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POV Finn

Müde stapfte ich durch die morgendliche Kälte und schob meine Finger tiefer in die Taschen meines Pullis. Gestern Abend war nicht mehr viel passiert, außer, dass ich eine lange Unterhaltung mit meinem Bruder über Ben geführt hatte. Er fand sein Verhalten eher lustig, als tragisch und gab mir vor, mich ein bisschen lockerer zu machen und auch ein bisschen drauf einzugehen, da ich es ja schließlich war, der ihn am liebsten mitnehmen, nie mehr hergeben und in meinem Schrank verstecken wollte... Oder doch besser in mein Bett?! Er hatte mir dazu noch klar gemacht, dass ich mit 16 Jahren auch mal langsam etwas mehr Selbstvertrauen ansammeln sollte. Und ja, vielleicht sollte ich mir das echt mal zu Herzen nehmen.
Viel zu schnell kam ich an dem schon gefüllten Schulhof an. Ich hätte lieber noch mehr Zeit, um mir zu überlegen, wie ich Ben jetzt entgegentreten sollte, zumal wir direkt die erste Stunde Biologie zusammen hatten. Mein Kopf war also immer noch voll von Gedanken, als ich zu meinen Freunden trat. Sollte ich ihn ignorieren, oder doch auf Tim hören. Er war mein Bruder, er wusste wohl, was gut für mich war. Doch sobald ich den Klassenraum betrat und mein Blick auf Ben fiel, der umgeben von seinen üblichen Schergen auf einem der Tische in der ersten Reihe saß und sich laut lachend mit ihnen unterhielt, waren all die guten Vorsätze vergessen und ich starrte fest auf den Boden vor meinen schwarzen Sneakern. "Hey Finn... Kopf hoch, wir wollen doch alle dein hübsches Gesicht bewundern!" Bens Stimme ließ meinen Kopf ruckartig hochfahren. Die älteren Jungs auf den Tischen ringsum ihn verfielen in dröhnendes Lachen und auch Ben selber grinste. Ich stand etwas hilflos dort. Mein Kopf vermutlich in der Farbe einer Tomate und meine Lippen leicht geöffnet. Der Verursacher meiner Verschämtheit zwinkerte mir jetzt verschwörerisch zu und ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Er sah heute mal wieder besonders umwerfend aus. Das dunkle fast schwarze Haar schien die perfekte Länge und das Licht, das durch die hohen Fenster fiel, brach sich in dem tiefen Blau seiner Augen. Gott, war er wunderschön. Neben ihm würde ich sicher aussehen, wie der letzte Dreck, dünn und unscheinbar, wie ich nun mal war. Doch mit einem mal wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mich Anna energisch an meinen Arm hinter sich her zu den letzten Reihen zog. Das Lachen und Bens verschmitzter Blick folgten mir, als ich schnellen Schrittes und mit nun wieder gesenkten, hochroten Kopf hinter meiner besten Freundin her geschleift wurde. Hinten angekommen, griff sie mich feste an Schultern und drehte mich zu ihr um. "Was war das denn gerade?" fragte Anna fassungslos flüsternd. "Was meinst du?" ich war verwirrt. Bens Blick hatte mich komplett aus der Bahn geworfen. "Mensch Finn, du hast den Idioten angestarrt, als wäre er dein Gott höchstpersönlich. Noch eine Sekunde länger und es wäre richtig peinlich geworden... Sei mir lieber dankbar!" "Danke, Anna." sagte ich komplett abwesend. In meinem Kopf kreiste immer noch nur sein Gesicht. Oh Gott, er machte mich verrückt. Anna schüttelte nur resigniert ihren Kopf, murmelte etwas von "hoffnungslos" und ich war froh, dass mich das Klingeln der Glocke vor weiteren Fragen rettete.
Während des Unterrichts achtete ich nicht auf unsere Lehrerin. Meine Aufmerksamkeit galt ausschließlich Ben, welcher, lässig an die Lehne seines Stuhls gelehnt, aus dem Fenster schaute. Ich beobachtete ihn. Seine Haare sahen so weich aus, wie ein Kissen. Ich stellte mir vor, ganz winzig klein zu sein und in seinen Haaren zu leben. Irgendwie fand ich diese Vorstellung so lustig, dass ich ein lautes Auflachen nicht unterdrücken konnte und so passierte es, dass sich alle Köpfe der Klasse ruckartig zu mir drehten und mich fragend ansahen. So auch Ben, der wohl bemerkte, dass mein Blick ihm galt und deswegen seinen Kopf leicht schief legte. Mit vor Scham brodelnden Kopf, sank ich tiefer in meinen Stuhl und versuchte die wenigen Blicke, die noch mir zugewandt waren, zu ignorieren.


