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POV Ben

Als Finn sich ohne zu zögern das Shirt über den Kopf zog, konnte ich nicht anders, als ihn anzustarren. Er war so unglaublich heiß, auch mit den vielen Prellungen, welche seinen ganzen Oberkörper zierten. Ich wollte nicht, dass er ein anderes T-Shirt anzog. Wenn dann wollte ich, dass er noch mehr seiner Kleidung verlor, aber das ging nicht. Er war schließlich verletzt und so gern ich ihn auch wollte, so wenig wollte ich, dass er noch mehr Schmerzen hatte. Ich bemerkte, dass ich ihn schon ziemlich lange gierig angestarrt hatte, als mir mit einem Mal eines meiner Lieblings-Shirts die Aussicht versperrte und mein Blick sich wieder auf Finns Gesicht richtete, welches eine dunkelrote Farbe angenommen hatte. Ich musste grinsen. "Ach Süßer, dein Körper ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Wärst du nicht verletzt, würde ich hier und jetzt über dich herfallen." legte ich ihm meine Gedanken offen dar. Er vergrub peinlich berührt den Kopf in seinen Händen. Wie konnte jemand nur so unschuldig sein? Ich stand auf, trat zu ihm und zog seine Hände sanft von seinem Gesicht weg. Kurz schaute ich ihm in seine wunderschönen Augen, ehe ich meinen Blick auf seine Lippe richtete, welche ein langer Riss zierte. Vorsichtig ließ ich meinen Daumen darüber gleiten, was bei Finn eine Gänsehaut auslöste. "So schön." ,murmelte ich leise. "Du solltest doch aufpassen, dass ihnen nichts geschieht." Er erwiderte nichts, sondern verfolgte bloß jede meiner Bewegungen aufmerksam, sodass ich meine Finger langsam zu seiner Augenbraue wandern ließ, darüber strich und meine Hand dann sanft auf seine Wange legte. Ich sah wieder in seine Augen und kam ihm mit meinem Gesicht immer näher, doch kurz bevor sich unsere Lippen berührten stoppte ich. "Darf ich?", hauchte ich und betete darum, dass er mir die Erlaubnis gab. Erst reagierte er nicht, doch dann nickte er zaghaft und ich verschloss mit einem Lächeln seine Lippen mit meinen.

Meine Augen schlossen sich und ein Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Der Kuss war sanft, unschuldig und einfach perfekt. Noch nie hatte ich einen Kuss so dermaßen genossen, noch nie solch ein Feuerwerk in mir explodieren gespürt, wie als Finn seine Lippen langsam gegen meine bewegte und seine Arme um meinen Nacken schlang und ich meine Hände an seine Hüften legte. Ich löste mich erst von ihm, als ich Blut schmeckte. Der Riss in seiner Lippe hatte wieder angefangen zu bluten und in diesem Moment verfluchte ich Nick gleich noch mehr für seine Taten. Ich wollte Finn wieder und wieder küssen, doch wieder hielt mich der Gedanke daran, dass er Schmerzen haben könnte, davon ab, sodass ich einfach meine Arme um ihn schlang und ihn an mich zog, jedoch so vorsichtig wie möglich, wegen der vielen Blutergüsse. Er legte seinen Kopf auf meiner Brust ab und gab ein zufriedenes Geräusch von sich, was mich zum Schmunzeln brachte. Wie hatte er es nur geschafft mich so schnell zu beeinflussen? Ich verhielt mich in seiner Gegenwart ganz anders, als ich es sonst getan hätte, doch es war vermutlich eine gute Veränderung. Ich war ruhiger, wenn er bei mir war und ich fühlte mich wohl in seiner Gegenwart. Dieser Junge hatte etwas an sich, was ich wollte, brauchte. So schnell würde ich ihn auf jeden Fall nicht mehr gehen lassen, denn auch ein Badboy kann sich verlieben.

Wir standen noch eine Weile einfach eng umschlungen in meinem Zimmer, ehe ich mich widerwillig von ihm löste und ihm ins Gesicht sah. Sein Lächeln, welches er bis eben auf dem Gesicht trug verblasste und machte einer enttäuschten Miene platz. Er dachte doch jetzt nicht etwa, ich würde ihn von mir wegstoßen, oder? Denn das war nun wirklich nicht der Fall. "Was meinst du, wollen wir Pizza bestellen und dann einen Film gucken?", fragte ich ihn deshalb und schenkte ihm ein Lächeln, welches er mit einem überraschtem Gesichtsausdruck quittierte. Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm ich ihn am Handgelenk und zog ihn mit mir in die Küche, wo ich ihm einen Flyer von der nächsten Pizzeria in die Hand drückte und ihn angrinste. "Such dir was aus."

