Kapitel 13

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Ich schlug die Decke zurück. Darunter kam ein großer muskulöser Körper zum Vorschein.
Ähm.
Was zum ?
Langsam kehrten die Erinnerungen vom Vorabend zurück. Daemon hatte sich entschuldigt wegen seiner ganzen Vorwürfe, an denen er im Grunde überhaupt keine Schuld hatte. Man hatte ihm Lügen untergejubelt und er hatte sie geglaubt.
Ohman...
Sein ruhig schlummerndes Gesicht war zum dahinschmelzen.
Wir hatten am Abend zuvor noch Pizza bestellt und uns gemeinsam mit seinem Dad einen Film angeschaut. Alles danach war leicht wirr und verschwommen. Und jetzt lag ich in seinem Bett, neben ihm und beobachtete ihn beim schlafen.
Ob jetzt alles wieder gut bei uns war?
Meine Gedanken wurden von einem leisen Summen unterbrochen. Mein Handy lag auf seinem Nachttisch. Aber ich kam nicht heran. Vorsichtig beugte ich mich über ihn und griff ungeschickt nach dem Handy. Es glitt mir aus den Händen und fiel polternd zu Boden. Ich zuckte erschrocken zurück, als eine warme Hand sich um mein Handgelenk schloss.
"Was machst du?", fragte Daemon verschlafen.
"Mein Handy..."
Meine Stimme versagte und ich kletterte unachtsam über ihn hinweg und griff schließlich nach meinem am Boden liegenden Handy. Der Bildschirm blinkte auf und meine Brust zog sich zusammen. Schon wieder diese Nummer. Diese mir doch so bekannte Nummer, die ich einfach nicht wahr haben wollte. Daemon beobachtete mich und sah mich fragend an. Ich schüttelte nur den Kopf.
Wieder ein Anruf.
Es musste aufhören.
Entschlossen wischte ich den Annehm-Button nach oben und hielt das Handy an mein Ohr.
"J-Ja?", meine Stimme brach und Daemons Augen weiteten sich. Mit einem Mal war er aus dem Bett und stellte sich neben mich.
Ich horchte.
Nix.
Es rauschte leise. Es erinnerte mich leicht an das Geräusch vom Straßenverkehr der Autos und der umherlaufenden Menschen.
Jemand schrie.
Eine helle Stimme.
Ich hatte das Gefühl als würde ich mich übergeben.
Die Verbindung brach ab, und somit auch der Anruf.
Ich ließ das Handy sinken. Vor mir drehte sich alles.
"Warum?", flüsterte ich heiser und versuchts die Tränen, die mir in genau diesem Moment in die Augen stiegen, wegzublinzeln.
Daemon nahm mich in den Arm.
"Ich weiß es nicht. Und vielleicht sollten wir das auch nicht. Blockier den Kontakt und lösch die Nummer.", summte er mir leise ins Ohr.
Ich nickte langsam, wusste aber das ich das niemals über's Herz bringen könnte. Das war einst die Handynummer meiner Schwester. Meiner geliebten Zwillingsschwester. Niemals würde ich alle Andenken und Erinnerungen, die in diesem Chat verborgen waren, einfach so löschen können. Als wären damit alle Probleme aus der Welt.
Ich erhob mich und Daemon löste sich aus der Umarmung.
Von unten hörte man schon das Klimpern von Geschirr. Ich runzelte die Stirn.
"Lass uns runter gehen, ich muss was frühstücken. Und du könntest auch eins gebrauchen.", sagte er und machte eine sachte Kopfbewegung zur Tür.

