Kapitel 14

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TW: Ich möchte ab hier nochmal darauf hinweisen, das jetzt immer und immer wieder, manchmal mehr, manchmal weniger detaillierte Szenen kommen, bei denen die Hauptprotagonistin unter Achluophobie leidet. (krankhafte Angst im Dunkeln) Also bitte passt auf euch auf!

  

Elendig lange fuhren wir über düstere Landstraßen und durch verlassene Viertel. Wir waren schon lange nicht mehr in der Stadt. Und ich hatte längst den Überblick verloren.
Es lief kein Radio. Keine Musik. Nur die beißende Stille die sich Stück für Stück zwischen der nagenden Angst in mein Herz fraß.
Mein Handy hatte ich unüberlegter Weise noch bevor ich ins Auto gestiegen war, Daemons Dad in die Hand gedrückt. Unauffällig genug, das mein Vater nichts mitbekam.
Ich hatte aufgehört die Stunden zu zählen, aber die leuchtende Digitaluhr am Autoradio verriet mir 4:49. Vielleicht war die Uhr auch kaputt. Die Fahrt bisher fühlte sich definitiv länger an.
Noch mehr dunkle Straßen. Noch mehr Schatten die um das Auto huschten. Fabrikgebäude. Alte Fachwerkhäuser. Ruinen. Und wieder bogen wir auf einen verlassenen Feldweg ein. Aber diesmal unberuhigend langsam. Noch mehr heruntergekommene Häuser. Zerstörte Gebäude.
Ich fröstelte. Überall Wald. Ich drehte den Kopf leicht und beäugte einen besonders breiten Baumstamm.
Dahinter könnte doch sicher...
Promt sah ich wie sich lange, spitze Finger um den breiten Stamm legten und ein knochiger Schädel zum Vorschein kam.
Mein stummer Aufschrei genügte um den Kopf abzuwenden.
Nur meine Fantasie, die mir Streiche spielt...
Wie sehr ich mir wünschte, zu wissen, was Daemon grade tat. Aber er war wahrscheinlich besser ohne mich dran. Aber ob ich ihn je wiedersehen würde? Die aufkeimende Panik zwang mich dazu, mich wieder auf den Weg zu konzentrieren.
Ich hielt inne. Das Auto ebenso. Es stoppte und blieb abrupt stehen. Mein Vater schnaubte und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Ich folgte seinem Blick. Er war auf ein etwas weniger heruntergekommenes Backsteinhaus gerichtet. Rund herum um das Auto überall zerstörte Gebäude und Ruinen. Aber das Haus schien Intakt zu sein. Ich wusste nicht was mir mehr Angst machte: Nicht zu wissen was wir hier taten oder nicht zu wissen, was auf mich zukommt.
In einem Fenster ging Licht an und die alte Holztür wurde aufgerissen. Eine junge Frau kam herausgestürmt und geradewegs auf das Auto zu. Verblüfft starrte ich sie an, als die Frau mit den hellblonden langen Haaren vor dem Auto zum Stehen kam und die Fahrertür aufriss. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. Auch wenn sie noch relativ jung aussah.
"Verdammt! Ich dachte schon du kommst garnicht mehr zurück und lässt uns sitzen!", schrie sie meinen Vater an.
Wer war "uns"?
"Unsinn. Ich musste nur etwas erledigen.", knurrte er warnend und hievte sich vom Sitz.
"Was erledigen?", entgegnete sie scharf.
Er antwortete nicht, sondern drehte sich in meine Richtung. Ich saß immernoch zusammengekauert auf der Rückbank und umklammerte meine Tasche. Die Autotür auf meiner Seite wurde aufgerissen.
"Rauskommen."
Der Ton meines Vaters war schärfer als sonst und ich bekam augenblicklich noch mehr Angst. Was würde mich erwarten?
"Was zum.."
Die Frau stieß einen unterdrückten Laut aus als ich aus dem Auto gekrochen kam.
Ich zwang mich den Kopf zu heben und ihr ins Gesicht zu schauen. Sie sah nett aus. Aber ich ließ mich nicht mehr täuschen. Ich wartete unsicher auf ihre Reaktion. Sie ließ ihren leicht perplexen Blick über mich schweifen. Scannte mich regelrecht ab. Augenblicklich wurde ihr Blick weich. Aber dann wandte sie sich wieder an meinen Vater.
"Wer ist sie, André?", fragte sie an ihn gerichtet.
Zuhören wie jemand seinen Vornamen aussprach, gab mir Flashbacks an Früher. Mein Vater und meine Mutter streitend in der Küche. Wie meine Mutter "André" durch das ganze Haus schrie, wenn er mal wieder etwas nicht auf die Reihe bekommen hatte. Wenn er ihr neue Schulden aufgehetzt hatte. Das Geld knapp wurde. Sie mehr arbeiten musste. Ich und Sarah zusammengekauert hinter der nächsten Tür, die zwei beobachtend. Tränen schossen mir in die Augen und ich senkte den Kopf. Mir war kalt und ich hatte es satt hier rumzustehen. Aber ich würde mich nicht beschweren. Natürlich nicht.
Daemons herzzerreißendes Gesicht, als ich sein Zimmer verließ, tauchte wieder vor mir auf. Wie es ihm wohl so ging?
Mein Vater schwieg nur auf ihre Frage hin.
Dann atmete er zischend aus.
"Meine Tochter. Sie ist meine Tochter.", antwortete er gelassen.
