34: ...und fliegen

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"Verdammte Scheiße? Was genau heißt das jetzt...?" "Das ich weiß, wo meine Notizen sind. Oder eher, bei wem sie sind. Dieses..." Sie schien wirklich Schwierigkeiten zu haben, sich zu beherrschen.

"Du willst mir vermutlich nicht sagen, wen du meinst? So in... Drei oder vier Jahren vielleicht...?" "Meinen idiotischen Bruder" "Phil?!" "Ja, einen anderen habe ich ja nicht. Glaube ich. Hoffe ich..." Warum zum Teufel sollte Phil Alices Notizen klauen? "Das macht doch keinen Sinn, er war noch mit mir laufen" "Aber nicht den ganzen Tag..." "Woher willst du überhaupt wissen, dass er es war?"
Alice rieb sich noch einmal, den Kopf, den sie sich an der Schreibtischkante gestoßen hatte. "Guck mal aus dem Fenster..." Alices Fenster war zum Garten hin ausgerichtet, sie hatte eine schöne Aussicht. Eine schöne Aussicht, auf ihren Bruder, der mitsamt Notizen auf. Dach von Phils kleines Hauptquartier saß. Wütend öffnete Alice das Fenster und lehnte sich hinaus.
"Hey! Komm sofort da runter und geb mir meine Sachen zurück!" Er grinste wieder einmal "Hol es dir doch..." "Bist du jetzt vollkommen bescheuert? Was soll das, ich kann doch nicht auf das Dach klettern!"

"Bist du nicht etwas zu alt, um mit deiner Schwester cops and robbers zu spielen?" Wahrscheinlich konnte er mich eh nicht hören...

"Dann frag Mia, ob sie hochfliegt..." Ach darum ging es also. Malwieder.
"Zum letzten Mal: ich kann nicht fliegen! Was ist daran so schwer zu verstehen?"
"Ich glaube schon, dass du es kannst. Man muss dich nur dazu zwingen"
"Du bist das Letzte"
"Weil das Beste immer zum Schluss kommt?"
Das wurde mir eindeutig zu blöd. Mit einem Ruck schloss ich das Fenster und zog die Vorhänge zu. Problem erkannt, Problem gelöst

"Vielleicht hat er Recht" Überrascht blickte ich Alice an "Womit? Damit, dass er einfach deine Sachen klauen kann?" "Nein. Damit, dass du fliegen kannst" Das sollte ja wohl ein Witz sein.
"Alice, ich lach später..." "Nein, ich meine das Ernst. Vielleicht bist du ebenfalls in der Lage unsere Zusatzgaben, oder zumindest Zusatzgaben, die zu den Elementen gehören zu nutzen. Ist doch eigentlich nicht mal unwahrscheinlich..." Ich und fliegen? Fliegen? Ich?! "Du weißt schon, dass das dann bedeuten würde, dass ich auch deine, Nadys und... Naja, Jakes Gaben hätte, oder? Und ich kann weder in die Zukunft sehen, noch irgendwelche Verletzungen heilen. Und fürs Gefühlelesen bin ich doch zu unsensibel..." Sie legte den Kopf schief "Aber möglich wäre es, du hast es doch noch nie..." Sie wurde von einem Pochen unterbrochen, eine Art unregelmäßiges Klopfen an das von dem, von den Vorhängen verdunkeltem Fenster kam. Reichlich entnervte zog ich diese zurück und öffnete es. Der Stein traf mich genau zwischen den Augen.

"Kommst du endlich raus und versuchst mir die Notizen abzunehmen?" Phil stand jetzt zumindest wieder auf dem Boden, den nächsten Stein schon erhoben.
"Nein! Du kannst mich nicht dazu zwingen!"
"Bitte. Versuch es wenigstens, es wäre echt toll. Tu mir den Gefallen..."
"Du hast mich gerade mit einem Stein abgeworfen, warum sollte ich dir einen Gefallen tun?"
"Ich wollte das Fenster treffen..."
"Hast du aber nicht!"
Einige Momente sagte niemand von uns etwas. "Ja...Bist du verletzt?" Konnte er sich nicht zumindest entschuldigen?
"Kommst du jetzt, oder nicht?" Ich schnaubte und wollte das Fenster wieder schließen, doch Alice hielt mich auf. "Versuch es doch wenigstens..."
"Tu ich ja auch. Aber nicht unten bei Phil, sonst bildet er sich noch was darauf ein..."

