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POV Finn

Das erlösende Klingeln der Schulglocke holte mich aus meiner Starre. Ich konnte mich die ganze Stunde lang schon nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften meine Gedanken zu Ben ab. Ich konnte und wollte es nicht verstehen, warum er mich plötzlich so abschrieb. War nicht alles noch so toll gewesen? Ich dachte schon, dass wir sogar ein Paar werden würden, ein Traum, den ich schon immer hatte. Doch von einen auf den anderen Moment machte er alles kaputt. Ich war wütend, verdammt wütend. Dies zeigte ich ihm auch, als er in der Pause versuchte mit mir zu reden.

"Finn, jetzt hör mir endlich zu." beschwerte Ben sich nun zum wiederholten Mal und versuchte mich davon abzuhalten, einfach zu gehen. Ich wollte nicht zuhören und auch nicht reden, ich wollte einfach meine Ruhe. Ich war verletzt und wenn man mich verletzte, brauchte ich Zeit, um mich wieder zu beruhigen. Das war schon immer so und würde sich wahrscheinlich nie ändern.

Also packte ich mir nur meine Kopfhörer in die Ohren und unterbrach seine Erklärungen und Ausreden. "Ben, geh lieber und lass mich in Ruhe... Wir wollen doch nicht, dass man dich mit mir zusammen sieht." Meine Stimme klang weniger vorwurfsvoll als erhofft, eher konnte man meine Verletztheit klar raushören und zum Ende hin zitterte sie gefährlich. Ben sagte noch etwas, was allerdings die Musik in meinen Ohren übertönte und ich starrte nur stur ein paar Zentimeter neben ihn.

Ich konnte ihn nicht ansehen. Würde ich in diese wundervollen sanften Augen sehen, würde ich eh wieder weich werden. Schließlich wandte sich Ben ab und verschwand wahrscheinlich zu seinen Freunden. Um ehrlich zu sein, machte mich das nur noch trauriger. Ich hatte erhofft, dass er mich anbetteln würde, ihm zu verzeihen und auch wenn ich mir eben gewünscht hatte, dass er mich in Ruhe lasst, hätte ich ihn jetzt wieder am liebsten bei mir. War ich zu hart gewesen? Manchmal verstand ich mich selbst nicht mehr.

Wütend auf mich selber, begab ich mich deshalb schon zwei Minuten früher zu dem Klassenraum. Mathe stand an. Ein Fach, mit dem ich mal wieder gar nicht klar kam. Ich hatte schon immer Probleme damit, mir Formeln oder Rechenwege zu merken und dementsprechend sahen meist auch meine Klassenarbeiten aus. Schon öfter hatte meine Lehrerin mich drauf angesprochen, ob ich mir nicht Nachhilfe bei einem der älteren Schüler unserer gemischten Klasse holen wollte. So auch dieses mal, als wir die neusten Arbeiten wiederbekamen. Doch zum ersten Mal handelte sie etwas radikaler, da ich schon die zweite fünf in diesem Jahr geschrieben hatte. So richtete sie sich gleich an die Klasse:"Wie viele von euch sicher wissen, hat Finn sichtliche Probleme in meinem Matheunterricht. Ich würde mich freuen, wenn sich unter den Älteren hier jemand finden würde, der ihm da vielleicht etwas helfen könnte." entgeistert sah ich sie an, nur um dann völlig beschämt in meinem Stuhl zu versinken. Das konnte sie doch nicht machen.

POV Ben

Das 'Gespräch' in der Pause war alles andere als gut verlaufen war. Am Ende hatte er mir ja nicht mal mehr zugehört, als ich ihm sagte, wie leid es mir tat, weil er mir in dieser kurzen Zeit doch schon so wichtig geworden war. Stattdessen blickte er stur an mir vorbei und ignorierte alles, was ich sagte und das tat weh. Es dauerte lange, bis ich mich dazu durchringen konnte ihm zu sagen, wie gern ich ihn doch hatte und jetzt interessierte es ihn nicht. Hatte ich ihn jetzt schon verloren? Es hatte doch eigentlich noch gar nicht richtig angefangen, da sollte es nicht jetzt schon vorbei sein.