Daraufhin zog er sich eine Kippe aus der Tasche und zündete sie eilig an, setzte sich in Bewegung und ließ die Frau und mich draußen in der Kälte stehen. Ich zitterte vor mich hin und umarmte mich selbst.
Sie sah mich prüfend an.
"Dir muss kalt sein, komm wir gehen rein.", sagte sie sanft und nahm mir die kleine Tasche ab.
"Ich bin Stephanie. Kannst mich aber auch nur Steph nennen. Dein Vater und ich kennen uns schon länger. Mich wunderts ja, das er nie erwähnt hat, eine Tochter zu haben. Aber schön dich kennenzulernen.", fuhr sie dort und drehte sich zu mir, um mir die Hand zu reichen.
"Hallo Steph...", murmelte ich abwesend. Ich hatte genug damit zutun, meine eigenen Ängste runterzuschrauben. Überall Gestalten die uns dicht auf den Fersen waren. Hinter Bäumen, hinter herumliegenden Trümmern. Ich wusste das es nicht echt war.
Aber es war so... real.
Sie musterte mich neugierig, als wir langsam auf das Haus zuliefen. Ich hatte so viele Fragen. Warum waren wir in einem gottverdammten Wald, umgeben von zertrümmerten Backsteinhäusern?
Sie lachte unsicher und fuhr sich durch die blonden Strähnen.
"Dein Name..? Wenn ich fragen darf?"
"Ah.. Leonie.", antwortete ich mechanisch.
Sie senkte die Stimme,als wir an der Haustür angekommen waren.
"Hör zu. Ich weiß nicht wieviel du weißt. Ob André mit dir geredet hat oder nicht. Aber stell keine Fragen, sobald du dieses Haus betrittst. Hör auf deinen Vater. Wir stecken alle in einer misslichen Lage." Sie sah traurig aus, vielleicht war es auch Erschöpfung, als sie den Satz beendete.
Mit den Worten riss sie die Tür auf, setzte ein Lächeln auf und zog mich mit. Der scharfe Geruch von Alkohol und Zigarettenrauch waberte durch die Luft und betäubte schlagartig meine Sinne. Ich hasste ihn so sehr.
Mein Vater stand an einem gekippten Fenster und bließ den Rauch seiner Kippe hinaus. Das Haus hatte zwei Stöcke. Unten war ein riesiger Raum mit einer offenen Küche und weiter hinten standen etwas neuer aussehende Sofamöbel. Sonst bestand alles aus dunklem Holz. Direkt am Eingang führte eine recht alt aussehende Treppe in das zweite Geschoss.
Sie betrachtete meinen Vater kritisch und seufzte theatralisch.
Er zuckte mit den Achseln und machte eine deutsame Kopfbewegung zur Treppe.
"Ist Milan oben?"
Mein Vater deutete auf einen kleinen Tisch, auf dem ein kleiner Zettel platziert lag.
"Draußen. Er hat das Gewehr mit, keine Sorge. Er sollte nicht auf ungebetene Gäste stoßen. Nicht hier."
Seine Stimme klang gefährlich sanft. Erst als ich sie wieder ansah, merkte ich wie panisch und aufgewühlt sie wirkte.
Aber dann schien sie ihre Emotionen wieder in den Griff zu bekommen und machte eine auffordernde Handbewegung zu mir, ihr zu folgen.
Langsam ging ich hinter ihr die knarzende Treppe hinauf. Oben waren zwei abgetrennte Räume zu erkennen.
"Also Leonie.", sie deutete auf einen etwas kleineren Raum.
"Dort ist ein Bad. Sei aber bitte sparsam mit dem Wasser, wenn du es nutzt. Wir haben nicht viel. Wenn du duschen willst, musst du die Außendusche hinter dem Haus nehmen."
Ich nickte und folgte aufmerksam ihren Anweisungen.
Dann widmeten wir uns dem anderen Zimmer. Sie macht eine einladende Handbewegung in den dunklen Raum und tastete an der Wand herum. Schwaches Licht erhellte den Raum. Ich nahm ein Bett in der Ecke wahr, daneben einen hölzernen Nachttisch und einen weiteren Holzschrank. In einer anderen Ecke stand eine dunkelgrüne Couch, die sogar recht gemütlich aussah. An der Wand hingen einige Star Wars Poster und eine kleine Pinnwand mit Fotos schmückte den geschmacklosen Raum. Es gab nicht viel zu sehen. Viel zu leer für meinen Geschmack.
"Wie ... einladend", murmelte ich sarkastisch.
Steph seufzte erneut und holte ihr Handy hervor. Ihre Handyuhr zeigte kurz nach 5:30 an.
"Naja. Wir haben momentan nicht viel. Mach das Beste draus. Mein Sohn Milan kommt später her. Er wird wohl mit der Couch vorlieb nehmen müssen. Nimm du ruhig das Bett. Du hattest sicher nicht viel Schlaf. Ruh dich aus.", erklärte sie und in meinem Kopf setzten sich die fehlenden Puzzleteile zu einem Bild zusammen.
Eine Frau, ihr Sohn, mein Vater und ... Äh ich? In einer gruseligen Hütte im Wald? Warum? Grade als ich den Mund aufmachen wollte, bemerkte ich ihren warnenden Blick. Ich schluckte die Fragen hinunter und nickte steif.
Ich bedankte mich und sie verließ nun endlich den Raum.
Ich war zu müde zum Grübeln und warf mich erschöpft auf das Bett. Draußen ging schon die Sonne auf, während mich der Schlaf übermandte...
The good Times and the bad Ones, Kapitel 14- Ende

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