Kapitel 11

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Ich schlug die Augen auf. Mit wunden und geröteten Augen sah ich mich in dem kleinen Schlafzimmer um. Für einen Moment fragte ich mich, wo ich überhaupt war. Die Antwort, ganz leicht. Mein Vater hatte mich zurückgelassen und nun wohnte ich bei Daemon, dem Jungen der mich mit jedem Tag schwächer machte und seinem Dad. Der Dad der jeden Tag aufs Neue, stolz seinen Sohn in die Arme nahm und ihm sagte wie lieb er ihn hat. So etwas werde ich wohl nie wieder bekommen.

Vor meinen Augen verschwamm wieder alles, da ich erneut in Tränen ausbrach. Er hat alles und ich habe nichts.
Obwohl nein. Das war garnicht mal wahr. Er hatte seine große Liebe verloren. Sarah. Meine Schwester. Für immer. Und ich auch.

Langsam, wie ihn Zeitlupe schälte ich mich aus den Klamotten und zog mir eine Jogginghose und ein Top an. Eine teuflische Mischung, passend zu meiner Laune.
Mein Unterleib schmerzte und ich warf mich zurück auf mein Bett, nachdem ich es ordentlich zurecht gemacht hatte.
Und jetzt?
Ein Blick auf die Uhr genügte und ich stand wieder auf den Beinen. Etwas benommen, aber doch wieder mit einem klaren Kopf.
Fuck.
Nachdenken.
Warum hat mich keiner geweckt???
Ich stürmte in den Flur und rempelte direkt in Daemons Dad hinein. Jamie. Ich hatte beschlossen ihn einfach bei seinem Vornamen zu nennen.
"Joo. Nicht so eilig. Wohin willst du?"
Er hob eine Augenbraue und hielt mich am Arm fest.
"Hä?", blaffte ich, bekam mich aber schnell wieder in den Griff, "ich muss zur Schule. Der Unterricht hat schon lange begonnen."
Er nahm mich beiseite.
"Ich habe dich krank gemeldet.", sagte er mit ruhiger Stimme, die mich auf irgendeine Weise an Daemon erinnerte.
Klar Leo. Er ist ja auch sein Sohn.
"Warum?", fragte ich.
Jamie musterte mich mit Misstrauen und Besorgnis zugleich. Wenn das überhaupt möglich war.
"Du sahst heute morgen so elend aus, da wollte ich dich nicht wecken. Daemon meinte außerdem, dass es dir gestern nicht gut zugehen schien."
Stimmt. Mir ging es nie gut.
Doch die falsche Fassade, die ich immer aufsetze, brach in sich zusammen. Mein Vater hätte mich bedingungslos zur Schule geschickt. Wahrscheinlich sogar gefahren, um sicher zugehen das ich nicht schwänzte.
Eine Träne rollte mir die Wange hinunter, Jamie fing sie auf und nahm mich in den Arm.
Vor ihm musste ich mich nicht verstellen. Er kannte mich gut. Er war es auch, der anfangs immer auf mich und Sarah aufgepasst hatte, als meine Mom abhauen ist damals. Und mein Vater zu trinken angefangen hatte und wir nichtmehr sicher bei ihm waren.
Kein falsches Lächeln, das nach wenigen Minuten eh wieder zusammenfiel. Nur das Wissen, das ich jemanden hatte der sich um mich sorgte und sich kümmerte.
Das tat, was Daemon gestern Abend hätte tun müssen. Und mein Vater sowieso. Wut keimte in mir auf. Ich war immernoch etwas sauer, das er mich gestern Abend so hat stehen lassen.

Wir redeten ein wenig über die aktuelle Situation. Und ich vertraute ihm sogar an, das ich glaubte, mit Daemon würde etwas nicht stimmen.
Sein Vater sah mich verwundert an.
"Also ich weiß von nichts. Er schien mir gestern nur etwas abweisender dir gegenüber als sonst.", gab er zu.
"Wie meinst du das?", fragte ich, obwohl ich ganz genau wusste, was er damit andeuten wollte.
"Er wird bei dir weicher. Als Sarah..", er räusperte sich, "als der Unfall geschah, habe ich ihn garnicht mehr wieder erkannt. Daemon war nichtmehr er selbst. Und mit dir hat er auch kaum noch geredet. Und seit dem Abend, an dem ihr hier gemeinsam von der Schule hergelaufen seid, ist er anders. Anders als er mal war, aber trotzdem anders. Seine Maske legt er dir gegenüber zur Seite und verbringt unglaublich gerne Zeit mit dir. Das sieht jeder Blinde. Hätte er deine Schwester nicht so geliebt, könnte ich mir schwören, da liefe was zwischen euch."
Sein letzter Satz versetzte mir einen einzigen Stich. Direkt ins Herzen.
Sofort entschuldigte er sich als er meine Miene sah, wobei ich mir sicher war, das er nicht einmal wusste, wofür er sich entschuldigte.
Als ich mich anwandte um mich zurück in mein Zimmer zu verkriechen, wurde die Tür aufgerissen.
Daemon steht mit wutverzerrtem Gesicht in der Tür. Hinter ihm Chris und Steve. Als er mich entdeckt, verfinsterte sich sein Blick.
Na vielen Dank auch.
"Hey Leonie"
Steve winkte mir vorsichtig zu und Chris setzte auch zu einem >Hallo< an, aber Daemon zerrte die Beiden schon mit sich nach Oben.
Was zum Teufel ist mit ihm?
"Wow. Was ein Auftritt.", hörte ich Jamie neben mir brummen.
Er sprang die Treppe hinauf und riss oben die Zimmertür von seinem Sohn auf.
Ich hörte wie er die Jungs fragte, was sie hier zusuchen hatten, um diese Zeit. Die Antworten konnte ich allerdings nicht mehr verstehen. Also setzte ich meinen Weg fort und ging auf mein Zimmer zu. Wenig später hörte ich Jamie die Treppe hinunterpoltern und wütend fluchen. Was ging denn jetzt ab?
Einen Moment später flog auch die Haustür zu.

The good Times and the bad OnesWhere stories live. Discover now