Auch wenn er es vieleicht nicht wollte, würde ich um ihn kämpfen. Da kam mir die Ansprache unserer Mathelehrerin mehr als recht, als sie einen von uns bat, sich Finns anzunehmen und ihm zu helfen, da er offensichtlich große Probleme mit einem meiner besten Fächer hatte. Meine Hand schoss sofort nach oben, woraufhin mich die gesamte Klasse, samt Finn erstaunt ansah und sich unsere Lehrerin mit einem zufriedenem Nicken mir zuwandte. "Sehr schön Ben, dann fangt ihr am besten heute oder morgen schon an. Es ist wirklich bitter nötig." Finn der eh schon rot um die Nase gewesen war, verfärbte sich noch einen Ton dunkler und verbarg den Kopf in den Händen. Ich musste lächeln. Egal ob es ihm passte oder nicht, ich würde ihn jetzt nicht aufgeben. Auch wenn ich dafür mit ihm Mathe lernen musste. Wirklich ich hatte nichts gegen Mathe, ich verstand meist sogar alles ohne Probleme, aber freiwillig hätte ich mich in meiner Freizeit sicher nicht damit beschäftigt.

"Sag mal, warum bist du denn so erpicht darauf mit der Schwuchtel Mathe zu lernen?", kam es von Nick hinter mir. Wir hatten heute noch nicht miteinander gesprochen, da ich darauf nach gestern auch eigentlich wirklich keine Lust zu hatte, doch jetzt drehte ich mich zu ihm um. "Wenn du ihn noch einmal Schwuchtel nennst, siehst du bald noch schlimmer aus als er nach deiner Aktion gestern und mal abgesehen davon geht dich das so überhaupt nichts an." Mein Ton war eisig und Nick lehnte sich wieder zurück ohne noch irgendetwas dazu zu sagen. Auch wenn er einer von der harten Sorte war, so wusste er, dass er sich lieber nicht mit mir anlegen sollte. Das wussten hier alle und er als mein bester Freund wahrscheinlich sogar noch am besten. Wenn er überhaupt noch mein bester Freund war.

Die restliche Mathe Stunde überstand ich ziemlich gut. Ich konnte mitarbeiten, es kamen keine abfälligen Kommentare mehr von hinten und ich war wieder ein bisschen optimistischer als noch nach dem Gespräch in der Pause. Ob er sich wohl überreden ließ, sich direkt heute mit mir zu treffen? Einen Versuch war es Wert. Da wir heute unseren kurzen Tag hatten und jede Stunde 90 Minuten dauerte, sodass wir immer nur 3 Fächer am Tag hatten, waren wir für heute durch, als uns die Schulklingel erlöste. Sofort schnappte ich mir meine Sachen und lief zu Finn, welcher grade verzweifelt versuchte seinen Block in seine überfüllte Tasche zu stopfen. "So bereit für die Nachhilfe?" er blickte hoch. "Ich kann nicht. Mein Bruder wartet bestimmt auf mich nachdem ich gestern nicht nach hause gekommen bin." Er schnappte sich seine nun gepackte Tasche und lief aus der Klasse. Aber wenn er wirklich dachte, dass ich nun aufgeben würde, lag er falsch.

"Wir können doch auch zu dir. Macht mir nichts aus. Wirklich." Er seufzte und lief schneller. "Nein Ben heute nicht." "Ach komm schon. Lass uns das doch bitte einfach klären." Er drehte sich zu mir und blieb stehen. "Versteh es doch bitte, ich brauche Zeit. Wir sehen uns morgen Ben." Damit drehte er sich wieder um und ließ mich alleine und enttäuscht auf dem Schulparkplatz zurück.


Things change (boyxboy)Where stories live. Discover now