49 | Spaziergang

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Lange Tage vergingen, in denen ich kaum ein Wort mehr mit jemanden sprach. Selbst ein neues Handy verweigerte mein Vater mir, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mich die ganze Woche persönlich zur Schule zu fahren und auch wieder abzuholen. So kam es, dass ich Ayaz nur noch mittags von meinem Fenster aus beobachten konnte, wenn er sich mit Yavuz in der Einfahrt unterhielt. Ich musterte ihn heimlich hinter meinem Vorhang versteckt und auch wenn er öfter Mal zu mir aufsah, entdeckte er mich nicht. Ein bedrückendes Gefühl, wenn ich darüber nachdachte, in welch kurzer Zeit wir uns näher kamen und welch Gefühle er allein mit seiner Nähe in mir auslöste. Manchmal, wenn ich intensiver darüber nachdachte, kam es mir fast schon vor, als wäre alles nur eine schöne Illusion gewesen ...

Stella traf ich zwar täglich in der Schule, doch sie sprach nur noch über meine Geburtstagsfeier und verstand überhaupt nicht, wieso ich so niedergeschlagen wirkte. Wenn es nach ihr ginge, sollte ich einfach machen, was ich wollte. Sie hatte gut reden, denn Adamo erlaubte ihr alles und ich hatte ihn noch nie ausflippen gesehen.

Malino wollte die letzten Tage öfter ein Gespräch mit mir aufbauen, doch seit ich Orlandos blaues Auge in der Schule entdeckt hatte, beschloss ich, meinem Bruder aus dem Weg zu gehen. Solange er der Meinung war, er müsste sich in mein Leben einmischen, solange hielt ich Abstand. Zwar warf er mir vor, ich hätte das Gleiche bei Elio getan, doch ich sah das ganz anders. Elio wusste sich nicht zu helfen - ich schon, auch wenn meine Methoden im Nachhinein wirklich nicht so gut durchdacht waren, wie ich anfangs hoffte.

Die einzigen, mit denen ich überhaupt noch redete, waren mein Onkel Cecilio und Opa Enzo. Meinem Opa war das auch alles zu viel, doch er mischte sich nicht ein. Das wollte ich auch gar nicht. Er war sowieso schon herzkrank und sollte sich so gut es ging schonen. Cecilio hingegen warf mir vor, kopflos zu handeln und so hätte er es mir nicht beigebracht. Dazu war er der Meinung, ich müsste lernen, dass es andere Wege geben würde, um Ziele zu erreichen, als nur Provokation und Wut. Er riet mir dazu, erstmal Abstand zu allem zu nehmen und zur Ruhe zu finden. Tja, ihm war wohl entgangen, dass genau diese Ruhe, mich nur noch unruhiger und nervöser machte.

Erneut stellte ich mich an mein Fenster und sah herab zur Einfahrt. Ayaz kam gerade mit seinem Audi vorgefahren, wobei ich plötzlich schockiert feststellte, dass sich eine Frau im Auto neben ihm befand. Sofort stellten sich all meine Härchen auf und ich begann bereits fester zu atmen, als er ausstieg und ihr freundlich die Tür öffnete. Ihre roten Haare wehten im leichten Wind herum und sie lächelte ihn dankbar an, was dieser Mistkerl auch noch erwiderte. Wie viel beschissener konnte mein Leben eigentlich noch werden?

"Kommst du zum Essen?"

Die Stimme meines Vaters ertönte hinter mir, doch ich drehte mich nicht mal zu ihm herum.

"Ich habe keinen Hunger."

"Du hast seit Tagen keinen Hunger und doch, musst du irgendwann was essen", sprach er weiter und ich bemerkte dabei, dass seine Stimme mir näher kam. Weiterhin lagen meine Augen aber nur auf Ayaz, der sich mit der Frau und Yavuz an seinem Wagen stehend unterhielt. Diese unbändige Eifersucht kroch meine Kehle hinauf und machte es mir schwer zu schlucken. Mein Vater riss mich jedoch im nächsten Moment aus meiner Starre heraus. "Wenn du nicht freiwillig kommst, kann ich dich auch zwingen."

"Tu, was du nicht lassen kannst", gab ich ihm gleichgültig zurück und sah auf zu meiner Seite. Er blickte zu mir herab und musterte mich intensiv, während ich nur ein fieses Grinsen auflegte. "Worauf wartest du?"

"Nives... Du weißt, dass ich nur das Beste für dich will."

"Wir haben sehr verschiedene Ansichten, was das Beste für mich ist", wiedersprach ich ihm, woraufhin er sich überfordert mit der Hand durch seine schwarzen Haare fuhr.

Obsession with my bodyguard Where stories live. Discover now