4 - Deine Augen sind so schön blau

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Nur wenige Tage später hatte ich mein erstes, ernsthaftes Seminar und das Studienjahr startete direkt mit meinem Hassfach: Anatomie. Es war reines auswendig lernen und das war etwas, was ich schon früher in der Schule nicht hinbekommen hatte. Ich war ein Praktiker, konnte logisch denken, aber stupides Lernen war einfach nicht mein Steckenpferd. 
Innerlich seufzte ich mehrmals laut, während wir die verschiedenen Muskelgruppen durchgingen. 
"Findest du das genauso lahm wie ich?" 
Ich zuckte leicht zusammen und drehte mich um. Hinter mir in der Reihe saß Harry und sah mich schmunzelnd an. Ich lachte leise. "Lahm und anstrengend, ja." 
Er grinste gewinnend und musterte mich. "Wie war die Woche?" fragte er mich leise. "Sie war entspannt, wie war deine?" fragte ich ihn. "Entspannt.", antwortete er mit einem frechen Grinsen und brachte mich zum Lachen. 

Die Professorin räusperte sich und warf uns einen mahnenden Blick zu, also setzte ich mich wieder normal hin und blickte nach vorn, konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Dann vibrierte mein Handy. Ich zog es hervor und hatte eine Nachricht von einer unbekannten Nummer. 

Wie wärs, hast du heute Lust auf unser erstes Date? :) 

Ich musste erneut breit grinsen, speicherte seine Nummer ein und erhielt so Zugriff auf sein Profilfoto. Es war niedlich und er war deutlich jünger als jetzt. Er lag im Gras und grinste in die Kamera, hatte ein Fußballtrikot an von einer Mannschaft, die mir nichts sagte. 

H: Du weißt, dass ich sehen kann, dass du in mein Profilfoto reinzoomst? Es handelt sich um die Holmes Chapel Hurricanes. ;) 

L: Von denen habe ich noch nie gehört...

H: Ist auch nicht der Rede wert. Da komme ich her...aus Holmes Chapel. Hast du heute Zeit für mich? 

L: Ja, habe ich :) Um vier ist Schluss bei mir...

Die Professorin beendete die Stunde und ich packte den Laptop in meinen Rucksack und stand auf, sah zu Harry, der mich mit voller Freude ansah. "Schick mir deine Zimmernummer, ich hole dich um halb fünf ab, okay?" fragte er und ich konnte nicht anders, als zu nicken. Er lächelte und verschwand aus dem Raum und ich tat es ihm gleich und verließ die Vorlesung so schnell ich konnte. Im Gehen simste ich ihm meine Zimmernummer, ehe ich zu Niall in die Kantine ging, wo er bereits saß und ungefähr drei Portionen vor sich stehen hatte. 
"Cool, danke dass du mir gleich was besorgt hast!" sagte ich strahlend, doch er sah mich irritiert an. "Hab ich gar nicht." 
Ungläubig starrte ich auf sein Essen und dann sah ich ihn an. "Wenn du so weiter machst, dann bist du bald unfähig, über den Platz zu rennen." 

Er sah mich an. "Betreibst du gerade Bodyshaming?" 
Ich lachte auf. "Nein! Du siehst überraschenderweise noch super aus, für die Mengen, die du dir reinschaufelst." 
Er lachte. "Jeder hat so seine Superkraft.", bemerkte er schlicht und ich nickte, holte mir eine eigene Portion und ließ mich ihm gegenüber nieder. Er sah mich mit neugierigem Blick an. "Also? Triffst du Zayn wieder?" 
Ich zuckte mit den Schultern. "Er hat mir auf Instagram geschrieben, wir haben noch nichts Festes ausgemacht." 
"Sein Huhn rennt ständig durch die Gänge..." 
Ich lachte bei der Bemerkung und schüttelte den Kopf. "Der Kerl ist irgendwie verrückt, oder? Vielleicht baut er sich einen Stall oder sowas. Denkst du, das Vieh schläft im Bett bei ihm?" Niall prustete los und zuckte mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung, aber es ist gruselig..." 

Zustimmend nickte ich und sah Niall einen Moment an. Er bemerkte es und grinste mich an. "Was hast du getan?" 
Schmollend sah ich ihn an, dann seufzte ich leise. "Ich habe ein Date." 
"Also doch?!"
"Mit Harry..." sagte ich und Niall riss die Augen auf, strahlte dann übers ganze Gesicht.  "Wann?" 
"Heute, er holt mich halb fünf ab. Wir haben zusammen Anatomie gehabt, habe mich eh gefragt wo du warst.." Ich warf ihm einen mahnenden Blick zu. 
"Ich habe heute mal ausgesetzt, ich kann die Muskelgruppen eh auswendig." Ich war fassungslos und das schien er mir anzumerken, weshalb er lachte. "Lernen hilft. Vielleicht solltest du dich nicht mit so vielen Kerlen rumtreiben..." 
"Hey!" maulte ich und schmollte. Er zwinkerte mir zu und stopfte sich weiter Essen in sich hinein. "Ich stehe hinter dir, ich finde es gut. Lass dich verwöhnen von den Beiden." Ich würde mich ganz sicher nicht verwöhnen lassen. Doch ich wollte meine Neugier stillen, weshalb auch meine Vorfreude auf den heutigen Abend deutlich anstieg mit jeder Stunde, die verging. 

