Kapitel 8

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Wie erstarrt saß ich da. Konnte mich nicht rühren. Ich blendete alles um mich herum aus. Nur ich und mein Handy. Und die Nachricht die soeben aufgeploppt war.
"Hilfe"
Ein einziges Wort. Mir wurde schwindelig. Noch mehr als mir so oder so schon war, bis mich Daemon aus meinen Gedanken riss.
"Leo? Was ist los? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen".
Besorgt schaute er mich von der Seite an. Ich hielt mir meine Hand vor den Mund und mit einem Mal wurde mir furchtbar schlecht. Ist sie noch am Leben? Wie kann ..? Ich beendete meine wirren Gedankengänge garnicht und sprang auf. Mein Handy warf ich achtlos auf die Couch, immernoch mit entsperrten Bildschirm. Meine Atmung beschleunigte sich rasend und ich konnte nicht mehr klar denken. Immer wieder wurde mir schwarz vor Augen, doch ich musste mich einfach bewegen, meine stumme Stimme die in mir nach Erlösung schrie, befreien. Hektisch lief ich im Zimmer umher und versuchte einen einzigen klaren Gedanken zu fassen..
Daemon sah mich mittlerweile an als sei ich komplett gestört. Langsam erhob er sich, kam auf mich zu und zog mich an sich. Mit beruhigender Stimme redete er auf mich ein..
"Hey.. alles gut, ich bin doch da."
Seine Hand strich beruhigend meinen Rücken entlang, was zumindest mein wildes Herz, langsam zu beruhigen schien. Meine Hände hielt ich vor mein Gesicht um ihm nicht direkt zu zeigen, was in mir vorging.
"Was ist passiert?", hakte er nach.
Als ich nicht antwortete, nahm er achtsam meine Hände. Zuerst wollte ich es nicht zulassen, ihn nichteinmal ansehen. Doch seine dunklen , sanften Augen schienen mich zu verschlingen, zu hypnotisieren und uns in eine Welt zu bringen, in der es nur uns zwei gab. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich durfte mich nicht so hinreißen lassen.. schon garnicht nach der Nachricht.
Nachdenklich wendete Daemon sich ab und zeigte zaghaft auf mein Handy.
Langsam nickte ich, ging auf die Couch zu und griff schließlich nach meinem Handy, um es dann Daemon zuzuwerfen, der es gekonnt fing.
"Hier. Ist noch entsperrt."
Ich bekam selbst Gänsehaut von meiner kühlen Stimme, die garnicht mehr mir zu gehören schien. Ich hörte nur sie. Sarah, in meiner eigenen Stimme. Meine Zwillingsschwester, mein Ein und Alles...
Daemon warf mir einen besorgten Blick zu, dann drehte er das Handy in seiner Hand und wischte mit einer Handbewegung über den Bildschirm. Es entsperrte sich und ein Chat blinkte auf.
Ich beobachtete wie er den Chat überflog und sein Blick an einer Nachricht hängen blieb.
Er hob den Kopf und sah mich nachdenklich an.
"Wie soll das gehen?", fragte er und setzte sich zu mir.
"Woher soll ich das wissen? Sie ist..", ich konnte den Satz nicht zuende bringen, da sich bereits ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
"Tot.", beendete Daemon den Satz.
Seine Stimme klang hart und ausdruckslos. Und genau das wiederspiegelte sein Gesicht. Er war dabei, wieder seine Maske aufzusetzen und die Mauern um sich herum wieder aufzubauen.
Stöhnend richtete er sich auf.
"Denk mal realistisch. Sie kann es garnicht geschrieben haben. Sie ist verdammt nochmal tot und nichtmehr hier. Sie wird auch nie zurückkehren.", begann er.
Es klang vielmehr so, als würde Daemon mit sich selbst, als mit mir reden.
"Sarah kann die Nachricht nicht abgeschickt haben. Unmöglich. Und überhaupt, was soll ein einziges Wort schon sagen. >Hilfe< kann jeder geschrieben haben.", beendete er seine Gedankengänge.
"Wir haben ihre Leiche nicht gesehen, Daemon."
Entsetzt starrte er mich an und packt mich bei den Schultern.
"Verdammt Leo! Wir waren auf der Beerdigung! Was soll das? Glaubst du ernsthaft??" Er schreit fast und schüttelt mich leicht. Meine Nerven lagen blank. Und einen hysterischen Daemon konnte ich jetzt auch nicht gebrauchen. Es klang laut ihm irgendwie eher so, als wollte er sich selbst davon überzeugen wollen, anstatt mich. "Du bist so grob..", murmelte ich und löste mich aus seinem Griff.
Ich schnappte mir mein Handy und taumelte wie in Trance zu dem Gästezimmer. Im Rücken spürte ich seine Blicke wie Feuerbälle, die auf mich einprasselten. Ratlos ließ ich ihn zurück.

