Kapitel 3

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Verschlafen öffnete ich die Augen. Irgendjemand oder etwas hatte mich geweckt. Müde drehte ich mich auf die Seite und schloss die Augen. Schlafen, ich wollte einfach nur schlafen. Vorallem nachdem ich am gestrigen Abend, nach einem Streit mit meinem Vater noch 2 Stunden wach lag und nicht schlafen konnte.
Es klingelte erneut. Immer wieder. Ich warf einen Blick auf meinen Wecker, es war Viertel vor 12. Hatte ich solange geschlafen ? Und wer nervte jetzt da unten und klingelte wie ein Bekloppter. Nach einigen Sekunden schossen mir wieder Bilder vom gemeinsamen Nach Hauseweg mit Daemon durch den Kopf.
"Fuck", murmelte ich.
Mit drei Sätzen war ich aus dem Bett gesprungen und stand im Bad. Ich wusch mir schnell das Gesicht mit Wasser und betrachtete mich im Spiegel. Dunkle Augenränder zeichnenten mein Gesicht. Schminken und Mascara konnte ich jetzt vergessen, auch wenn ich nur wenig Make up trug, ich fühlte mich damit wohler. Ich eilte die Treppe hinunter und riss die Tür auf.
Daemon stand lässig am Geländer gelehnt, mit zwei Heften unter dem Arm und starrte mich an.
"Du siehst grauenhaft aus.", begrüßte er mich. Wie nett .
"Guten Morgen? Du siehst nicht besser aus.", erwiderte ich nur.
Und das war nicht einmal gelogen. Seine sonst so gut gestylten Haare waren verwuschelt, als wäre er auch eben erst aufgestanden und sein sonst so lebendiges Gesicht war blasser als sonst. Und trotzdem sah er unverschämt gut aus. Fragte mich ständig, wie er das immer machte.
Er grummelte etwas vor sich hin,
" 'Morgen. Ja, hab nicht viel geschlafen."
Während er redete, fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. Oh gott er sah so gut aus.
"Da sind wir ja schonmal zwei.", antwortete ich und trat einen Schritt zur Seite. Er betrat den Eingangsbereich und zog seine Schuhe aus. Als er sich wieder erhob, stand er grinsend vor mir. Sein Blick wanderte meinen Hals hinab und blieb auf Brusthöhe hängen. Ich versuchte es zu ignorieren...
Lachend erhob er die Stimme.
"Noch keine Zeit zum umziehen gehabt?"
Ich schnappte nach Luft und hielt meine Arme schützend vor die Brust. Langsam schaute ich an mir herunter. Oh mein Gott.
Meine dünne Schlafanzughose hing mir nur bis zu dem Hüften und mein dünnes Schlafoberteil mit nichts drunter. Obenrum sah man quasi jede kleine Rundung. Röte stieg in mir hoch und ich begann zu stammeln. Ausgerechnet jetzt musste er mich so sehen.
"Ah, ich... ziehe mich mal eben um. Machs dir bequem, bin gleich wieder da."
"Von mir aus kannst du gerne so bleiben"
Er genoss meine Verlegenheit noch einen Moment, ehe ich mich nach oben verzog und mir schnell eine Jogginghose und und ein mir viel zu Großes Shirt überwarf. Man konnte es auch für Oversize halten.
Im Bad kämmte ich kurz meine Haare und machte mir einen schlichten, einfachen Zopf.
Langsam ging ich die Treppe wieder hinunter, da entdeckte ich Daemon vor der Kommode mit unseren Familienfotos. Einige Kinderfotos waren auch dabei. Zuerst nahm ich an er würde sich über die albernen Babyfotos lustig machen, bis ich bemerkte das ein anderes Bild seine Aufmerksamkeit angezogen hatte. Das Foto stammte vom Geburtstag meiner Schwester letzten Jahres. Sie war grade mal 16 geworden.
Daemon hatte mich anscheinend bemerkt, denn er drehte sich zu mir um und deutete nach oben zur Treppe.
"Wollen wir hochgehen?", fragte ich auf seine Geste.
"Wenn das für dich okay ist, gerne.", erwiederte er nur knapp und schnappte seine Unterlagen.
Er konnte seine Emotionen nicht vor mir verstecken. Es war zu offensichtlich woran er dachte. Zumindest für mich.
Zögernd nickte ich und stieg die Treppen wieder nach oben und er folgte mir. Oben blieb sein Blick kurz an der Zimmertür von Sarah hängen. Er verharrte für einen kurzen Moment, kaum merkbar wie sehr es ihn innerlich zerriss, ging dann aber weiter. Mir entging es nicht. Er war so still, ganz bei seinen Gedanken. Sein warmherziges Lächeln von gestern war verschwunden und sein Gesicht hatte wieder seine kühlen Züge angenommen.
Wie ein anderer Mensch... dachte ich.