POV Finn

"Das, was du willst." antwortete ich ihm kurz und fügte noch ein "Ich bin mal kurz im Bad, ok?" hinzu und Ben, der schon das Handy an sein Ohr hielt, nickte nur abgelenkt und ich verließ das Wohnzimmer in Richtung des Raumes, welchen ich eben schon durch eine offene Tür identifizieren konnte. Mir war total schwindelig. Durch meinen Körper rasten abwechselnd das Nachfeuerwerk des Kusses, welcher wundervolle Gefühle in mir ausgelöst hatte, aber auch der immer wieder aufkommende Schauer der Verwirrung. In meinen Kopf häuften sich Fragen über Fragen und die allgemeine Überraschung, dass er mir so schnell so nah gekommen war. Deshalb stolperte ich mehr schlecht als recht in sein Badezimmer und ließ eiskaltes Wasser erst in meine zusammengelegten Hände und dann in mein Gesicht laufen.
Wie auch das letzte Mal, schaffte es mit sofortiger Wirkung meine Gedanken zu ordnen und Klarheit zu schaffen. Es hatte statt all der Zweifel und Verwunderung, Platz für die riesige Freude gemacht, die mich nun komplett ausfüllte. Mein langjähriger Schwarm hatte mich geküsst und wollte jetzt auch noch mit mir den Abend verbringen! Es war ein wundervolles Gefühl, dass mich von Kopf bis Fuß ausfüllte. Ich hatte es niemals für möglich gehalten, dass er überhaupt schwul sei, geschweige denn sich für mich interessierte. Und jetzt stand ich in seinem Bad und mich erwartete ein vermutlich toller Abend zusammen mit Ben. Ich war einfach nur glücklich. Also verließ ich den Raum und lief geradewegs zu dem Auslöser dieser Glücksgefühle, welcher es sich auf seiner schwarzen Ledercouch gemütlich gemacht hatte und anscheinend mit geschlossenen Augen auf mich wartete. Also nutze ich die Gelegenheit, um mich an ihn ran zu schleichen und mich auf ihn drauf zu schmeißen. Vielleicht war das etwas zu viel, dafür, dass wir uns gerade zuallererst geküsst hatten und vielleicht war es auch etwas kindisch, aber das war mir total egal. So gut hatte ich mich lange nicht mehr gefühlt. Ich fühlte mich regelrecht wie auf Wolke sieben. Zum Glück schien es Ben genauso zu gehen, denn sein überraschter Ausdruck wechselte augenblicklich in ein Schmunzeln, als er in mein breit grinsendes Gesicht sah und er drückte mich fest an sich. Ich kuschelte mich an seine feste Brust und rollte mich wie eine schlafende Katze auf ihm zusammen. Ich spürte, wie Ben seine Nase in meinem blonden Haar versenkte und dessen Duft einatmete. Ich grinste über diese liebevolle Geste und drehte meinen Kopf hoch, sodass ich in sein Gesicht sehen konnte. Er lächelte, ich lächelte. Es war ein wundervoller Moment, als sich seine vollen Lippen langsam meinen nährten. Doch kurz bevor sie sich zu einem Kuss verbanden, riss mich das Klingeln meines Handys aus der verträumten Situation. Mist, vor lauter Geschehnissen und Gefühlen an diesem ereignisreichen Tag, hatte ich komplett vergessen, bei mir zu Hause anzurufen und zu sagen, dass ich erst später nachhause kommen würde. Da ich meine Familie gut kannte und mir sicher war, dass sie sich Sorgen machten, löste ich mich niedergeschlagen von Ben, nicht ohne ihn noch einmal entschuldigen anzulächeln.

"Hallo?" meldete ich mich an dem Handy angekommen. "Finn, wo bist du? Ich mache mir Sorgen, du müsstest doch schon längst von der Schule zuhause sein!" brüllte mir die Stimme meines älteren Bruders ins Ohr. "Tut mir wirklich leid, Tim." fing ich an mich zu erklären:"Ich bin noch mit zu Ben, weil es einen Zwischenfall gab..." "Ben? DER Ben?" rief mein Bruder begeistert in den Hörer. Sofort war die Sache, dass ich mich nicht gemeldet hatte vergessen. "Jaa, genau der." Ich hörte, wie er nach Luft schnappte, eh er fast doppelt so schnell wie zuvor zu mir sprach:"Hör zu, Mama und Papa sind bis ca. 24 Uhr bei dem Geburtstag bei Freunden. Bis dorthin solltest du da sein, damit es keine Probleme gibt. Somit hast du noch ganze 6 Stunden Zeit das zu tun, was du für richtig hältst, aber denk dann du bist noch 16!" ich musste bei dieser Aussage automatisch grinsen. Einmal wegen seiner typischen, viel zu übertriebenen Besorgnis über meine lang erhaltene Unschuld, als auch über die Vorstellung, die er mir damit in den Kopf gesetzt hatte. "...Mama und Papa werden natürlich nichts erfahren. Aber jetzt geh schon zu Ben." fügte Tim noch hinzu. "Danke, du bist toll. Hab dich lieb." verabschiedete ich mich schnell, da ich genau das vorhatte. Ich hörte noch das allzu bekannte Lachen meines Bruders durch den blechernen Sound meines Handys, bevor er mit einem "Ich dich auch, Finni." auflegte. Und schon war ich wieder zu Ben gehoppst, um mich dort wieder in seine Arme zu schmeißen. Gott, war ich jetzt schon abhängig von ihm.

Things change (boyxboy)Where stories live. Discover now