Prolog

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„Spannende Frage heute, beim Therapy-Spiel", stellte Marc zufrieden fest und steuerte die regennassen Straßen entlang.

Die Lichter von Laternen und Leuchtreklamen spiegelten sich in den Pfützen, die der Wolkenbruch hinterlassen hatte. Ich war froh, dass morgen der Urlaub in Bayern begann, wo gerade eine ausgesprochene Schönwetterperiode herrschte. Eine Woche lang würde ich tun und lassen können, was ich wollte.

„Lena?" Ich spürte seinen fragenden Blick mehr als ich ihn sah. „Bist du schon im Urlaub mit deinen Gedanken?" Das Schmunzeln in seiner Stimme war unüberhörbar.

Ich wandte mich meinem Kumpel zu, der die Augen längst wieder auf die Straße gerichtet hatte. „Ich schätze mal, du meinst die Frage mit der Zeitreise, oder?"

Marc liebte es, sich in Geschichte der Neuzeit zu vertiefen und bedauerte es manchmal, nicht Historiker geworden zu sein. Eine Begeisterung, die ich nur mäßig zu teilen vermochte. Ich hatte Geschichte in der Schule abgewählt, sobald es ging.

„Selbst du musst doch zugeben, dass es klasse wäre, mal in eine andere Zeitepoche zu reisen und Geschichte dann hautnah zu erleben", äußerte er lächelnd und zwinkerte mir zu. „Zum Beispiel, um Kleopatra einmal kennenzulernen."

„Nur, weil wir einen Film über sie geguckt haben?" Ich schnaubte. „Lieber nicht. Stell dir vor, man landet direkt in einer Zeit, in der Krieg herrscht. Oder sitzt neben Kennedy, während ihn eine Kugel trifft." Es schauderte mich schon bei dem Gedanken daran.

„Soviel zu der Frage nach deiner Risikobereitschaft", zog Marc mich auf und hielt bereits an der Auffahrt zu meinem Wohnhaus. „Da lagen wir ja richtig mit unserer Einschätzung."

„Ihr solltet nicht mich einschätzen, sondern überlegen, wie ich selbst über mich denke", gab ich ein wenig pikiert zurück. Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass alle meine Freunde diese Fähigkeit bei mir als überaus gering bewertet hatten.

„Na ja, mit deiner Bemerkung, dass du Angst hast, auf eine Demo gegen Rechtsextremismus zu gehen, kannst du uns das doch nicht so ganz verdenken, oder?"

Ich verdrehte die Augen und stieg aus dem Auto. „Da könnten schließlich irgendwelche Krawallmacher mitlaufen. Und ich dann zwischen den Fronten? Nein Danke!"

„Ach Lena..." Marc seufzte. „Wer in der Demokratie einschläft, wird in der Diktatur aufwachen."

„Ich schlafe schon nicht ein. Jedenfalls nicht, solange ich hier vor der Tür stehe", versuchte ich seine Aussage ins Lächerliche zu ziehen.

Ich mochte Marc. Wirklich. Aber manchmal war er etwas anstrengend. Ich war noch nie auf einer Demo gewesen und hatte nicht vor, das nun zu ändern. Mein Opa hatte immer gesagt: Halte dich aus Dingen raus, die du nicht beeinflussen kannst. Und genau das würde ich daher auch weiterhin tun!




Die Entscheidung  ( ONC 2024 )Where stories live. Discover now