Als wir mein Zimmer betraten, ließ er sich auf meinen Sitzsack fallen und machte sich breit. Seine Unterlagen und Hefte fielen auf den kleinen Tisch daneben.
"Echt gemütlich, dein Zimmer hat sich kaum verändert.", bemerkte er.
"Genau, machs dir nur bequem. Braucht der Herr nochwas?", fragte ich sarkastisch.
Er stöhnte und gähnte: "Ein Frühstück wäre nicht schlecht."
"Ich kann dir gerne Kakao machen, hast du früher gerne getrunken."
Ich war selbst überrascht von meiner Gastfreundschaft, aber machte mir Sorgen um ihn. Er hob eine Augenbraue.
"Das würdest du tun? Reicht es nicht schon das ich dir deinen kostbaren Samstag raube?"
Ich wollte etwas erwiedern aber seine kalte Stimme brachte mich aus dem Konzept. Das war nicht der Daemon der mich gestern nach Hause gebracht hatte. Nicht der Daemon mit dem ich gestern noch so herzlich lachen konnte, und nicht der Daemon der mich zum Abschied umarmt hatte.
Und dafür gab es nur einen Grund. Aber ich konnte ihn unmöglich darauf ansprechen, das würde ich ihm- und mir selbst nicht antuhen. Er war nicht der Einzige der litt.
Daemon warf mir einen fragenden Blick zu. Hektisch strich ich mir eine lose Strähne hinters Ohr.
"Achso nein, das wäre kein Problem. Hab's ja auch nur angeboten. Du raubst mir keine kostbare Zeit. Hätte heute eh nichts zutun gehabt."
Ich verstand nicht warum er jetzt so vorwurfsvoll war. Wenn er wüsste... Er brachte Licht ins Dunkel. Die Dunkelheit die jeden Tag aufs Neue mein Herz umschloss, wenn ich an diesen einen Tag dachte, der ihn auch so fertig machte...
Ich fuhr fort: "Mein Vater hat gestern spontan noch einen Termin reinbekommen, ist heute also auch nicht da."
Als ich meinen Vater erwähnte, stockte ich kurz und wandte den Blick ab.
Daemon war es nicht entgangen.
"Was ist los?"
Er erhob sich aus dem Sitzsack und kam ruhig auf mich zu. Panik brach in mir aus und ich machte ein paar Schritte rückwärts.
"Nichts", stammelte ich und flüchtete in den Flur und stoppte vor der Treppe.

Daemon stand jetzt im Türrahmen und sah mich prüfend an, die Arme verschränkt vor sich.
Ich war so blöd. Er kannte mich gut und ich war ihm so offensichtlich ausgewichen. Er hatte sofort gemerkt das etwas nicht stimmte, was auch auf unser enges Verhältnis von früher zurückzuführen war.
"Das mit dem Frühstück war nur ein Scherz, lieb von dir gemeint aber ich brauche nix."
Daemons abstoßende Art tat weh und ich hatte das Leuchten in seinen Augen eben gesehen, als ich ihm den Kakao anbot. Er war nur zu stolz das Angebot anzunehmen.
Schließlich wusste ich von seiner außergewöhnlich ausgeprägten Vorliebe für Schokolade. Er hatte sie von kleinauf geliebt. Insbesondere heiße Schokolade, was auch damit zusammenhängen konnte, das seine Mom ihn ständig mit ihrer heißen Schokolade verwöhnt hatte.
Meine Schwester hatte es mir damals erzählt. Zusammen hatten wir oft aus Spaß Kakao für ihn gemacht, weil er es so liebte und wir von seinem zufriedenen Gesicht, wenn er ihn trank nicht zu genug bekommen konnten. Auch wenn's weird klang.
Ich wusste also ungefähr wie er es mochte und wer weiß, vielleicht konnte ich ihm so den Besuch in meinem Haus schmackhafter machen.
"Moment, bin gleich zurück. Such' du schonmal die Sachen heraus, die du lernen musst."
"Hä?", kam es nur von ihm, aber ich war schon in der Küche.
"Du bist so ein Sturkopf!", rief er von oben zu mir herunter. Ich lachte in mich hinein. Ohja, das war ich.

Langsam goss ich die Schokolade in ein Glas. Jetzt fehlten nur noch Schlagsahne und Schokostückchen als Deko.
Ich fühlte mich albern, so darauf aus zu sein ihm diesen Wunsch, wenn es überhaupt einer war, unbedingt erfüllen zu wollen. Mit war unwohl bei dem Gedanken, das er da oben alleine in meinem Zimmer war, also musste ich mich beeilen. Schließlich stellte ich das fertige Konstrukt auf einen Teller und begann langsam die Treppen hochzusteigen .
In meinem Zimmer entdeckte ich ihn zusammengerollt auf dem Sitzsack. Genervt warf er seinen Physikhefter beiseite.
"Wie sehr ich Physik hasse."
Promt musste ich lachen.
"Wieso lachst du?"
Ich ließ mich nicht von seiner harten Stimme beirren und stellte den Kakao neben ihm ab. Neugierig beugte er sich vor. Seine Augen begannen zu leuchten. Mein Herz machte einen Sprung. Ein bisschen vom alten Deamon war also noch da.
The good Times and the bad Ones, Kapitel 3- Ende

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