Langsam stiegen wir die Treppen hinab. Irgendwas stimmte hier nicht. Es war der stechende, alkoholische Geruch der mich innehalten ließ.
Und da saß er. Mit verschränkten Armen und starrte mich an.
"Endlich. Pack deine Sachen. Ich hol dich ab.", knurrte mein Vater. Er sah alles andere als gesund aus. Sein ungekämmtes Haar, die abgeranzten Klamotten und die blutunterlaufenen Augen. Er sah aus als hätte er tagelang keine einzige Stunde Schlaf gehabt, und sich lieber mit Tabletten und Alk vollgestopft.
Und da war nochwas. Die Angst die mich mit einem Mal überflutete. Ich trat einen Schritt rückwärts und stieß an Daemon. Ich fuhr herum und sah in seine mitleidigen Augen, die die Situation versuchten zu verstehen. Er wusste nix hiervon. Sein Blick wanderte zu seinem Dad. Der lehnte an der Küchentheke und sah aus, als würde er das alles garnicht wollen. Er warf uns entschuldigende Blicke zu. Er wusste wie sehr mich die Situation mit meinem Vater zerstörte und ließ das hier trotzdem zu. Ich war wohl doch nur ein Objekt.
Daemon legte seine Maske wieder auf. Die Maske, die ich so lange bearbeitet hatte und die endlich abgefallen war. Wegen mir. Für mich. Er war verletzlich geworden.
Mit einem unerbittlichem Blick, den ich nicht einordnen konnte, irgendetwas zwischen Wut und reiner Verzweiflung, kam er auf seinen Vater zu und zog mich mit sich.
"Was soll das?", fuhr er seinen Vater an. Die sanfte Stimme, mit der er mich zuvor oben in den Arm genommen hatte, war verschwunden.
Jamie sah mich getroffen an und dann schuldbewusst zu seinem Sohn. Ich brachte immernoch kein Wort heraus. Mein Vater beäugte das Geschehen mit einem misstrauischen Blick, sagte jedoch nichts.
"Ich kann nichts tun. Er ist ihr Erziehungsberechtigter.", sagte er und sah mich wieder an. Er versuchte mir irgendetwas zu sagen. Aber ich erkannte was ganz Anderes in seinem Blick. Nackte Angst. Was hatte mein Vater zu ihm gesagt? Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Er würde nichts tun. Auch wenn er konnte. Ich stand wieder alleine da. Und ich wollte Daemons Familie nicht noch mehr zur Last fallen.
Ich griff nach Daemons Handgelenk.
"Lass gut sein, Daemon. Ich muss.", ich flehte ihn an, jetzt keinen Aufstand zu machen und er verstand. Jeder Widerstand, jede noch so kurze Zeitverzögerung würde Konzequenzen für mich haben.
Mein Vater klopfte ungeduldig mit den Fingern auf der Theke rum.
"Wird das heute nochwas?", murrte er.
Ich nickte hastig und beeilte mich die Treppe hinauf. Kurz darauf kam mir auch Daemon hinterher.
"Warum lässt du das mit dir machen? Wir könnten irgendwas tun!", fragte er, als wir in seinem Zimmer waren, und ich dabei war, meine Sachen zusammenzupacken.
"Weil ich muss. Weil ich verdammt nochmal keine andere Wahl habe!", stieß ich aus und fuhr zu ihm herum. Sein schmerzverzehrtes Gesicht tat mir unfassbar weh.
"Was macht er mit dir... ", hauchte er leise.
"Glaub mir, das willst du nicht wissen. Desto eher ich in seinem Auto sitze, desto geringer wird die Strafe ausfallen.", antwortete ich und schaute zu Boden.
"Warum ist er so geworden...?", Daemon sah mich unsicher an.
Ich seufzte. Drogen? Alkohol? Meine Schwester? Meine Mutter? Was wollte er alles wissen und was wusste er bereits?
Ich zwang mich möglichst optimistisch zu klingen. Er sollte sich keine Sorgen machen. Er hatte genug Schmerz ertragen, sowohl durch mich und meine Schwester. Er war doch innerlich genauso ein Wrack wie ich. Nur das er seine Methoden gefunden hatte, seine Dunkelheit zu verbergen.
"Keine Ahnung. Aber hey, noch 2 Jahre, dann bin ich hier raus aus diesem Irrenhaus und verschwinde von hier."
Als ich in seine wunderschönen, traurigen Augen blickte, schnürrte sich in mir alles zu. Ich griff nach seiner Hand. Mein Herz schlug mir beinahe bis zum Hals, so sehr raste es. Ich wollte nicht von hier weg. Weder von ihm, noch von diesem Ort, der sich fast wie mein altes Zuhause angefühlt hatte.
"Daemon. Es gibt die guten und die schlechten Zeiten. Und durch beide muss jeder einmal durch. Es fühlt sich grausam an, das Alles, ich weiß. Aber ich schaffe das, und du auch. Und das werden wir auch.", ich wusste nur nicht wie, ich holte tief Luft, "ich gehe davon aus, das ich jetzt einige Zeit zuhause oder sonst wo bleiben muss. Mein Vater wird mir wahrscheinlich mein Handy abnehmen, also versuch nicht mir zu schreiben. Bitte bleib vernünftig und lass dich nicht nur von deinem eigenen Instinkt leiten."
Es fühlte sich alles so falsch an. Es klang wie ein gottverdammter Abschied. Aber ich war mir sicher das Daemon verstand. Irgendwie. Er sagte zumindest nichts.
Eilig schloss ich den Reißverschluss meiner Tasche und warf sie mir über die Schulter. Ich hatte nur ein dünnes Oberteil und eine dreckige Jogginghose von gestern an, aber jetzt gab es keine Zeit mehr, sich umzuziehen.
Bevor ich an Daemon vorbei, aus der Zimmertür stürmen konnte, hielt er mich zurück. Sein Kopf war gesenkt und er wich meinem Blick aus.
"Ich hole dich da raus. Das verspreche ich, Leo.", war alles was er sagte, bevor er mich wieder los ließ. Ich setzte ein Lächeln auf und ging zur Treppe.

An der Haustür schubste mich mein Vater unsanft nach Draußen, nachdem ich meine Schuhe angezogen hatte. Vor dem Haus parkte ein schwarzer Wagen mit abgedunkelten Scheiben, den ich noch nie gesehen hatte. Offenbar niegelnagel neu. Woher er das Geld hatte?
Keine Ahnung. Und ich wollte es auch garnicht wissen.
Mein Vater riss eine der hinteren Autotüren auf und warf meine Tasche hinein.
"Jetzt steig schon ein", sagte er forsch, woraufhin ich mich vorsichtig auf eine der hinteren Bänke zwängte. Missmutig ließ ich meinen Blick durch den Wagen schweifen. Stöhnend lehnte ich mich an den Sitz und schaute nach draußen. Mein Vater ging um das Auto herum und stieg ein. Eine schweigende Stille breitete sich aus, als er den Motor startete und langsam anfuhr. Wir würden nicht nachHause fahren, denn mein Haus, stand neben Daemons, und an den Beiden fuhren wir gerade vorbei. Und die schmerzende Wahrheit und haufenweise Fragen überrollten mich. Warum war er hier? Er meinte, er würde einige Zeit nicht in der Stadt sein.
Und ich solle alleine klarkommen. Ich kam bestens alleine klar, bis er wieder kam. Und ein was wurde mir einem Mal klar.
Daemon würde sein Versprechen wahrscheinlich nicht halten können.
The good Times and the bad Ones, Kapitel 13- Ende

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