In meinem Zimmer angekommen, betrachtete ich meine unordentliche Tasche mit meinen Klamotten und warf mich schluchzend aufs Bett. All die Emotionen die ich in Daemons Gegenwart zurückgehalten hatte, bahnten sich jetzt ihren Weg nach draußen. Ungehindert ließ ich sie frei. Tränen liefen an meinem Wangen hinunter und ich begann unwillkürlich zu zittern. Und plötzlich ist es noch etwas anderes was auf mich einschlägt. Die Realität. Frust über meinen Vater, Daemon, meine Gefühle und die ganze Situation mit Sarah, meiner eigentlich für tot erklärten Schwester, die mir aus dem nichts eine wirre Nachricht schrieb, breitete sich aus. Mein Blick fiel auf mein Handy. Wütend warf ich es gegen die Wand, wo es mit einem befriedigendem Schlag gegen die Wand krachte und zu Boden fiel. Wahrscheinlich hatte ich jetzt auch noch mein Handy geschrottet. Super. Schluchzend wälzte ich mich hin und her und versuche meine Gedanken zu ordnen. Als ich zu keinem Ergebnis kam, fing ich nur wieder an zu weinen. Irgendwann hatte ich nichteinmal mehr die Kraft dazu, aufzustehen und mir ein Abendessen zu machen. Ich glaube irgendwann kam sogar, mal Daemon oder sein Vater herein und brachten mir was zu Essen.
Frustriert starrte ich die Decke an. Die kleine Deckenleuchte war inzwischen erloschen, wer auch immer sie aus gemacht hatte, ich war es nicht gewesen. Das Zimmer wurde in hellorgangenes Licht getaucht, als jemand das Nachtlicht einschaltete. Daemon saß auf der Bettkante. Ich hatte nichteinmal bemerkt, das er gekommen war. Ruckartig setzte ich mich auf und sah ihn aus meinen trüben, verheulten Augen heraus an. Wie ich jetzt wohl aussah? Wahrscheinlich richtig beschissen. Meine Haare waren total zerzaust und generell fühlte ich mich, als wäre ein Lkw über mich drübergerollt.
Daemon rutschte neben mich und schloss mich in seine Arme.
Mein Kopf ruhte jetzt auf seiner Brust und ich konnte seinen auf mich beruhigenden Duft einatmen. Ein Segen für meine Nerven.
Langsam fand ich meine Stimme wieder.
"Ich glaube.. ich habe mich zuletzt so gefühlt, an dem Tag, an dem wir zusammen am Straßenrand saßen und die Unfallstelle vor uns gehabt haben. Danach hat es sich irgendwie nicht mehr real angefühlt. Ich meine sie ist weg. Futsch. Einfach nichtmehr da. Und jetzt bekomme ich allmählich das Gefühl, die Zeit über mit einer Lüge gelebt zu haben..."
Ich brach ab. Daemon murmelte etwas Unverständliches und zog mich näher zu sich ran.
"Ich weiß."
"Was weißt du?", fragte ich.
Sein Brustkorb hob und senkte sich.
"Wie es sich anfühlt. Rückschläge im Leben hat jeder. Und diese muss man überwältigen. Ich habe meine Mom verloren. Und einige Jahre später meine beste Freundin, für die ich jede Menge empfunden habe."
Er sprach von Sarah. Natürlich.
"Also glaub mir.. ich weiß wie du dich fühlst. Aber man lernt daraus."
Er wusste absolut nicht wie ich mich fühlte. Sein Vater war sein ganzen Leben für ihn da, und ist es auch immernoch. Sarah war vielleicht seine beste Freundin, aber meine Zwillingsschwester. Mein Ein und Alles.
"Mhm.." ich wollte garnicht mehr reden. Es war zu viel heute. Und ich war müde, meine Augen fielen mir die ganze Zeit zu. Gleichzeitig aber wollte ich Daemon noch ein bisschen reden hören.
"Alles wird gut. Das Verspreche ich dir und ich werde alles daran setzten, das ich das auch halte..", flüsterte er mir zu und strich mir sanft über meine Haare. Diese Bewegung reichte aus.
Mein Kopf nahm nichts mehr auf. Es war, als würde ich nichtmehr existieren. Als würde es das Hier und jetzt nicht geben, als hätte es, es nie gegeben...
The good Times and the bad Ones, Kapitel 8- Ende

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