Dieses Spiel

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Manuels Sicht:

Die Geburtstage von Peter waren jedes Jahr gleich. Zuerst gab es Kaffee und Kuchen und gegen Abend hin kochte Dani eine Kleinigkeit. Heute aber stellten sich meine Schwester und meine Mutter in die Küche. Sie wollten, dass Dani sich schonte, wegen dem Baby. Eigentlich war Dani selbst dagegen, ließ es aber aufgrund von Peters Bitte auf sich beruhen.
Also saßen die restlichen Gäste und ihre Gastgeber im Wohnzimmer und unterhielten sich über ziemlich belanglose Dinge. Anfangs hörte ich noch zu, beteiligte mich sogar, dann aber zog mich das merkwürdige Verhalten meines älteren Bruders in seinen Bann. Ich versuchte ihn möglichst unauffällig dabei zu beobachten, wie er ständig auf seine Armbanduhr sah und mit dem Fuß wippte. Peter war nervös, aber warum? Hatte er vielleicht noch eine wichtige Ansage zu tätigen?
Und wieder überwog meine Neugier. "Sag mal, Peter? Ist alles in Ordnung?" Die Gespräche um uns herum versiegten. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. "Hä, was? Ja klar! Was soll sein?", erwiderte er und ich bemerkte, wie seine Muskeln sich anspannten. Meine Stirn legte sich in Falten. "Guck nicht so skeptisch.", grummelte mein Bruder und erhob sich. "Jemand noch einen Kaffee? Oder vielleicht etwas anderes?" Peters Blick huschte über die Gesichter der anderen. "Ich hätte gern ein Glas Wasser.", rief Dani fast in die beklemmende Stille hinein. Er tat es mit einem Nicken ab und verschwand.
Gespräche wurden wieder aufgenommen und auch von einem Klingeln nicht noch einmal unterbrochen.
Wie von selbst, stand ich auf und lief gelassen in den Flur. Ich öffnete die Tür mit einem Lächeln, welches jedoch auf der Stelle gefror, ähnlich wie mein restlicher Körper. Ein komisches Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit und ein fieser Schauer jagte mir über den Rücken. Alles in mir schrie 'Lauf' oder so etwas wie 'Schließ die Tür', aber ich konnte nicht.
Vor mir stand Taddl.
Genau dieser Mensch, mit dem ich am wenigsten, ja sogar gar nicht, gerechnet hätte, stand vor mir. Er schwieg, sah aber nicht weg.
"Was willst du hier?", verließ es trocken meine Kehle. Die Worte waren hart und zeigten, dass ich alles andere als begeistert war ihn zu sehen.
"Ich möchte mit dir reden.", antwortete er. Es klang schon fast flehend.
"Woher weißt du, dass ich hier bin?", fragte ich weiter, erpicht darauf zu erfahren, wer meine gesamte Wut in nächster Zeit zu spüren bekommen durfte. "Er weiß es von mir", meldete sich jemand hinter mir zu Wort. Unwillkürlich zuckte ich. Mein Blick wanderte von Taddl zu meinem Bruder. Dort stand er, an eine Wand gelehnt, mit einem Küchenhandtuch lässig über die Schulter geworfen und verschränkten Armen. Wütend knirschte ich mit den Zähnen. "Du kannst dich nicht ewig vor ihm verstecken.", während Peter das sagte, veränderte sich seine Mimik nicht mal ein kleines bisschen. Es blieb dieser strenge, irgendwie aber auch fürsorgliche Blick.
Immer mehr Wut kochte in mir auf. Nun ballte ich meine Fäuste und das so sehr, dass meine Finger laut knackten. "Erstens", ich machte eine Pause und versuchte so gelassen wie möglich zu klingen, "ich habe mich nicht vor ihm versteckt. Und zweitens", nun sah ich wieder zu Taddl, "warum kapiert ihr nicht, dass ich keinen Bock auf dich habe, hm?" Mein Gegenüber zuckte und seine Mimik sprach tausend Worte. Ich hatte genau ins Schwarze getroffen. Ich hatte ihm gerade so sehr weh getan, noch mehr, als mit meiner Ignoranz. Dabei hatte er wenigstens hoffen dürfen. Jetzt aber hatte ich ihm voller Hass entgegengesetzt.
Als wäre das nicht schon genug gewesen, warf ich Taddl nur noch mehr gegen den Kopf. "Was glaubst du warum ich dich ignoriert habe? Weil es mir Spaß macht, vielleicht? Nein. Schlicht und ergreifend aus dem Grund, weil ich keinen Bock mehr auf dich habe, Thaddeus Tjarks!"
Sowohl die ganze Wut gegenüber mir selbst, als auch die totale Verzweiflung ergriffen Besitz von mir. Ich verspürte keinerlei Reue.
Es war still. So still, dass man vielleicht sogar mein Herz pochen hörte. Es hämmerte so sehr gegen meine Brust, dass ich glaubte gleich ohnmächtig zu werden. Meine Haut pulsierte und mein Gesicht brannte von der Röte.
Taddl stand da. Schweigend, nahezu in sich zusammengesackt und mit fassungslosem Blick, der aber viel von Verwirrung in sich trug.
Peter schwieg auch. Ich spürte seinen geschockten Blick sich mir in den Rücken bohren.
Wie aus einer Trance erwacht, begriff ich, was ich gerade getan hatte. Ich sah Taddl in die Augen und fühlte quasi, wie er mit den Tränen kämpfte. Auch in meinen Augen begannen sich Tränen zu bilden. Was war nur aus mir geworden? Schuldgefühle, erneute Wut, Verwirrung und alle anderen möglichen Gefühle fielen auf mich hinab und begruben mich unter sich.
Taddl setzte an etwas zu sagen, wusste aber anscheinden nicht wie er anfangen sollte.
Ich griff nach meinen Schuhen, zog sie schnell an, nahm mir meine Jacke und schob mich am Bloden vorbei Richtung Treppe. Er hatte gesehen, wie die Tränen langsam begannen meine Wangen hinunter zu laufen. Doch es war mir egal. Ich wollte das alles nicht mehr. "Manuel!", hörte ich Peter rufen. Ich glaubte ihn mir sogar nachrennen zu hören, aber nicht mit mir. Ich war schon mein ganzes Leben lang weggerannt. Dieses Spiel beherrschte ich am besten...

Das Spiel {GLPaddl FF}Where stories live. Discover now