19

101 19 4
                                    

⊱ ────── {⋅. ✯ .⋅} ────── ⊰

"Dann beweise es mir, dass du es willst. Setz dich auf meinen Schoß und küss mich."

Die Stille, die sich in dem Raum ausbreitete, wurde immer drückender, als würde sie mich in einen dunklen Abgrund ziehen wollen. Ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug, als würde es jeden Moment aus meiner Brust herausspringen und gegen die kalten, grauen Steinmauern prallen wollen. Seine Worte hallten immer noch in meinem Kopf wider und ließen mich zögern. Ich wollte es, aber ich hatte auch Angst. Ich hatte Angst vor dem Unbekannten, vor dem, was passieren könnte.
Ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen, und meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich verzweifelt versuchte, den Mut aufzubringen, es zu tun. Ich wusste, was er von mir wollte, aber ich konnte nicht. Ich traute mich nicht, mich auf seinen Schoß zu setzen und ihn zu küssen. Meine Beine zitterten wie Espenlaub und mein Körper weigerte sich, auch nur einen einzigen Schritt auf ihn zuzumachen. Meine Kehle war trocken und meine Gedanken rasten wie ein wildgewordener Sturm durch meinen Kopf.

Er sah mich einen Moment lang an. Seine Augen waren immer noch so undurchdringlich wie die Nacht. Er schien zu spüren, dass ich mich nicht traute, und ein leises Seufzen entkam seiner Kehle, begleitet von einem kaum merklichen Kopfschütteln. "Wusste ich es doch", sagte er mit einer Gleichgültigkeit, die mich noch mehr verunsicherte. Er senkte seinen Blick wieder auf sein Handy, dessen kaltes, blaues Licht seine Gesichtszüge scharf hervorhob. "Du solltest erst einmal lernen, was du überhaupt willst, bevor du so eine absurde Bitte von jemandem verlangst. Wobei du froh sein solltest, dass ich ablehne. Ich kenne durchaus Leute, denen es scheißegal gewesen wäre", fügte er noch hinzu, und seine Stimme klang so kalt und hart wie Eis.

Ich schluckte schwer, mein Hals war wie zugeschnürt und meine Hände zitterten leicht. Ich war so ein Feigling. Erst bat ich ihn um so etwas Persönliches und machte dann einen lächerlichen Rückzieher. Vielleicht war es einfach nicht meine Art, mutig zu sein, sondern weiterhin der schüchterne und zurückhaltende zu sein, der ich schon immer gewesen war. "Ich...", begann ich und stockte kurz. "Tut mir leid", murmelte ich, während ich spürte, wie meine Augen glasig wurden und begannen zu brennen.
Ich schielte zu ihm hinauf, doch sein Blick galt nur weiter, diesem dämlichen Gerät in seiner Hand. Eine abschätzige Geste seiner Hand ließ mich zusammenzucken, als hätte er mich körperlich berührt. Er hielt es nicht für nötig, mir eine Antwort zu geben, nicht einmal einen Blick in meine Richtung. Mit zusammengebissenen Zähnen und einem Gefühl der Demütigung, das sich wie ein schwerer Stein in meiner Brust ausbreitete, verließ ich den Raum, der nun noch düsterer und erdrückender erschien als zuvor.

Im Flur lehnte ich mich gegen die kalte Tür und atmete tief durch, um mich selbst zu beruhigen. Was um alles in der Welt hatte mich dazu getrieben, diese absurde Idee auszusprechen? Bei einen völlig Fremden? Es war doch klar, dass er ablehnte.
Wie konnte ich nur denken, nur weil er selbst sagte, dass er mit vielen schlief, dass er es auch mit mir tun würde, nur weil ich ihn darum bitte? Das war einfach völlig lächerlich. Wer würde schon freiwillig mit einer unerfahrenen Jungfrau schlafen wollen?
Ich spürte, wie mir immer mehr Tränen in die Augen stiegen und mein Herz immer schneller schlug. Kopfschüttelnd, als würde es mir helfen, den Kopf freizubekommen, stieß ich mich von der Tür ab und wischte mir einmal über die Augen, um die Tränen zu entfernen, die drohten überzulaufen.
Mit langsamen, zögerlichen Schritten ging ich durch den finsteren Korridor, der nun noch bedrohlicher wirkte als jemals zuvor. Die Schatten an den Wänden schienen zu tanzen und zu flüstern, als würden sie meine Verzweiflung und meine Scham spüren.

Als ich das Stationszimmer erreichte, waren Jisung und Kazuha immer noch am Streiten, doch ich blendete sie völlig aus. Mit letzter Kraft ließ ich mich auf die abgewetzte Couch sinken, die dort so fehl am Platz wirkte. Wenn das Schicksal es so wollte, würde ich halt als Jungfrau sterben, und in diesem Moment war mir das herzlich egal. So eine Demütigung wie eben will ich mir nicht noch einmal antun. Zumindest hatte ich den Mut aufgebracht, zu fragen, auch wenn alles andere zu wünschen übrigließ.
Die restliche Nachtschicht zog sich wie Kaugummi. Ich sagte Jisung, dass ich mich nicht wohlfühlte und daher keine weitere Kontrollrunde übernehmen könnte, was er mir zum Glück abnahm und es für mich übernahm. Ich wollte Hyunjin wirklich nicht mehr unter die Augen treten – dafür war mir das viel zu peinlich. In drei Tagen wäre er ohnehin weg, und ich müsste ihn nicht wiedersehen. Zwar wich Jisung mir deshalb nicht mehr von meiner Seite, wenn er zurück war, aber das war mir recht. Wenn er nicht gerade versuchte, mich zu trösten und sich, um mich zu sorgen, stritt er weiterhin mit unserer Kollegin.

Fractured Fates ʰʸᵘⁿˡᶦˣWo Geschichten leben. Entdecke jetzt