70 | Wahnsinn

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"Dio Mio", hauchte ich, da ich sicher war, sie würde mich ermahnen. Immerhin hatte Riziero nach dem Vorfall mit Orlando und Ayaz noch mal versucht mich anzusprechen. Ich wollte jedoch kein Wort hören. Ich erklärte lediglich, dass er zur Hölle fahren sollte und ließ ihn alleine im Klassenraum zurück.

"Hallo?", nahm ich den Anruf trotz meines Widerwillens entgegen und erstarrte, als ich Rizieros Mutter am anderen Ende der Leitung weinen hörte. Sie erkläre mir, was passiert sei und auch, dass Riziero auf dem Weg zu mir war.

"Nives?" Das Telefon an mein Ohr haltend, drehte ich mich zu meiner Mutter herum. Sie sah mich fragend an, doch ich brachte kein Wort zu stande. Das Blut gefror in meinen Adern, denn Erinnerungen an unsere guten Zeiten kamen mir in den Sinn. Alles in meinem Kopf verschwamm und wie betäubt ließ ich meine Hand fallen, wodurch das Telefon aus meinen Fingern glitt. Es fiel zu Boden, doch ehe ich nach unten sehen konnte, riss meine Mutter an meiner Schulter.

"Was ist denn los?" Mit großen Augen starrte sie mich an, doch ich atmete nur heftig durch und griff nach ihrer Hand, während ich mir an mein rasendes Herz fasste.

"Mama", sprach ich zitternd und ließ mich in ihre Arme fallen. Sie umarmte mich. Zog mich fester an sich, doch die düsteren Gedanken verschwanden trotz ihrer Nähe nicht. "Riziero hatte einen Unfall, als er mit seinem Roller auf dem Weg zu mir war!"

Meine eigenen Worte kamen mir unreal vor. Ich war so wütend und voller Hass auf ihn, doch es riss mir den Boden unter den Füßen weg, solch schreckliche Neuigkeiten zu erfahren. Das hatte ich ihm sicher nicht gewünscht. Niemals wollte ich, dass ihm so etwas passieren würde, auch wenn er mir so weh getan hatte. Die Umarmung meiner Mutter wurde inniger. Tränen sammelten sich in meinen Augen.

"Ich muss ins Krankenhaus. Er wird operiert. Ich muss sofort hin", erklärte ich hektisch und löste mich dabei von meiner Mutter. Überfordert wischte ich meine Tränen weg und versuchte das zu verarbeiten. Schwach zu wirken versuchte ich zu vermeiden, doch meine Blicke verrieten mich. Er war mir immer noch wichtig. Nicht, weil ich etwas für ihn empfand, sondern weil wir eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Vorwürfe überkamen mich. Vorwürfe, ihm nicht die Chance gegeben zu haben, sich zu erklären. Ich gab mir die gesamte Schuld. Anstatt ihm nämlich zuzuhören, war ich gedanklich nur noch mit Madrisa beschäftigt. Sie vergiftete mich und überfordert fasste ich mir mit beiden Händen an den Kopf. Ich wollte, dass sie verschwinden würde. Nicht nur aus meinem Leben. Auch aus meinen Gedanken.

"Jetzt setz dich erstmal hin. So gehst du nirgendwo hin", wies meine Mutter mich an und auch Enzo erhob sich, um mitfühlend auf mich zuzukommen. Er nahm mich an meiner zitternden Hand und führte mich zum Tisch herüber. Aufgelöst nahm ich Platz und sah hinaus in den Garten. Meine Sicht - verschwommen.

"Er wollte zu mir...", hauchte ich und blickte dabei meinen Opa an. "Ich hab ihm gesagt, er soll zur Hölle fahren! Ich war so gemein zu ihm und jetzt, da-"

"Es ist ganz sicher nicht deine Schuld." Meine Mutter versuchte mich zu trösten, wirkte dabei aber vollkommen überfordert. Wahrscheinlich, weil sie mich nicht oft weinen sah. Sie wussten auch nicht, dass Riziero und ich eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Wie sollten sie nachempfinden können, was gerade in mir vorging. Ich glaubte es ja selbst nicht. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, um ihn zu weinen. Mein Stolz war sonst immer größer als alles andere. Dieser Tag zeigte mir aber, dass auch ich Mitgefühl besitzen konnte. Mitgefühl gegenüber jemanden, der mich so verletzte.

Meine Mutter stellte eine Tasse Tee vor mir auf den Tisch und legte ihre Hand auf meinen Rücken. Sanft strich sie auf und ab, während mir der Geruch von Kamille in die Nase stieg. Mir wurde übel, jedoch nicht wegen des Tees.

"Was ist passiert?" Elio kam zurück ins Wohnzimmer und stellte sich mir gegenüber an den Tisch, um mich besorgt zu mustern.

Ich gab ihm keine Antwort, obwohl es seine Umarmung gewesen wäre, die mir Hoffnung gegeben hätte. Da er mein Schweigen wohl nicht deuten konnte, kam er um den Tisch herum langsam auf mich zu. Als er dann meine Schulter anfassen wollte, schlug ich seine aber Hand wütend beiseite. Meine Emotionen kochten über und ich stand auf, um mich direkt vor ihn zu stellen.

Obsession with my bodyguard Where stories live. Discover now