Pünktlich halb fünf klopfte es an meiner Zimmertür und ich musste sofort lächeln und öffnete sie. Harry lächelte mir bereits entgegen und hielt mir einen Strauß Blumen vor die Nase. "Hey, Louis!" sagte er und ich musste grinsen. "Du hast mir Blumen mitgebracht?" 
Er nickte. "Es ist kitschig, ich weiß. Aber ich wette, du stehst heimlich drauf." 
Grinsend nahm ich den Strauß, der einem Chaos gleich kam und sah ihn an. "Selbst gepflückt?" fragte ich neugierig. "Ja, auf dem Feld neben dem Fußballplatz.", antwortete er mir lachend. Ich lachte auch, stellte die Blumen in die einzige Vase, die ich hatte und die mir meine Mutter aufgezwungen hatte, als ich ins Wohnheim gezogen war. 
Dann ging ich zu Harry und schloss meine Tür, sah ihn neugierig an. "Also, was erleben wir heute?" 
Er hielt einen großen Korb hoch. "Wir picknicken. Das Wetter ist traumhaft schön und so können wir uns ungestört kennenlernen. Passt das für dich?" 
"Absolut!" antwortete ich begeistert, Harry strahlte mich an und gemeinsam gingen wir los. 

Er führte mich zu dem besagten Feld hinter dem Fußballplatz, breitete eine Decke aus und verteilte dann allerhand Leckereien darauf. Da waren Pizzabrötchen, Obst, Gemüse, einige Dips und sogar eine Schale, die randgefüllt mit Suppe war. Ich sah zu ihm. "Suppe?" 
"Ja. Ich habe einfach alles da, vielleicht stehst du ja total auf Suppe, dann hätte ich dich jetzt schon ein bisschen um den Finger gewickelt, oder?" 
Grinsend nickte ich. "Das mag sein, ja." 
Wir setzten uns und er zog eine Bierflasche und eine Weinflasche aus dem Korb hervor, sah mich fragend an. "Was ist dir lieber?" 
"Bier, danke.", antwortete ich und beobachtete ihn dabei, wie er das Bier in zwei Becher aufteilte und mir schließlich einen reichte. 
Ich war beeindruckt von ihm, er schien wirklich alles durchdacht und geplant zu haben. Es gefiel mir und ich fühlte mich wohl bei ihm, dabei hatten wir noch gar nichts großartig geredet. Es fühlte sich dennoch bereits sehr gut an. Harry gefiel mir. 

"Wo bist du aufgewachsen?" fragte er in die Ruhe hinein. 
"Doncaster. Bei meiner Mom und mit ziemlich vielen Schwestern..." antwortete ich ihm leise lachend. "Wie ist Holmes Chapel so?" fragte ich ihn.
"Todlangweilig.", antwortete er schlicht. "Meine Eltern und meine Schwester haben ein Haus nah am Wald, ich war da ziemlich oft unterwegs und habe mein eigenes Ding gemacht. Ich bin gerne im Freien. Zum Fußball spielen oder einfach nur durch die Gegend laufen." 
Ich nickte zustimmend. "Das mache ich auch gern. Ich war in Doncaster immer auf den Feldern unterwegs mit Niall.", sagte ich lachend. 
"Ihr kennt euch schon länger?" fragte er nach. 
"Ja, seit dem Kindergarten. Er ist quasi mein fehlender Bruder!" sagte ich grinsend und sah Harry an, der in diesem Moment ebenfalls zu mir sah und unsere Blicke trafen sich. 

Er lächelte mich an und seine Augen funkelten richtig, nun wurden mir auch die Grübchen bewusst, die in seinem Gesicht erschienen. "Grübchen..." sagte ich grinsend und stupste sie an, was ihn zum Lachen brachte. "Gefallen sie dir?" 
Ich nickte und trank einen Schluck Bier, während wir uns über das Essen hermachten, dass er mitgebracht hatte. 
"Die Pizzaschnecken sind der Hammer!" sagte ich seufzend und ließ mich auf den Rücken fallen, atmete tief durch. "Sowas von lecker..." 
"Danke." Harry legte sich neben mich und ich drehte den Kopf zu ihm und sah ihn an. Er tat das Gleiche und musterte mich. 
"Deine Augen sind so schön blau,  die sind mir gleich als Erstes aufgefallen.", sagte er leise und ließ mich überraschenderweise erröten. "Noch eine Gemeinsamkeit..." murmelte ich. 
"Wieso? Ich habe grüne Augen!" erwiderte er verwirrt, ich lachte leise und nickte. "Ich meine, weil mir deine Augen auch sofort aufgefallen sind.", entgegnete ich leise und er strahlte mich an. 

"Das hier macht Spaß, Harry...das ist so entspannt, ich könnte ewig hier herumliegen.", sagte ich zufrieden. "Das geht mir genauso. Es war die richtige Entscheidung, dich nach deiner Nummer zu fragen." 
Lachend sah ich ihn an. "Du bist also zufrieden?" 
Er drehte sich auf die Seite und sah mich an, legte die Hand an meine Wange und strich mit den Fingern darüber, während er in meine Augen sah. "Mehr als das." 
Wir kamen uns unbewusst immer näher und irgendwann waren unsere Lippen so nah aneinander, dass ich seinen Atem spüren konnte. Mein Herz begann zu klopfen und ich schloss die Augen, ehe er den wenigen Abstand zwischen uns schließlich vollständig überbrückte und seine Lippen sanft auf meine legte. 
Er küsste mich vorsichtig und zärtlich, streichelte dabei über meine Wange und ich erwiderte den Kuss, während eine Gänsehaut die Härchen in meinem Nacken aufstehen ließ. Als er sich löste, mich anlächelte und sich zurück auf den Rücken legte, klopfte mein Herz schnell in meiner Brust und ich sah ein wenig ungläubig in den Himmel und konnte mir ein breites Lächeln nicht verkneifen. 

Tangled Hearts | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt