23: Im Wald

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Das die letzte Schulstunde ausfiel, sahen Alice und ich als Wink des Schicksals den Tag zusammen zu nutzen. Um die Mittagszeit herum saßen wir deshalb am Ufer des kleinen Waldsees, indem ich mein Medallion zu ensorgen versucht hatte und Alice versuchte mir beizubringen Steine über die Wasseroberfläche springen zu lassen, gab es aber irgendwann auf. Ich war einfach hoffnungslos schlecht. Das Wasser lag nach meinen Versuchen glatt und glänzend vor uns, wie ein Spiegel
"Kannst du eigentlich..."
Ich brach den Satz ab. Eigentlich hatte ich fragen wollen, ob sie unter Wasser atmen konnte, aber in meinem Kopf hatte das irgendwie besser geklungen. Nicht so kindisch. "Kann ich was?"
"Nichts. Ich hab mich nur gerade gefragt, wer meine Kette aus dem See geholt haben könnte..."
"Das war ich. Ich dachte, du hättest sie verloren und ich könnte dir damit eine Freude machen. Das eigene Element kann einem nichts anhaben, unter Wasser atmen ist also kein Problem für mich“
"Und wem hast du sie danach gegeben?"
Darüber musste sie kurz nachdenken.
"Jake, glaub ich"
Ich stöhnte auf.
"Was ist daran so schlimm? Er hat sie dir doch wieder gegeben, oder?"
Mir fiel auf, dass Alice gar nicht wusste, wo wir die Kette gefunden hatten.

"...du musst zugeben, dass macht Jake nicht gerade unverdächtiger", schloss ich. Alice schüttelte den Kopf, sodass ihr blonder Zopf von einer Schultern auf die Andere flog.
"Du kennst Jake nicht, zumindest nicht so, wie ich ihn kenne. So ist er nicht"
"Wie ist er nicht?"
Wieder überlegte Alice kurz.
"Er würde seine Freunde nicht hintergehen. Niemals, in seinem ganzen Leben nicht"
Darauf fiel mir nichts mehr ein. Wie Jake zu seinen Freunden stand, konnte ich nicht beurteilen.

"Hast du noch ein paar von Phils Keksen?"
Alice zog einen Tüte mit Kekskrümels aus ihrem Rucksack. Sie knisterte leise.
"Die kann man höhstens noch zum Enten füttern verwenden"
"Ich lass mich aber auch gerne damit füttern"
Alice stieß einen kleinen, erschrecken Schrei aus und auch ich zuckte beim Klang von Phils Stimme zusammen. Ich hatte ihn nicht einmal kommen gehörte.
"Hast du nicht noch... knapp eine halbe Stunde Unterricht?"
Er grinste und entriss seiner Schwester die Tüte. Sein Blick ruhte dabei jedoch die ganzen Zeit auf mir, auch wenn er mit Alice sprach.
"Du hast gesagt, das wären meine Kekse und ich nehme dich beim Wort. Auch wenn sich die Kekse offensichtlich ein bisschen... verkleinert haben"
Alice starrte ihren Bruder an. Die Kekse schienen ihr egal zu sein.
"Sag mal schwänzt du gerade?"
"Ja", gab er ganz ungerührt zu. Alice verdrehte die Augen.
"Was hab dich doch für einen verantwortungsbewussten großen Bruder..."
"Ich hatte einfach keine Lust auf auf Musik. Es ist doch eigentlich eine Schande, dass sie uns dafür überhaupt länger festhalten dürfen..."
"Hast du das nicht gewählt?", warf ich ein, diese Frage wurde jedoch von beiden komplett ignoriert.
"Und dann dachtest du dir Geh ich einfach schon früher und nerve meine Schwester und Mia"
"So ähnlich..."
"Woher wusstest du überhaupt, dass wir hier waren?"
Phil grinste.
"Ich hab da so meine Quellen..."
"Mit anderen Worten: Du bist uns gefolgt"
"Störe ich denn?"
"Ja"
Phil Grinsen wurde breiter. Das Grau seiner schelmisch funkelnden Augen stach dabei besonders hervor.
"Dann stellt euch einfach vor, ich wäre nicht da"
Alice verdrehte die Augen.
"Was habt ihr denn gerade gemacht?" "Steine übers Wasser springen gelassen"
Ich musste nicht einmal lügen.
"Cool, da mach ich mit"
Alice schnaubte.
"Du fängst doch schon an zu schreinen wenn die Steine nur ein bisschen zu hoch spritzen"
Phil zog einen mehr oder weniger erst gemeinten Schmollmund.
"Stimmt doch gar nicht..."
"Du bist doch offiziel so oder so nicht hier", erinnerte ich ihn, er aber hatte sich schon einen Stein genommen und ins Wasser geworfen. Er war ungefähr so begabt wie ich. Überhaupt nicht.
"Tja selbst dem größten Profi passiert manchmal ein kleines Missge..."
Er verstummt mitten ihm Satz. Seine Augen fixierten einen Punkt, am anderen Ufer des Sees.
"Was ist los?"
Alice legte den Kopf schief. Ihr Bruder schüttelte langsam den Kopf.
"Ich dachte ich hätte da etwa gesehen. Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Bekomme ich einen zweiten Versuch?"

