65 | Schloss

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"Warum muss ich dann überhaupt mit zu dieser Veranstaltung!? Das ist so unfair!"

Wütend stand ich vor meinem Onkel, der mich ausdruckslos musterte. Elegant nahm er sein Weinglas zur Hand und nippte daran. Ich hätte es ihm am liebsten aus der Hand geschlagen, jedoch hatte ich keine Lust erneut im Pool zu landen, wie bereits zu Anfang der Woche.

"Es ist ganz einfach, Nives. Du warst die ganze Woche nicht in der Schule und hast deine Zeit lieber mit Stella verbracht. Dafür gibt es jetzt Konsequenzen. So funktioniert das System."

"Das System?", wiederholte ich ihn bissig. "Jemanden zu etwas zu zwingen, was er nicht will, ist wohl eher eine Diktatur!"

Ich ließ ihn im Wohnzimmer stehen und lief schnellen Schrittes in den Flur, um die obere Etage aufzusuchen. Meine Nerven spielten verrückt, sodass ich bereits spürte, wie mein Herz zu rasen begann. Ja, ich hatte die ganze Woche geschwänzt, aber aus guten Gründen! Riziero war der letzte Mensch auf dieser beschissenen Erde, dem ich begegnen wollte. Die Schule zu schwänzen war also meine einzige Option, ihm nicht den Hals umzudrehen. Was auch immer er getan hatte, ich versuchte den Erinnerungslücken meines Geburtstages aus dem Weg zu gehen. Das war besser für mich, genau wie für Riziero...

Zu diesem ganzen Frust kam auch noch hinzu, dass mein Vater Ayaz so sehr in seine Geschäfte einband, dass wir uns kaum noch sahen. Und wenn, dann befand sich meistens noch jemand meiner Familie bei mir. Uns blieb also nichts übrig, als Abstand zu halten.

Doch genau diese Distanz zu ihm, tat mir nicht gut. Die Ruhe, die er mir mit seiner Nähe vermittelte, blieb mir dadurch verwehrt. Dabei hätte ich sie so sehr gebraucht, jetzt, wo ich mich täglich mit der Anwesenheit von Madrisa herumschlagen musste. Das Schlimmste daran war, dass sie einen Tag zuvor gemeinsam mit meiner Mutter und Elio beim Arzt war. Dieser bestätigte die Schwangerschaft, jedoch konnte man so früh noch nicht den Vater ermitteln. Die Wahrheit würde jedoch ans Licht kommen und ich würde kein Karma brauchen, um dieses Miststück zur Rechenschaft zu ziehen!

"Wie lange brauchst du noch?"
Ich drehte mich zu meiner Tür und hörte meine Mutter, die nach meinem Vater rief. Heute war eine Veranstaltung, die sich um Opfer sexueller Gewalt drehte. Spenden wurden gesammelt, während meine Mutter präsent sein musste. Ausnahmsweise kamen auch mein Vater und Malino mit. Ich versuchte mich tagelang zu wehren, da ebenso Madrisa und Elio uns begleiten würden. Die Vorstellung, einen ganzen Abend mit den beiden an einem Tisch zu verbringen und dabei so zu tun, als wären wir eine glückliche Familie, drohte mich zu zerreißen. Trotzdem blieb mir nichts übrig, außer es durchzuziehen. Auf die Tatsache hin, dass ich volljährig wäre, meinte mein Vater nur »Bei der Mafia gibt es keine Volljährigkeit. Es gibt den Boss, der die Ansagen macht und die Familie, die seinen Vorstellungen nachkommt«.

Super ... Wie gut, dass Cei, mein Vater und meine Mutter ein Gespann aus drei Bossen waren. So konnten sie einen noch mehr kontrollieren.

"Nives. In 20 Minuten kommt die Limousine."

"Jaaaa! Ich weiß!", rief ich meiner Mutter durch die Tür zurück, woraufhin ich in den Spiegel vor mir starrte. Ein schwarzes Kleid lag eng um meinen Körper. Es fiel mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel herab. Da ich wusste, dass Ayaz auch kommen würde, machte ich mir einen Spaß daraus, nichts drunter anzuziehen. Ein Grinsen entstand bei dem Gedanken an ihn auf meinen Lippen, dass aber gleich wieder verschwand, als ich Elio und Madrisa im Flur hörte. Sie liefen an meiner Tür vorbei und schon wieder fühlte ich mich zerissen. Einerseits war ich so glücklich, Ayaz an gefunden zu haben. Andererseits so wütend über diese scheiß Situation hier zu Hause, dass gute Laune kaum noch in mir aufkam. Mein Verstand fand keine Ruhe. Ein Strudel von Emotionen, der nicht aufhörte, ganz egal wie sehr ich meine negativen Gefühle verdrängte.

Obsession with my bodyguard Where stories live. Discover now