1: Ein Tag wie jeder Andere

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Der Tag, der mein Leben verändern sollte fing an wie jeder andere: Stressig und beschissen.

"Na Mia, ich bin sicher, dass kannst du sogar noch besser"

Mein Englischlehrer lächelte mich zuckersüß an. Er machte gemächlich einige Schritte auf mich zu, wobei das diabolische Grinsen, dass seien Lippen umspielte breiter wurde. Erst dann gab er mir, ohne einen weiteren Kommentar meine Klausur zurück. Es war ein D, wie eigentlich immer. Na ja, fast immer. Manchmal viel ich auch einfach durch.

"Ich werde mir die größte Mühe geben, Sir", murmelte ich, auch wenn ich es nicht wirklich so meinte und steckte mein Heft in meinen Rucksack.

Meine Klassenkameraden starrten mich an, als wäre ich ein riesiger Flachbildfernseher, auf dem Neil Armstrong gerade den Mond bestieg und so etwas sagte wie: "Ups, ich glaube wir müssen noch einmal landen. Mir fällt gerade kein guter Satz ein" Irgendjemand räusperte sich, als wäre es schwer ein Lachen zu unterdrücken und ich spürte, wie ich rot anlief. So ein Mist! Wie kam es eigentlich, dass sie mich den ganzen Tag ignorieren und in solchen Situationen trotzdem blöd anstarren konnten? Ich wusste sehr wohl, wie hinter meinem Rücken über mich geredet wurde, welche Gerüchte gerade kursierten und wie meine Klassenkameraden darüber dachten, dass ich auf keiner Party erschien und nie jemanden zu mir nach Hause eingeladen hatte. . Und genau deshalb hielt ich mich lieber im Hintergrund, ich hatte lieber keine Freunde als Falsche, Intolerante oder solche, die eine Freundschaft nur aus Mitleid oder für einen Pfadfinderorden führen. Abgesehen von genau solchen Freunden, gab es im ganzen Universum wohl nichts Gemeineres, als Lehrer, die ihre Schüler bloß stellten. Und genau dafür war mein Englischlehrer bekannt.

"Ich denke nicht, dass größte Mühe geben reichen", seufzte er theatralisch und ohne sein Lächeln abzulegen.

Blödmann.

Ich war unglaublich glücklich, als es endlich zum Schulschluss klingelte. Schule aus, jetzt konnte ich zurück in den Betonklotz, den andere als meine Heimat bezeichneten. Juhu, wirklich drauf konnte ich mich riesig freuen. Demotiviert schulterte ich meine Tasche

Es regnete und ich verpasste, mal wieder, den Bus. Mein Schulweg war gefühlte zwei Kilometer lang und ich war nass bis auf die Unterhose als ich ankam. Jemaden, ohne wirklichen Sinn für Humor hatte das Waisenhaus Sonnenhaus genannt und es war vollkommen offensichtlich, dass er keine Ahnung gehabt hatte. Das Gebäude war grau und einfach nur... traurig. Meiner Meinung nach, jedenfalls. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ich generell nicht wirklich zufrieden war. Frustriert kickte ich gegen einen Stein. Das die Straße nass und eindeutig rutschgefährdet war, rechnete ich jedoch nicht ein und so landete ich, mit dem Hinter zuerst in einer riesigen Schlammpfütze. Super, konnte dieser Tag überhaupt noch schlimmer werden? Vermutlich nicht. Missmutig stand ich auf, schüttelte mir den Regen aus dem schwarzen Haar und schloss die Türe auf. Die Eingangshalle war in einem kitschigen Blau gestrichen, das mich schon störte, seit ich hier war. Mit anderen Worten: Seit ich denken konnte.

Ich war fünfzehn und niemand hatte sich je ernsthaft für mich interessiert, geschweige denn mich adoptiert. Die Leute wollten immer nur kleine blonde Mädchen, mit blauen Augen, guten Noten und Grübchen in den Wangen, die viktorianische Gedicht auswendig aufsagen und Violine spielen konnten. Sozusagen, die kompletten Gegenteile von mir. Meine langen, schwarzen (und gerade ziemlich nassen) Haare bildeten einen deutlichen Kontrast zu meiner blasse Haut, die selbst im Sommer eher rot als braun wurde. Wenn ich mich jedoch im Spiegel betrachteten, waren weder die Haare, noch die Haut, das Erste, was mir auffiel, es waren meine Augen: Sie waren von einem ungewöhnlichen hellbraunem fast goldenen Ton, die Farbe von sehr hellem Bernstein.

Ich blickte auf die riesige Uhr in der Eingangshalle und versuchte zu ignorieren, dass meine Jeans, nass und dreckig vom Regen und von meinem Ausflug zum Boden, an meinen Beinen klebte. Nervös, gestresst und entnervt nestelte ich am Verschluss meiner Kette herum. Das an dieser hängende Madaillon war das Einzige, was ich von meinen leiblichen Eltern hatte. Es war mit mir zusammen vor die Türe gelegt wurden und war vermutlich die Hälfte einer Medallie, auf dem mit geschwungener Schrift mein Name eingraviert war: Mia Bell. Ich hatte schon mit diversen Entschlüsselungscodes an diesem Namen gearbeitet, hatte Anagramme gebildet und Wörterbücher durchforstet, doch nie war etwas Sinnvolles dabei heraus gekommen. Und so blieb Mia Bell, eingraviert auf der Kette die ich jeden Tag trug nicht mehr und nicht weniger als mein Name.

Im Kreis der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now