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POV Ben

Als ich ihn losließ, stieß er laut die Luft aus. Hatte er sie angehalten? Naja, egal. "Du hast meine Frage noch nicht beantwortet." Selbst in dem Dämmerlicht, welches hier drin herrschte, sah ich, dass er rot wurde. Ich liebte es einfach, wenn er rot wurde. Er sah dann immer so unschuldig aus. Obwohl; eigentlich sah er immer unschuldig aus. "Naja" fing er leise an "Deine Haare sahen so weich aus und da hab ich mir vorgestellt wieeswäreganzkleinzuseinunddarinzuleben." Den letzten Teil sagte er ganz schnell und nuschelte dabei, doch ich verstand ihn trotzdem und brach in schallendes Gelächter aus. Manchmal fragte ich mich wirklich, was in seinem hübschen Köpfchen vorging. Wahrscheinlich träumte er auch von Zuckerwatte und Einhörnern, die auf Regenbögen ritten. Als ich mich ein wenig erholt hatte und zu ihm hochblickte, sah er beschämt und traurig auf den Boden, während er auf seine Lippe biss. Mist! Ich hatte ihn doch nicht kränken wollen. Ich fand nur die Vorstellung so lustig, mal ganz abgesehen von der unglaublichen Unschuld, die er bei der Wiedergabe seiner Gedanken an den Tag gelegt hatte und welche mich jedes Mal wieder aufs Neue überraschte. "Hey, das war doch nicht böse gemeint. Ich mag es nicht, wenn du traurig bist. Also wärst du bitte so lieb und würdest mir wieder dieses zauberhafte Lächeln zeigen? Und hör auf auf deiner Lippe zu kauen, die brauch ich schließlich noch." Wieder lief er rot an, hob den Blick jedoch nicht. Trotzdem sah ich das kleine Lächeln, welches sich auf diese unglaublichen Lippen geschlichen hatte. "Na siehst du, schon viel besser. Und jetzt komm, lass uns gehen. Ich hätte gerne wenigstens noch ein paar Minuten von der Pause." Ich zwinkerte ihm zu und verließ den Abstellraum. Er folgte mir nicht direkt, doch nach ein paar Schritten, als hörte ich, wie sich die Tür schloss, drehte mich nochmal um, um Finn ein letztes Mal anzugrinsen und machte mich dann auf den Weg zu Nick und dem Rest.

POV Finn

Vollkommen verwirrt, aber auch mit einem guten Gefühl im Bauch, verließ ich nach einiger Zeit die Abstellkammer, aus welche Ben soeben geflüchtet war. Irgendwie zweifelte ich immer mehr an meiner Vermutung, dass Ben hundertprozentig hetero ist. Natürlich könnten alle seine Worte und Aktionen auch nur Spaß sein und er wollte mich verarschen, wie seine ganzen "tollen" Freunde es immer bei mir taten, oder er meinte es eben ernst. Und die zweite Möglichkeit gefiel mir um Längen besser. Zum Glück war ich stolzer Kenner der besten Methode, um solche wirren Gedanken loszuwerden und so machte ich mich auf den Weg zu der Jungentoilette. Dort angekommen warf ich mir zu allererst eine handvoll, eiskaltes Wasser in mein, noch immer zu warmes, Gesicht. Ich ließ meine Augen geschlossen und hob meinen Kopf. Sofort schienen meine Gedanken geordneter und zufrieden striffen meine Finger das überschüssige Wasser von meinen Wangen. Es war, als ob das Wasser alle schlechten Dinge wie von Zauberhand aus meinem Kopf gewaschen hatte. Ich lächelte etwas über meine innere Befreitheit und öffnete dann meine Augen. Ich besah mir mein noch immer von Wassertropfen übersätes Gesicht in dem dreckigen, leicht milchigen Glas des Spiegels vor mir. Ich würde nicht sagen, dass mir missfiel, was ich dort sah. Eigentlich war ich sogar ganz zufrieden mit meinem Aussehen. Die hohen Wangenknochen, die klare Kontur meiner vollen rosanen Lippen und meine strahlenden blauen Augen... Nein, hässlich war ich wirklich nicht. Aber dennoch wäre ich lieber wie er. Ben hatte so eine männliche Ausstrahlung. Alles an ihm war so markant, so heiß, so unendlich anziehend. Verglichen zu ihm sah ich aus wie ein Kind aus dem Knabenchor, mit den schmalen Schultern und dem nicht vorhandenen Bartwuchs. Gerade als ich mich frustriert abwenden wollte, betrat Nick, einer von Bens besten Freunden, ebenfalls den Toilettenraum. So unauffällig wie möglich striff ich meine feuchten Hände an meiner dunklen Jeans ab und versuchte durch die Tür zu gelangen. Nick hatte fast nie ein gutes Wort für mich übrig. Meist musste ich mir irgendwelche Beleidigungen von ihm anhören oder seine Späße über mich ergehen lassen. So wie auch dieses mal. "Hey Kleiner, nicht so schnell!" und mit diesen Worten riss er mich unsanft wieder zu ihm zu den Waschbecken. "Was willst du, Nick?" sagte ich so fest, wie ich es herausbringen konnte. "Ach Finni, das wollte ich dich gerade fragen... Was willst DU von Ben?" er sprach die Worte mit einer solchen grausamen Belustigung aus, dass ich Gänsehaut am ganzen Körper bekam. "Ich...ich...ähm..." versuchte ich mich stotternd rauszureden. Was sollte ich jetzt sagen? Doch bevor ich Zeit hatte, mir etwas Kluges auszudenken, hatte er mich schon mit einem verächtlichen Lachen von sich gestoßen:"Oh, hatte ich also recht gehabt... Unser Finni ist eine kleine Schwuchtel!" geschockt starrte ich ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Ich kann gar nicht sagen, warum, aber irgendwie machten mich diese Worte rasend. In meinem Bauch wuchs ein riesiger Klumpen Wut und Aggression und ich kniff wütend meine eh schon relativ schlitzigen Augen zusammen. Was hatte mein Bruder gestern noch gesagt? 'Lern dich zu verteidigen... Lass dich nicht so behandeln!'. Also tat ich etwas, was ich noch nie zuvor getan hatte, ich schlug zu. Zwar war es eine Leichtigkeit für Nick sich unter meinem eher schwachen Schlag wegzuducken, aber dennoch hatte ich es mich getraut. Irgendwie weckte das in mir drinnen eine Mischung aus Stolz und Verachtung auf mich selbst. Doch mit einem mal wurde ich von meinem Gegenüber am Kragen gepackt und blitzschnell und hart gegen die Wand hinter mir gepresst. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah ich zu, wie schon die erste Faust in meinem Gesicht landete. Es war ein Fehler. Ein schwerer, massiver Fehler, den ich soeben begannen hatte, als ich Nick angegriffen hatte. Und dafür musste ich jetzt büßen.

Things change (boyxboy)Where stories live. Discover now