In den nächsten Stunden trieben wir Alice fast in den Wahnsinn. Meine Steine versanken im Wasser ohne auch nur das kleinste Bisschen zu springen und Phil verlangte ständig nach einen neues Versuch, der ebenfalls missglückte. Der Himmel verdunkelte sich und es roch leicht nach Nässe. Ich vermutete stark, dass sich das Wetter von heute morgen wohl wiederholen würde. Als die ersten Regentropfen fielen, hatte Phil es tatsächlich geschafft alle Kekskrümel auf zu essen.
"Lass uns nach Hause gehen, bevor wir alle klatschnass sind"
Er schüttelte den Beutel, als erhoffte er sich, dass irgendjemand (zum Beispiel die Kobolde des Weihnachtsmanns...)  neue Kekse gebacken hatte.
"Ich bin nicht aus Zucker. Und Mia...“, fügte seine Schwester mit einem Seitenblick auf mich hinzu.
“...übrigens auch nicht“
Sie lächelte.
“Wenn du nicht einmal ein bisschen Regen aushalten kannst, flieg doch schon mal vor"
Phil schnalzte missbillig mit der Zunge.
"Du scheinst mich wirklich für ein richtiges Weichei zu halten"
"Was Wasser angeht: Ja"
Ich biss mir auf die Unterlippe um nicht einmal in Versuchung zu geraten, zu lachen. Es regnete immer mehr und die Wolkendecke riss noch lange nicht auf.
"Hoffentlich gewittert es gleich nic.." Ich wurde von einem fernen Grollen unterbrochen, was wohl noch einmal unterstreichen sollte, dass meine Wünsche nie in Erfüllung gingen. "Jetzt ist wohl der richtige Zeitpunkt, um vom Wasser weg zu trete...."
Phil machte eine Schritte rückwärts, weg vom See, in Richtung Wald.
"...denn ehrlich gesagt, bin ich nicht der Typ, der sich gerne grillen lässt" Wie zur Bestätigung entlud sich direkt über uns einen leuchtend greller Blitz.
"Und euch schätze ich auch nicht so ein..."
"Flieg doch nach Hause", sagte ich trocken.
"Sehr lustig. Kommt, wir gehen!" Wieder blitzte es, dieses Mal folgte ein tiefes Donnergrollen. Alice machte einige Schritte auf ihren Bruder zu. "Ich kann einfach nicht glauben, dass ich das jetzt sage, aber ich muss dir wohl Recht geben..."
Es war erstaunlich, zu ihrem Bruder war sie genauso unfreundlich, wie sie zu Anderen nett war. Vom Regen bereits nass wie Seetang, machten wir uns auf den Heimweg.

Es war Alice, die unsere kleine Karawane dieses Mal stoppte.
"Was ist los?"
"Ich hab was gehört..." "Alice, es gewittert. Das donnern ist nun einmal..."
Phil grinste. Seine nassen Haare, klebten an seinem Gesicht.
"Das meine ich nicht..."
Ich lauschte. Der Wind pfiff durch die Bäume und das durchgehende Sommerkonzert der Vögel war verstummt. Aber war da nicht noch etwas? Ein Knacken von Zweigen, das Atmen eines großen Tiers... Oder ich ließ mich einfach von Alice verrückt machen.
"Hat da nicht gerade jemand gesprochen?", fragte Phil mit gesenkter Stimme. Ich spürte wie mein Herz schneller schlug und meine Handflächen heiß wurden. Heißer, als es normal gewesen wäre... "Lass uns weiter gehen"
Das Prasseln des Regens übertönte fast jedes meiner Worte, doch ich wagte es nicht lauter zu sprechen. "Nein, da ist irgendetwas", beharrte Alice.
"Ich bin mir ganz sicher..."
Ich konnte einen schnell huschende Schatten im Dickicht sehen und war unfähig zu sagen, ob meine Augen mir einen Streich spielten oder ob da wirklich etwas war. Meine Handflächen wurden noch heißer. "Mia, du brennst"
Diese Stimme... Blitzschnell drehte ich mich zu meinen Freunden. Drei Augenpaare starrten mich an.

Wer ist eigentlich bis her eure Lieblingsfigur? :)

Im Kreis der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now