früh um 12 Uhr bei mir. Ich war mit unsicher ob es die Richtige Entscheidung war, sich ausgerechnet bei mir zu treffen, aber er hatte darauf bestanden.
Kurz bevor ich mich umdrehte und auf mein Haus nebenan zustapfte, winkten wir uns noch einmal zu, bis auch er in seinem Haus verschwunden war und die Tür sich mit einem leisen Klacken verschloss...
The good Times and the bad Ones, Kapitel 2- Ende

The good Times and the bad OnesWhere stories live. Discover now