Der Erwähnte schien bessere Ohren als jeder Wüstenfuchs zu haben. "Ich bilde mir nichts darauf ein!"
"Mit dir habe ich ja auch nicht gesprochen" Das altbekannte Grinsen huschte über sein Gesicht. "Na gut. Dann übe das Fliegen halt mit meiner freizeittauchenden Schwester. Aber später wenn ein Loch in ihrer Zimmerdecke ist, bin ich es nicht schuld..." Ach, jetzt versuchte er es also mit der guten alten Ihr-braucht-mich-sonst-geht-irgendetwas-gewaltig-schief Masche...
"Ein Loch sehe in ihrem Zimmer bestimmt gar nicht mal so schlecht aus..."
Sein schallendes Lachen war sicherlich noch über Kilometer zu hören. "Gib doch zu, dass du mich brauchst..." "Gerade wolltest du mich noch dazu zwingen dich zu jagen..."
"Das war bevor ich diese andere, wunderbare Idee hatte... Kommst du jetzt endlich?"
"Das wird sicher witzig", murmelte Alice neben mir und da wusste ich, dass widerstand zwecklos war...

"Es ist eigentlich ganz einfach..." Alices Notizen lagen jetzt neben uns auf dem Boden, niemand kümmerte sich jedoch um sie. "Schließ einfach mal die Augen" Obwohl mein Vertrauen in Phil sich immer noch... in Grenzen hielt, tat ich wie mir geheißen. Ich zuckte zusammen, als ich seine warmen Hände an meiner Taille fühlte.
"Bleib ganz ruhig, es kann dir überhaupt nichts passieren"
Obwohl ich die Augen immer noch fest zusammen gekniffen hatte, spürte ich, dass er ganz nah bei mir stand.
"Gut. Und jetzt stell dir vor, dass die Luft dich trägt, nein, eher, dass du ein Teil von ihr bist, ein Teil, der sich frei bewegen kann, wo immer er hin will"
"Bist du sicher, dass du es ihr richtig beibringst?", mischte sich Alice ein.
"Klar, ich bin doch ein absoluter Profi. Oder... zumindest ein halber Profi"
"Sagen wir, ein Viertel..."
Viertel-Fliegprofi- Phil. Das klang jetzt nicht gerade vertrauenserwechend.
"Und jetzt?"
"Jetzt solltest du eigentlich fliegen, Sternchen"
"Tu ich aber nicht. Ich hab dir doch gesagt, dass ich es nicht kann"
In diesem Moment spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Ein kleiner Schrei entfuhr mir und ich öffnete die Augen. Mein Körper schwebte etwa einen guten Meter über dem Boden, jedoch zweifelte ich daran, dass das an mir lag. Phil flog, die Hände immer noch fest an meiner Taille nur wenige Centimeter vor mir und grinste. Alice unter uns, klatschte begeistert in die Hände
"Siehtst du, du fliegst. Jetzt kann ich dich ja loslassen..."
"Nein, nein, nein, nein!"
Fast schon panisch klammerte ich mich an seine Schultern. Das sah möglicherweise extrem peinlich aus, aber das war mir vollkommen egal.
"Lass mich bloss nicht los, auf keinen Fall"
"Schon klar..." Er grinste noch breiter und ich fragte mich, ob er den Loslassen- Plan wirklich so einfach verworfen hatte. Wie ich ihn kannte, sicherlich nicht.
"Versprich es mir!"
"Ich lass dich nicht los Sternchen. Versprochen"
Noch ehe ich wirklich registrierte, was los war, waren unsere Gesichter nur noch wenige Millimeter von einander entfernt. Und dann ging alles ganz schnell...

Hoffe das war nicht zu kurz und zu... naja, seltsam...

Das Kapitel ist für @Silberengel_98 weil sie das Buch so supernett weiterempfohlen hat ♡

Im Kreis der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now