71 | Nervosität

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"Ich erreiche ihn nicht!", gab ich vollkommen überfordert von mir. Mein gesamter Plan wurde mit einer Offenbarung zur reinsten Hölle für mich. Wo ich anfangs dachte, alles alleine regeln zu können, so wurde ich eines Besseren belehrt. Mein Blick fiel zu Elio. Dieser saß mittlerweile auf seiner Bettkante. Spielte nervös mit seinen Fingern herum, während er zu mir aufsah.

"Versuchs nochmal", forderte er und nahm dabei sein Handy ebenfalls zur Hand. Er hielt es an sein Ohr. Vermutlich versuchte er es bei Madrisa. Ich drückte erneut den grünen Button. Doch nichts. Es tutete einige Male, bis die Mailbox ranging. Wahnsinn überkam mich, denn ich bekam das Gefühl, hilflos zu sein. Etwas schreckliches würde passieren und ich - ich konnte es nicht verhindern.

"Scheiße!", fluchte ich außer mir. Unbändige Wut stieg in mir auf, die größtenteils mir selbst galt. Doch auch Elio warf ich etwas vor - und zwar, dass er sich mir nicht viel früher öffnete. "Wieso hast du nichts gesagt! Du hättest es mir sagen müssen! Von Anfang an!!!"

"Und euch alle in Gefahr bringen damit?!", wehrte er sich und schmiss sein Handy hinter sich aufs Bett, um anschließend aufzustehen. Seine Augen durchbohrten mich. "Ich hätte doch nicht ahnen können, dass ihr plant, sie umzubringen!"

"Genau, wie ich nicht hätte ahnen können, dass es sein Kind ist!"

"Ach, also bin ich jetzt Schuld, weil ich euch beschützen wollte?!" Er kam einen Schritt auf mich zu und fixierte mich. Ich wich ihm tief durchatmend aus und wählte erneut Malinos Nummer. Nervös begann ich auf und ab zulaufen, bis erneut seine beschissene Mailbox Ansage ertönte.

"Wir müssen ihn suchen! Sofort!" Auffordernd sah ich Elio an. Er nickte und ich wandte mich daraufhin zur Tür. Entschlossen, meinen Bruder zu finden, ging ich einige Schritte auf diese zu, da öffnete sie sich aber. Mit großen Augen starrte ich meine Mutter an, die nur langsam ins Zimmer eintrat. Leise schloss sie Tür hinter sich, ehe sie uns beide ausdruckslos ins Visier nahm.

"Ich kenne euch und gebe euch eine einzige Chance, mir jetzt sofort zu erklären, was hier vor sich geht."

Flüchtig drehte ich mein Gesicht zu Elio. Ich machte ihm mit einem leichten Schütteln meines Kopfes klar, dass er den Mund halten sollte. Meine Mutter umfasste jedoch mein Kinn. Sie zwang mich, nur noch sie anzusehen.

"Du denkst immer, ich würde dich nicht verstehen, aber glaube mir ... Du bist das Ebenbild des Mannes, den ich blind lesen kann. Vergiss das nicht."

"Es ist nichts!", wurde ich lauter und schlug ihre Hand beiseite. "Wir diskutieren nur über Madrisa!"

"Achja?!" Meine Mutter drehte sich zu Elio.  "Ist das so?"

Auch ich wandte meinen Blick zu ihm. Er wirkte so nervös, dass es mich meine Augen verdrehen ließ. Wie zum Teufel konnte er die ganze Erpressung für sich behalten?! Er stand es ja nicht mal durch, sich vor unserer Mutter nichts anmerken zu lassen.

"Ja, Nives hat Recht", entkam es ihm trotzdem, wodurch die Augen meiner Mutter wieder auf meine trafen. Sie versuchte mich zu durchschauen. Sagte dabei kein einziges Wort. Erst, als ich herab auf das Handy in meiner Hand sah, holte sie tief Luft.

"Wie kann es sein, dass du unten noch fast zusammenbrichst, weil dein Freund im Krankenhaus liegt. Jetzt aber bist du immer noch hier und diskutierst mit deinem Bruder? Warum?"

"Weil ich etwas klären wollte, bevor ich jetzt ins Krankenhaus fahre." Ich drängte mich an ihr vorbei, doch als ich die Klinke der Tür in meine Hand nahm, durchfuhr mich ein eiskalter Schauer. Ich wusste nicht, wo ich überhaupt nach Malino suchen sollte. Wusste nicht, wie ich all das vertuschen sollte. Dadurch, dass es auch Fotos von mir und Ayaz gab, konnte ich meinen Vater nicht in all das einweihen. Er würde ihn töten, sobald er die Bilder aus dem Auto sehen würde. Mir blieb nur eine Wahl. Ein Wahl, der ich zu gerne aus dem Weg gegangen wäre. Doch mein kleiner Bruder war wichtiger, als mein falscher Stolz.

"Ich habe Malino gesagt, er soll Madrisa töten. Danach habe ich erfahren, dass es sein Kind in ihrem Bauch ist", hauchte ich leise und drehte mich beim nächsten Atemzug zu meiner Mutter. Geschockt weiteten sich ihre Augen.