POV Ben

Ich saß grade von meinen Freunden umgeben im Klassenraum und unterhielt mich mit ihnen über die anstehende Party am Wochenende, als Finn den Raum betrat. Er hatte den Kopf gesenkt, sodass ich mir ein "Hey Finn, Kopf hoch, wir wollen doch alle dein hübsches Gesicht bewundern." nicht verkneifen konnte. Alle um mich herum fingen an zu lachen und ich stimmte leicht mit ein, obwohl ich die Äußerung durchaus ernst gemeint hatte. Ich sah ihn gerne an, aber wenn ich das zugeben würde, würde mich doch eh keiner mehr für voll nehmen und ich hatte ja schließlich einen Ruf zu verlieren.

Ich beobachtete wie Finn knallrot anlief, jedoch seinen Blick auf mich gerichtet hielt. Er schien wie hypnotisiert, doch mir ging es genauso. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich meinen Blick nicht von diesen unfassbar blauen Augen abwenden können. Der Moment wurde je unterbrochen, als ein Mädchen, ich glaube seine beste Freundin, ihn am Arm packte und ihn zu seinem Platz schleifte. Es gab mir einen Stich, zu sehen, wie vertraut die beiden miteinander umzugehen schienen, doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, da mich im nächsten Moment ein Ellenbogen zwischen die Rippen traf. Als ich meinen Kopf drehte, um zu schauen, wem dieser gehörte, blickte ich in das feixende Gesicht von Nick, "Na wenn dich da mal keiner vergöttert. Hast du seinen Blick gesehen? Ich glaube, er hätte dich am liebsten hier und jetzt angesprungen. Und ich meine nicht auf die 'Ich reiß dir den Kopf ab-Art' sondern eher auf die 'Ich will dich unbedingt-Art'! Pass auf, dass er nicht irgendwann über dich herfällt." Jetzt fing er richtig an zu lachen, während ich nur still vor mich hingrinste. Wenn Nick wirklich recht hatte und Finn wirklich in irgendeiner Art begann Interesse an mir zu entwickeln, dann war das ein ziemlich großer Fortschritt. Ob er das wohl überhaupt wollte? Ich meine, vielleicht war er ja gar nicht an Jungs interessiert. Naja, wenn nicht, dann hätte er gestern ja wohl kaum so auf mich reagiert und auch meine Sprüche ließen ihn ja alles andere als kalt. Trotzdem hatte ich plötzlich das Bedürfnis, dass er in mir mehr sah, als jemanden, der ihn nur ins Bett kriegen wollte. Just in dem Moment ertönte ein engelsgleiches Lachen hinter mir, welches mir Gänsehaut bescherte. Es war mehr als deutlich zu hören, da der Unterricht bereits begonnen hatte. Genau wie der Rest der Klasse, einschließlich unserer Lehrerin, drehte ich mich zu dem Geräusch um und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als mein Blick Finns traf, welcher grade mit hochrotem Kopf immer weiter in seinen Stuhl rutschte. Dieser Anblick war einfach nur göttlich. Wie konnte jemand nur so niedlich sein? Oh man, bin ich froh, dass niemand meine Gedanken hören konnte. Meinen Ruf als Badboy hätte ich dann gleich in die Tonne kloppen können. Dieser Junge würde noch mein Untergang sein, so viel stand fest.

Als es zur Pause klingelte, schaffte ich es irgendwie Nick und den Rest schnell los zu werden, bevor ich mir meinen kleinen Blondschopf im rausgehen krallte und in den Abstellraum zog. Zu schade für ihn, dass seine kleine Freundin scheinbar schon ohne ihn vorgegangen war. Er versuchte sich aus meinem Griff zu winden, doch er hatte nicht den Hauch einer Chance. Sobald ich die Tür geschlossen hatte, presste ich ihn mit meinem Körper dagegen und hielt seine Handgelenke über seinem Kopf fest, um Fluchtversuche zu vermeiden. Ich wusste, wie diese Situation wirkte, aber ich genoss sie viel zu sehr, als das ich mir darüber Gedanken machte. Mal abgesehen davon, dass ich ja durchaus auch solche Absichten hatte. "Na, was war denn eben so lustig, Süßer?" Mir war klar, dass ich ihn auch einfach im Gang oder in der Klasse hätte fragen können, aber wo bliebe denn da der Spaß? Ich spürte seinen schnellen Herzschlag an seiner Brust und seinen warmen Atem auf dem Gesicht. Seine Augen waren weit aufgerissen und er schluckte schwer. Oh wie gern ich jetzt einfach... Nein. Das konnte ich jetzt nicht bringen. Was machte ich hier überhaupt? Wollte ich nicht eben noch, dass er mich mochte? Das er nicht völlig eingeschüchtert war? Aber ich konnte es einfach nicht lassen. Irgendwas an ihm provozierte diese Seite in mir zutiefst und ich war entschlossen herauszufinden, was es war.


Things change (boyxboy)Where stories live. Discover now