"Was?!", entkam es ihr ungläubig, während sie sich mit einer Hand ans Herz fasste. Elio reichte ihr die Fotos.

"Sie hat mich erpresst. Die ganze Zeit über. Ich hab den Mund gehalten, weil ich dachte, es wäre mein Kind. Es ist aber Malinos."

Angespannt sah ich meiner Mutter dabei zu, wie sie die verschiedenen Bilder begutachtete. Sie wirkte absolut ruhig, als würde sie schon sehr viel schlimmeres durchgemacht haben. Es irritierte mich, dass sie weder weinte, noch durchdrehte. Ich wechselte Blicke mit Elio, der nur mit den Schultern zuckte. Als meine Mutter dann die Fotos von mir und Ayaz betrachtete, blickte sie auf. Sie musterte mich eindringlich, ehe sie ihre Hand sinken ließ.

"Bist du glücklich mit diesem Mann?", fragte sie und verwundert runzelte ich meine Stirn. Wieso wollte sie das wissen? War es nicht viel wichtiger, sofort auf die Suche nach Malino zu gehen? Ich antwortete ihr trotzdem mit einem stummen Nicken. Ein flüchtiges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Daraufhin wandte sie sich an Elio. "Du bist dir ganz sicher, dass es Malinos Kind ist?"

"Ich hab sie belauscht und da ist sie es zugegeben." Meine Mutter nickte und atmete anschließend tief durch, um mich ins Visier zu nehmen.

"Weiß Malino das mit Ayaz oder dem Baby?"

"No", gab ich ihr zurück. Sie nickte wieder.

"Hört mir ganz genau zu. Ich werde jetzt losfahren und euren Bruder suchen. Diese Fotos hier, zerstöre ich. Keiner erfährt etwas davon, habt ihr das verstanden?" Sie hielt die Fotos hoch und sah zwischen uns hin und her. Wir stimmten ihr zu. "Habt ihr Malino oder Madrisa die letzte Stunde angerufen?"

"Natürlich", erklärte ich.

"Gut, dann löscht den Verlauf. Bleibt hier und setzt auch mit Antonio ins Wohnzimmer. Kein Wort zu niemandem." Nachdem wir erneut nickten, lief sie schnellen Schrittes aus dem Zimmer. Ich sah ihr nach, um mich anschließend an Elio zu wenden.

"Ich hoffe sie findet ihn", meinte dieser und ließ sich wieder auf der Bettkante nieder. Mir war alles zu viel. Ich bekam das Gefühl, mein Schädel würde platzen, so sehr dröhnte er. Ich ließ Elio zurück und suchte mein Zimmer auf. Draußen war es bereits dunkel, sodass nur der Mond mir Ausblick auf meinen Schreibtisch gab. Mit langsamen Schritten stellte ich mich neben ihn, um zwischen den Vorhängen hindurch zur Einfahrt zu starren. Es dauerte nicht lange und meine Mutter stieg in ihren Range Rover. Vollkommen in schwarz gekleidet, erkannte man sie kaum noch in der Dunkelheit. Sie verschwand die Einfahrt heraus, da piepste mein Handy. Hektisch sah ich auf den Display, doch es war nich Malino.

"Ich fahre gleich zu deinem Vater in den Club. Brauchst du etwas?"

Ich betrachtete die Nachricht von Ayaz einige Sekunden, ehe ich das Handy auf meinen Schreibtisch legte. Meine Gedanken wirbelten so durcheinander. Das machte es mir unmöglich, ihm eine Antwort zu geben. Nur noch von Chaos eingenommen, suchte ich anschließend das Wohnzimmer auf. Enzo und Antonio saßen bei sanften Licht auf der Couch. Sie schauten in den TV, bis ich mich neben ihnen niederließ.

"Und? Wie geht es deinem Freund? Fährst du noch hin?", hakte mein Opa nach und legte dabei seinen Arm um meine Schulter. Ich schüttelte den Kopf, da ich mir überhaupt keine Gedanken mehr um Riziero machte. Malino nahm alles in mir ein.

"Es geht ihm gut, denke ich. Ich fahre morgen zu ihm."

Enzo lächelte aufmunternd und gemeinsam folgten wir anschließend dem Geschehen im Fernseher. Auch Elio kam nach einer Weile zu uns. Vor der Couch ließ er sich auf dem hellen Teppich nieder. Keiner von uns sprach auch nur ein Wort. Jeder schien in seinen Gedanken gefangen. Erst, als Antonio lachte und auf Enzo zeigte, regte ich mich wieder.

"Opa schläft", kicherte er und kam dabei zu mir, um sich nah an meine Seite zu setzen.

"Ja, Opa braucht auch seinen Schlaf. Also sei leiser, Nervensäge."

"Selber Nervensäge", gab Antonio mir zurück, da hörte ich im Flur die Haustür. Sofort sprang ich auf und lief zum Türbogen, um vor Schock zu erstarren...

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Obsession with my bodyguard Where stories live. Discover now